Branche/Kommune

Schlimme Erlebnisse von Trauernden

Schlimme Erlebnisse von Trauernden:

Lieber Herr Wilhelm,

als letzte Woche nach kurzer schwerer Krankheit im Alter über 80 Jahren mein Vater verstarb, gerieten wir zunächst an eine kleine, junge Bestatterfirma, die von Mutter, Sohn und Schwiegertochter geführt wird.

Werbung

Was wir dort erleben mussten, möchte ich sowohl Ihnen als auch Ihren Lesern berichten.

Als wir zum Zeitpunkt des zuvor telefonisch vereinbarten Termins morgens um 10.00 Uhr die Geschäftsräume dieser Firma betraten, winkte uns die in leuchtendes Rot gekleidete Schwiegertochter bereits von weitem freudig zu, wir sollten uns schon mal an den großen Besprechungstisch setzen. Sie selbst führte gerade ein Telefonat, das offenbar sehr lustig war, da sie in einem fort lachte und kicherte. Während wir also dort am Tisch saßen, auf sie warteten und ihr beim Telefonieren zuhören mussten, schauten wir uns etwas näher in dem großen Ladenraum um. Es hingen große bunte „Happy Birthday“ Girlanden von der Decke, und an mehreren Stellen standen prallgefüllte Pappteller mit Negerküssen, Schokolade, Bonbons, Pralinen, Schokoriegeln und Lakritze auf den Tischen verteilt. Als ihr Telefonat dann endlich beendet war, kam die junge Frau auf uns zu und erklärte uns mit einem herzlichen Lachen, dass sie heute Geburtstag habe. Da sie zudem allein im Laden sei, bat sie um Verständnis, dass sie immer mal wieder ans Telefon gehen müsse (um weitere Gratulationen entgegenzunehmen, wie sich später herausstellte). Weder hat sie uns begrüßt, noch uns in irgendeiner Weise ihr Beileid ausgesprochen.

Vergnügt griff sie dann zu ihrer Mappe, in der ein abgewetzter Schulblock steckte und verkündete strahlend „Na, dann wollen wir mal!“

Wir waren zu geschockt, um sofort wieder aufzustehen und zu gehen, so dass wir uns zunächst noch auf ein Beratungsgespräch einließen.

Dazu bot sie uns von den auf dem Tisch in der Sonne stehenden lauwarmen Getränken an.

Im Laufe des daraufhin erfolgten Gespräches offenbarte sie uns, dass ihrer Ansicht nach Sterbetalare „Scheiße“ aussehen, und dass es viel geiler sei, den Verstorbenen in eigener Kleidung zu bestatten, gerne auch in einem alten, zerfetzten T-Shirt und speckigen Jeans. Im übrigen würde man hier die Verstorbenen für die Abschiednahme am offenen Sarg auch nicht herrichten, sondern nur kämmen. Das reiche völlig aus. Auf meine Frage, wo denn die Verstorbenen hygienisch versorgt würden, ob das hier im Haus geschehe, wiegelte sie ab „Um Gottes Willen, nein! Das ist ja gruselig! Das wollen unsere Kunden auch nicht!“

Als wir dann in einen Nebenraum gingen, um für meinen Vater einen Sarg auszusuchen, war ich sehr enttäuscht, dort nur Körperformsärge vorzufinden, zumal ich eine klassische Sargform suchte. Die Frau, die immer noch fast ohne Pause kicherte (am lautesten über ihre eigenen Witze) sah mich angesichts dieser Äußerung entsetzt an und meinte „diese altmodischen Kisten sind doch viel zu hoch und zu klobig!“ Heute habe man nur noch solche wie hier in der Ausstellung.

Ich irrte mich, als ich annahm und kundtat, dass die Sargausstellung selbst sicherlich nur einen Teil des Angebots darstellte und weitere Modelle aus einem Katalog ausgewählt werden könnten. Nein, nein, das sei alles, was geliefert werden könne.

Als sie meine Enttäuschung sah, ging die geschäftstüchtige Schwiegertochter natürlich sofort an ihren PC und begann,im Internet nach Särgen zu googeln. Man könne ja für meinen Vater auch online einen Sarg bestellen oder einen nach meinen Vorgaben anfertigen lassen. Ihr zwischenzeitlich hinzugekommener Mann klinkte sich mit in die Suche ein, nachdem er von seiner Frau gehört hatte, was ich für einen komischen Geschmack hätte. Wenn man einen Sarg für meinen Vater aus dem Internet bestellen würde („das wird dann aber richtig teuer“), könne man aufgrund der längeren Lieferzeiten auch den Termin zur Abschiednahme am offenen Sarg, zwei Tage später, nicht einhalten. Das sei aber alles kein Problem, versicherte sie uns lachend. Man würde meinen Vater dann halt zur Verabschiedung zunächst „in eine andere Kiste packen“ und ihn dann ein paar Wochen später, sobald die richtige Kiste da sei, nochmal rüberwuppen. Für die Abschiednahme würde man dann für uns eine Ecke der Friedhofskapelle mit einer Bastmatte abteilen, damit „da draußen keiner im Gebüsch steht und durchs Fenster geiert!“

Blumen bzw. einen Kranz könnten wir uns ja dann da und dort im Blumenladen XY bestellen, ganz wie wir wollten.

Wichtig war für sie auch noch, von uns darüber aufgeklärt zu werden, ob mein Vater seine „Beißerchen drinhaben“ solle oder nicht.

An dieser Stelle habe ich zu meiner Mutter gesagt: „Komm, wir gehen! Ich glaube nicht, dass mein Vater es verdient hat, von so einer Firma wie dieser entsorgt zu werden!“

Tja, und zu dem dummen Gesicht der Inhaber sind wir dann gegangen!

Abschließend sei noch erwähnt, dass wir daraufhin ein stadtbekanntes, alteingesessenes und traditionsreiches Familienunternehmen beauftragt haben, dessen stil- und würdevoller Umgang sowohl mit meinem Vater als auch mit uns zu unserer allerhöchsten Zufriedenheit ausfällt.

Bildquellen:

    Hashtags:

    Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

    #Erlebnisse #Trauernden #vater?

    Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden


    Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

    Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




    Lesen Sie doch auch:


    (©si)