Eben noch monierte ich, daß sich Neuerungen im Bestattungswesen nur allmählich durchsetzen, was oft auch an der mangelnden Flexibilität der Behörden und an starren Friedhofssatzungen aus dem vorvorletzten Jahrhundert liegt.
Und schon melden sich aufgeregte Bestatter bei mir, denen jetzt auf einmal alles viel zu schnell geht.
Worum geht es?
In Worms, der Nibelungenstadt am Rhein, setzt sich derzeit der Stadtrat mit der Frage auseinander ob zukünftig auch sarglose Bestattungen zugelassen werden können. Die positive Klärung dieser Frage kommt vor allem den Angehörigen jener Religionsgruppen entgegen, die keine Bestattung mit Sarg kennen.
An sich also eine gute Sache und dennoch ärgern sich die Bestatter in der Domstadt. Sie seien von Seiten der Behörden überhaupt nicht über die anstehenden Änderungen informiert worden, man habe sie als Fachleute und Betroffene nicht um Rat gefragt und die Stadt habe damit ein vor geraumer Zeit gegebenes Versprechen gebrochen.
Tatsächlich steht die Änderung der Friedhofssatzung recht kurzfristig auf der Tagesordnung und die geänderte Satzung soll dann auch sofort in Kraft treten. Auf der anderen Seite steht aber die Politik, die ganz klar sagt, daß sich jedermann über die Themen und Tagesordnungspunkte der Stadtratsitzungen informieren könne, da diese ja bekanntlich öffentlich seien. Den Bestattern sei zwar, und das gebe man unumwunden zu, nach heftigen Diskussionen um das örtliche Krematorium, damals zugesichert worden, daß man sich künftig in regelmäßigen Abständen zusammensetzen wolle, dazu sei es aber bislang eben noch nicht gekommen, was ja die Bestatter nun nicht davon befreie, sich wie jeder Bürger sonst auch über die anstehenden Themen der örtlichen Politik zu informieren.
„Wir können doch nicht alles immer jedem Betroffenen auf dem Silbertablett servieren.“
Die Bestatter hingegen argumentieren, jetzt würde wieder am grünen Tisch entschieden, ohne daß man Fachleute dazu gehört habe. „Es geht doch nicht um Parkplätze oder eine Straßenbenennung, sondern um ein sehr weitreichendes Thema, das für Generationen festgeschrieben werde. „Da hätte man uns doch vorher informieren können, dann hätten wir unsere Gedanken dazu zusammengetragen und wir hätten so hinterher nicht etwas ausführen müssen, an dem wir nicht mitgewirkt haben“, beklagt sich ein Kollege.
Bei der sarglosen Bestattung geht es darum, daß bei Erdbestattungen völlig auf den Sarg verzichtet wird. Der Leichnam wird in ein Tuch eingewickelt und so ins Grab gelegt.
Die Bestatter haben gegen diese Bestattungsform grundsätzlich nichts einzuwenden, behaupten sie zumindest. Fakt ist: Eine Bestattung finanziert sich für den Bestatter immer auch über den Sargverkauf. Mir werden jede Woche Bestatterrechnungen zur Prüfung zugemailt, in denen außer dem Sarg nur noch ganz wenige Rechnungspositionen auftauchen, ein klares Indiz dafür, daß die gesamten übrigen Kosten im Sargpreis mit einkalkuliert sind. Wer so abrechnet, wird sich im Falle einer sarglosen Bestattung sicher etwas einfallen lassen müssen.
Aber es geht auch um andere Fragen. „Das ist vor allem der Transport. Wie sollen wir die Verstorbenen denn nun transportieren, dafür werden wir dann extra einen Notsarg nehmen müssen, der ja auch wieder gereinigt werden muß“, gibt eine Kollegin zu bedenken, verschweigt aber, daß Bestatter sowieso in den seltensten Fällen mit dem später verwendeten Sarg überführen, sondern eine Trage oder einen Kunststoff- oder Blech-Transportsarg verwenden. Hier ändert sich also in Wirklichkeit nichts.
