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Streit mit Bestatter eskaliert

Erstaunlicherweise ist das Wort eskalieren heute bei der jungen Generation in einer offenbar völlig anderen Sinnstellung sehr beliebt. Neulich hörte ich: „Komm, jetzt eskalier mich mal nicht so!“ und „Ich war ja innerlich schon am eskalieren“ oder „Da eskaliert der mich voll blöd von der Seite an“.

Dabei bedeutet Eskalation immer eine wechselseitige, auf Aktionen und Reaktionen basierende Steigerung des Intensitätsgrades einer Konfliktreaktion*. Einer alleine, es sei denn er ist schizophren, kann also gar nicht eskalieren.

Es kann aber leicht eine Situation eskalieren, wenn Menschen sich per Whatsapp und in Facebook-Gruppen gegenseitig anheizen, die Gerüchteküche schüren und versuchen, ihrem Ärger dadurch Ausdruck zu verleihen, dass sie lügen.

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In Hövelhof (NRW bei Paderborn) eskalierte es nämlich tatsächlich. Und was da eskalierte, das war ein Streit zwischen einer Familie und einem Bestatter. Nach dem Tod eines Mannes ist zwischen seiner Familie und einem Hövelhofer Bestattungsunternehmen ein Streit entbrannt, der zu einem Polizei­einsatz und wechselseitigen Strafanzeigen geführt hat. Privat verteilte Handzettel sowie Äußerungen in WhatsApp- und Facebookgruppen heizen die Gerüchte­küche an.

Das sind die Vorwürfe

Seit Ostern liegen die Witwe und das Bestattungsunternehmen im Clinch. Vorgeworfen wird dem Bestatter, er habe die Leiche entgegen der Absprache nicht direkt ins Krematorium gebracht, sondern in den Räumen des Bestattungsunternehmens aufgebahrt zu haben. Geschäftemacherei lautet ein weiterer Vorwurf. So habe der Bestatter versucht, der Familie einen Blumenkranz „aufzuschwatzen“.

Außerdem machen Gerüchte die Runde, der Leichnam sei nicht ordentlich hergerichtet worden. So sei es auch zu einem Polizeieinsatz auf dem Gelände des Bestattungsinstituts gekommen, die Familie habe einen neuen Bestatter beauftragt.

Es wird behauptet, dass für weitere Ermittlungen sogar Gräber geöffnet worden seien und die Gemeinde habe dem Bestatter untersagt, Beerdigungen durchzuführen, wird unter anderem in Hövelhof erzählt. Außerdem wird herumerzählt, die Staatsanwaltschaft habe dem Bestattungsunternehmen untersagt, seinen Laden zu öffnen.

Alle drei Behauptungen stimmen aber nicht.

Das sagt die Polizei

„Den Polizeieinsatz auf dem Gelände des Bestattungsunternehmens im April können wir bestätigen“, sagt Polizeisprecher Michael Biermann. Inzwischen lägen bei der Polizei drei Strafanzeigen der unterschiedlichen Streitparteien vor. Um diese bewerten zu können, liefen aktuell Ermittlungen. „Bei den Anzeigen geht es um fahrlässige Körperverletzung, um Bedrohung und um den Vorwurf der Verunglimpfung des Andenkens an einen Verstorbenen“, sagt Biermann. Nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen würden die Unterlagen zur weiteren Bearbeitung an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

Das sagt die Staatsanwaltanwaltschaft
Der Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft sagt, dass seiner Behörde die Anzeigen noch nicht vorlägen und die Staatsanwaltschaft deshalb auch noch nicht ermittele. Zudem sei auch keine Ladenöffnung untersagt worden.

Das sagt die Gemeinde

„Derzeit bestehen keine Tätigkeitsuntersagungen für Bestattungsunternehmen auf dem Hövelhofer Friedhof. Die Gemeinde Hövelhof wurde von den Beteiligten über die Vorkommnisse informiert, ist jedoch nicht Gegenstand des laufenden Streit- und Ermittlungsverfahrens. Es verbietet sich daher, vor Klärung des Sachverhaltes durch die zuständigen Stellen eine Stellungnahme aus dem Rathaus abzugeben“, teilte Gemeindesprecher Thomas Westhof mit.

Der sagt der Bestatterverband

Peter Voss, Vorsitzender der Bestatter im Kreisverband Paderborn/Höxter hat mit beiden Parteien gesprochen: „Jeder erzählt das Geschehene aus seiner Sicht. Jedoch stimmen die Schilderungen nicht überein. Auf jeden Fall hat das zu einer sehr bedauerlichen Situation geführt, die ich als Vorsitzender der Bestatter im Kreisverband Paderborn/Höxter selbst noch nicht erlebt habe.“

Das sagt das Bestattungsunternehmen

„Wir würden uns wünschen, dass die Menschen uns direkt auf diese Gerüchte ansprechen, statt sie ungeprüft weiterzuverbreiten.“
Das Geschäft sei ganz normal geöffnet und man wolle auf Anraten von Polizei und Anwalt zur Sache nichts sagen. Es sei aber ein Auftragsrückgang spürbar.


* aus Wikipedia: Unter Eskalation (griechisch σκάλα (skala), „Leiter“; französisch escalier, „Treppe“) versteht man im Konfliktmanagement und in der Politik Verhaltensmuster, die zum Übergang eines Konfliktes in einen höheren Intensitätsgrad durch sich wechselseitig verschärfende Aktionen und Reaktionen beitragen oder in der Organisationslehre zur Verlagerung von Entscheidungen und Informationen auf eine höhere Hierarchieebene in Konfliktsituationen führen. Gegensatz ist die Deeskalation.


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Berichte und Kommentare zu Verwaltungen, Kirchen, Friedhofsträgern und der gesamten Bestattungsbranche.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 16. August 2020

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Anonym
3 Jahre zuvor

Ihre Verwendung des Wortes „Eskalieren“ ist in diesem Kontext vermutlich nicht falsch, wohl aber die Behauptung, es müsse immer wechselseitig sein und der andere müsse auch reagieren. Im Wikipedia-Artikel ist das auch beschrieben, dass es eine Wortbedeutung in der Organisationslehre gibt, und ganz konkret in dem Unternehmen, für das ich arbeite, wird eskalieren/Eskalation auch so verwendet. Wir arbeiten mit einem Ticket-System, d. h. die Anliegen der Mitarbeiter, Kunden, Zulieferer etc. werden per EMail oder Weboberfläche erfasst und landen in einer geordneten Liste (Queue), von der aus sie dann maschinell oder manuell in andere Queues zur Bearbeitung sortiert werden. Wenn es nun jemandem nicht schnell genug geht, gibt es die Möglichkeit der Eskalation, d. h. konkret, durch EMail an eine besondere Adresse kann seinem Unmut Luft gemacht werden und eine Änderung der Priorität des Tickets angefordert werden. Das ist aber nicht unbedingt wechselseitig oder reell empfangsbedürftig – wenn auf diese EMail niemand reagiert, gibt es dann noch Telefon zu den eskalationsbearbeitenden Mitarbeitern, sowie deren Vorgesetzten, Abteilungsleiter, Vorstand, und in Katastrophenfall auch dem Vorstandsvorsitzenden. Keider davon muss… Weiterlesen »




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