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Stefan Zweig und die Schweinenase

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Ich bin wahrlich kein begnadeter Gärtner, aber wenn jemand bei uns so etwas wie einen grünen Daumen hat, dann ich. Meine Frau hat ja unglaublich schöne Hände und wahnsinnig lange, schlanke Finger und ihr Daumen ist sicherlich schöner als meiner. Aber die ihm innewohnende, auf Pflanzen übertragbare Kraft muß sie von den Klingonen geerbt haben, wobei diese Klingonen-Theorie, wenn ich das Verhalten meiner Schwiegermutter so betrachte, gar nicht so weit hergeholt ist.

Jedenfalls muß sie eine Pflanze nur anschauen und schon entledigt sich das Teil aller seiner Blätter, Blüten und falls vorhanden auch der Rinde.
Es hat auch überhaupt keinen Zweck, meiner Frau Blumen zu schenken. Wenn überhaupt, dann kommen sowieso nur die ohnehin todgeweihten (wie ich es nenne) abgeschnittenen Geschlechtsteile verschiedenen Gemüses in Frage, also die Blüten in Form von Rosen, Tulpen usw. Die stellt man eine Weile in die Vase und dann sterben die da eben eine Weile vor sich hin, während das Gemüse, seiner Fortpflanzungsorgane beraubt, forthin auf Sex mit fliegendem Getier verzichten muß.

Man sieht, ich bin eher ein Freund der klassischen Topfpflanze oder der Pflanze die im Garten wächst.
Wenn ich da meine Frau fernhalte, ist den meisten Pflanzen eine doch recht beträchtliche Lebensspanne vergönnt.

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Manchmal schneide ich mir auch schöne Zweige ab, stelle sie ins Wasser und freue mich wie ein Kind, wenn das Teil dann Wurzeln zieht und ich es später in den Garten pflanzen kann.
Kleiner Tip: Wenn die ersten festeren Wurzeln im Glas entstehen, machen viele den Fehler und lassen die Wurzeln dann weiterwachsen oder setzen den Zögling gleich in die Gartenerde. Das geht oft schief. Ich nehme dann etwas Garten- oder Blumenerde und gebe sie zu dem Wasser ins Glas. Nach und nach immer etwas mehr bis dann mehr Erde als Wasser im Glas ist. Dann können die jungen Wurzeln gleich in diese Erde hineinwachsen und mit dem so entstandenen „Ballen“ setze ich sie dann aus.

So habe ich es auch mit einem Zweig gemacht, den ich am letzten Mittwoch abgeschnitten habe. Ihn nenne ich Stefan, ich nenne alle Zweige, die ich irgendwo abschneide, Stefan.
Stefan wuchs quer über mein kleines Zwergnektarinenbäumchen, das mir jemand vor drei Jahren geschenkt hatte und das seitdem halbrechts hinten auf dem schmalen Streifen wächst, der an das Grundstück von Herrn Obersanitätsrat Nasweis-Lästig grenzt. Von einem seiner Sträucher wuchs also jener Zweig zu mir herüber und nahm meinem Nektarinenbäumchen das Licht.

„Kann ich den abschneiden?“ fragte ich Nasweis-Lästig, der mit einem akkubetriebenen Winzlingsgerät die nahe Rasenkante ich reichsdeutsche Formen zwang.
„Aber selbstverständlich! Das Nachbarschaftsgesetz von 1821 niedergelegt auch im Bürgerlichen… blablabla… sabbelsabbel… laberlaber… berechtigt Sie, alles was zu Ihnen herüberwächst, abzuschneiden. Bitte trennen Sie den Ast ab!“

Also nahm ich meine Rosenschere und rückte diesem Zweig zu Leibe. Nasweis-Lästig tat so, als interessiere ihn das weiter nicht, ich merkte aber, daß er mich ganz genau beäugte. Also passte ich auf, daß ich ja keinen Millimeter zuviel abtrennte. Von seiner Seite war nur ein zufriedenes Grunzen zu hören, als ich den Schnitt dann setzte.
Den Zweig warf ich achtlos neben die Kompostkiste um ihn später in kleinere Stücke zu zerteilen und zu kompostieren.