Etwas anders sieht es aus, wenn der Verstorbene noch aufgebahrt werden soll. Wie das genau vonstatten gehen soll, wüßten die Bestatter auch gerne. Liegt der eingewickelte Verstorbene dann ohne Sarg einfach auf dem Katafalk? Wird das Tuchbündel dann so, ohne weitere Umhüllung zum Grab gefahren?
Solche Dinge hätte man tatsächlich im Vorfeld einmal mit den Bestattern durchsprechen sollen, dann käme es jetzt nicht zu der kuriosen Situation, daß Kunden bei den Bestattern anrufen und sich schon wegen der neuen Bestattungsform und den Kosten erkundigen wollen. „Wir wissen gar nicht was wir sagen sollen, es kann doch nicht angehen, daß wir erst durch unsere Kunden davon erfahren“, schimpft eine Betroffene.
Andererseits bleibt die Frage: Wie kommt es, daß die Kunden das wissen und die Bestatter nicht?
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Wegen die Mülltrennung
und wie macht man das bei einem Leichnam der nicht mehr so gut aussieht ( Körperflüssigkeit )?
„Andererseits bleibt die Frage: Wie kommt es, daß die Kunden das wissen und die Bestatter nicht?“
Der eine hat sich informiert, der andere nicht.
Es gibt doch Länder, in denen keine Särge verwendet werden. Gut möglich, dass die keine „Aufbahrung“ kennen. Dort geht es doch auch ohne Sarg.
Das mit der Aufbahrung ohne Sarg wird doch sowieso nix, da doch die Toten normalerweise schon am Tag nach ihrem Tod bis Sonnenaufgang beerdigt werden sollen (je nach Religion). Das klappt zwar nicht immer, wenn noch ein Hausarzt „drüberschauen“ soll, aber von einer Aufbahrung ist eigentlich nie die Rede.
Alles gut und schön. Es ist aber anzunehmen, daß jetzt aber auch Menschen, die nicht in dieser Tradition verhaftet sind, aus Kostengründen so etwas bestellen werden und dann kann es durchaus zu solchen Wünschen kommen.
IN vielen Ländern, in denen ohne Sarg beerdigt wird, wird der Tote noch am selben Tag, oder am Tag danach beerdigt.
In solchen Fällen hat man keine Probleme mit Körperflüssigkeiten denke ich.
Und zur Not kann man immer noch den Darm mit einem „Propfen“ verschließen.
Eine Aufbewahrung ist doch kein wirkliches Problem, ganz einfach eine gut gemachte Wanne (nicht so hoch) auf dem Aufbahrungsort stellen und die Leiche im Tuch (Gesicht frei) dort hinlegen! Anschliessend wird die Leiche am Tuch aus der Wanne geholt und dann zum Friedhof gebracht! Auch die Körperflüssigkeiten dürften kein Problem sein (z.B. wird dem Toten eine Windel umgelegt) oder es gibt wahrscheinlich Möglichkeiten die Öffnungen auch anders zu verschliessen?!
Hehe, das mit dem informieren errinert mich stark an diese Geschichte von einem gewissen Arthur Dent und 2 Umgehungsstraßen.
Wie der Transport zum Grab aussehen soll, das haben die Weiner schon vor langer Zeit erfunden: Der Sparsarg: Voilà http://www.tici.ch/Bilder%20Wien/sparsarg.jpg
Ein passender Tippfehler – aber statt Weiner sollte es natürlich Wiener heißen *gg*
Also mir gefällt der Gedanke mit der sarglosen Beerdigung sehr gut. Das mit den Särgen hat mir noch nie so richtig behagt, die Vorstellung eines Segeltuches, in dem dann der Verstorbene eingewickelt ist, finde ich viel schöner.
Es liegt doch an uns Bestattern, daran mitzuwirken, dass vernünftig geschnittene und an den richtigen Stellen gepolsterte bzw. mit saugfähigen Materialien verstärkte Tücher auf den Markt kommen. Das könnte sich doch wie bei Särgen zu einem Markt mit diversen Angeboten entwickeln.
Lauter schlaue Leute!
Was für den einen ein ordentliches Segeltuch ist, ist für den anderen ein Fetzen. Geschmäcker sind verschieden. Und wer sagt den, das bei einem Toten diverse Flüssigkeiten nur aus den Körperöffnungen kommen die man zustoppeln kann und das nicht erst Tage nach Eintritt des Todes.
Ich kann auch nur betonen, daß diese Bestatter offensichtlich nicht mehr mitbekommen, was so in der Welt vor sich geht. Auf dem Ohlsdorfer Friedhof hier in Hamburg ist es seit über zehn Jahren (!) schon möglich, ohne Sarg nur im Leinentuch beerdigt zu werden. Da hätte denen eigentlich klar werden können, daß es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis das auch woanders eingeführt wird.
Zitat gefällig?
„Seit 1995 ist eine Beisetzung ohne Sarg im Leinentuch möglich. Bei muslimischen Beisetzungen wird keine Gebühr mehr für die Ausnahme von der Sargpflicht erhoben.“
(http://www.friedhof-hamburg.de/ohlsdorf/grabstaetten/auslaender.htm)
Ich lebe seit einigen Jahren in Worms und einen Spruch habe ich hier ziemlich schnell gelernt: „Was wollen Sie – ist halt Worms!“ Begleitet von Abwinken oder resigniertem Schulterzucken.
Wenn das hier stimmt, ist das noch harmlos gegen die Klöpse, die diese Stadtverwaltung in der letzten Zeit fertiggebracht hat…
Na das wär doch ein Thema für die nächste Bestattermesse oder einen Fachkonggress.
Für mich wär das nichts, da kann man sich ja nicht mal mehr
– wenn nötig – im Grab herumdrehen.
in unserer Gemeinde ist es selbstverständlich, dass ich als örtlicher Bestatter dem Friedhofsausschuss als beratendes Mitglied angehöre.
Bei Friedhofsfragen werden hier inzwischen Bestatter, Steinmetze und auch gärtner vorab informiert.
Entstanden ist das dadurch, dass unabhängig voneinander 4 der 5 örtlichen Bestatter sowie 3 der 4 örtlichen Steinmetze um Beschwerdetermine beim Bürgermeister baten, direkt nachdem die neue Freidhhofssatzung unter den amtlichen Bekanntmachungen stand.
Gründe:
Den Steinmetzen wurden Auflagen für Grabsteine gemacht, die teilweise Normen und Sicherheitsvorschriften widersprachen.
Den Bestattern gefiel folgendes nicht:
Eine offene Aufbahrung am Beerdigungstag wurde untersagt (wegen Hygiene), das kurzfristige unterstellen eines Verstorbenen in einer geschlossenen Trage war untersagt (wegen Menschenwürde) aber gleichzeitig wurde die sarglose Bestattung ohne jede Auflage oder Handhabung genehmigt.
Also in sich total praxisfremd und widersprüchlich.
Seit diesem kleinen Unfall werden die einzelnen Gewerke bzw. Fachleute in Änderungen mit einbezogen.
Warum auch nicht? Wir stellen da unsere Ideen und Fachkunde gern und kostenlos zur Verfügung, denn schließlich müssen wir das ja hinterher irgendwie umsetzen.
@Stefan: bei Euch gesteht die Gemeindeverwaltung wenigstens Fehler ein, und will es besser machen. Wie oft hört man jedoch: „So wurde es beschlossen, wir sind ja auch nicht dumm, Punkt aus AMEN. wir können ja nicht jeden Gemeinderatsbeschluß im Anschluß berichtigen, da werden wir ja unglaubwürdig.