Gegen Abend kam mir dann aber die Idee, man könne es ja versuchen, auch diesem Zweiglein ein paar Wurzeln zu entlocken, er würde gut vor dem Haus neben einen anderen Busch passen, und stellte ihn in ein altes Gurkenglas mit Wasser.

Gestern Morgen klingelt es, ich war noch ganz erschrocken ob zweier Ereignisse, von einem berichtete ich gestern -die Stockenten unter Führerschaft der Birnbaumer-Nüsselschweif- und von dem anderen berichte ich später noch, es hat auch mit der Nüsselbirn zu tun.
Ich öffne die Tür und vor mir steht Nachbar Nasweis-Lästig und fuchtelt mir sofort mit einer schweinsledergebundenen und sehr stark abgegriffenen Ausgabe des Bürgerlichen Gesetzbuches vom Frühjahr 2009 vor der Nase herum: „So geht das aber nicht! Sie haben mich beraubt! Das wird jetzt aber mal ein Nachspiel haben! Das können Sie mir glauben?“

„Was hat er denn?“ frage ich und klopfe dem hüpfenden Komma jovial auf die Schulter.

„Was ich habe? Sie fragen allen Ernstes, was ich habe? Das ist ja wohl die Höhe, der Gipfel der Unverfrorenheit…“

„Na, was ist denn los?“

„Sie haben mir einen Ableger geklaut, jawoll, ja!“

„Was?“

„Ich hatte Ihnen die Genehmigung erteilt, einen Teil meines Cyprex lingualis complexis abzutrennen, das haben Sie ja dann auch getan, so weit so gut, aber dann sehe ich, daß Sie nun daraus einen Ableger züchten wollen und das ist ungerechtfertigter Nießbrauch an einer fremden Sache und das ist verboten. Sie können sich doch nicht einfach an meinem Strauch bereichern!“

„Ach, sie meinen Stefan?“

„Was für einen Stefan?“

„Na, den Zweig, den ich bei Ihnen abschnitt.“

„Eben diesen! Jawoll, ja!“

„Ja, aber wenn ich den doch abgeschnitten habe, kann ich doch damit machen was ich will.“

„Nein, eben nicht! Sie dürfen ihn abschneiden und wegwerfen, aber nicht einfach zum Züchten nehmen. Ich verlange die sofortige Abtötung des unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichenen Trieblings.“

„Trieb… was?“

„Triebling!“

„Nö.“

Er guckt mich von oben bis unten an, fuchtelt noch einmal mit dem Schweinsledernen, erkennt dann, daß er wohl kaum gegen mich ankommt, grummelt einmal kurz und meint dann:
„Dann eben nicht, aber nächstes Mal fragen Sie!“

Ich schaue ihm noch ein paar Sekunden hinterher und dann gehe ich wieder hinein, um die Stelle auf dem Teppich zu suchen, wo ich mich vorher intensiv herumgekugelt hatte. Ich war mit dem Kugeln noch nicht fertig.
Denn nachdem mich die weiblichen Hunnen mit ihren Stechstöcken bezüglich meiner Waldwanderschaft eines Anderen belehrt hatten, habe ich noch den Weg zum nahegelegenen Bäcker auf der Hauptstraße eingeschlagen. Wenn man schon keine Kalorien verbrennt, soll man wenigstens welche zu sich nehmen. Sonst sieht man irgendwann aus wie Dr. Strunz und bekommt das blöde Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht, sagt Antonia.
Und als ich auf die Hauptstraße einbiege, sehe ich, daß über Nacht alle Parteien für die bevorstehenden Wahlen jeden sichtbaren Pfosten mit Kandidatenplakaten behängt haben. Und was glaubt man, wer auf jedem siebten Plakat zu sehen ist?

Für ein europäisches Europa!
Isolde-Friedburga Birnbaumer-Nüsselschweif

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Und auf dem Plakat direkt vor dem Bäckerladen hat ihr jemand eine Schweinenase aufgemalt.



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    #schweinenase #stefan #zweig

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