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Strohwitwer, Männer und Frauen

Da sitzt ein alter Mann vor mir, nimmt x-mal seine Brille ab, um sich Tränen aus den Augen zu wischen und fragt mich dann: „Sie kennen sich doch mit sowas aus. Bin ich jetzt Strohwitwer oder wie nennt man das?“

Der Begriff Strohwitwer bzw. Strohwitwe bezeichnet ja bekanntlich den Teil eines Paares, der vorübergehend allein gelassen wird. Besonders oft verwendet wird er bei kur-, urlaubs- oder berufsbedingter Abwesenheit des anderen Partners. Zurückgehen soll das alles auf Goethe, der im Faust Marthe sagen lässt: „Und lässt mich auf dem Stroh allein!“, wobei Stroh hier für das Bett, die strohgefüllte Matratze steht.

Wikipedia sagt dazu: „Strohwitwen gibt es vermutlich ebenso häufig, die männliche Form tritt jedoch öfter auf, da sie das Klischee des im Haushalt unbeholfenen Mannes bedient.“

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Dem Mann habe ich gesagt, daß er jetzt schon ein richtiger Witwer sei und er sagte: „Dachte ich mir schon.“

Oft mache ich mir Gedanken darüber, wie es mit den Leuten weitergeht. Ich erlebe ganz viele Frauen, die noch nie in ihrem Leben auf einer Bank oder Sparkasse waren, die keine Formulare ausgefüllt haben und die nicht wissen, wo ihr Mann die Dokumente aufbewahrt hat. In diesem Fall biete ich immer an, daß sie einfach mal nach den Ordnern oder der Schublade sucht und alles mitbringt. Häufig sitzen wir dann zu zweit oder dritt über einem großen Tisch mit mehr oder weniger geordneten Unterlagen und sortieren alles durch. Am Ende bekommt die Kundin dann einen oder mehrere saubere Ordner. Einerseits ist das natürlich ein netter Service für die Leute, für uns ist es aber andererseits auch wichtig, herauszufinden, was es alles an vertraglichen Bindungen seitens des Verstorbenen gab. Wir melden alles ab, was nicht mehr benötigt wird, kündigen Mitgliedschaften, fordern Genossenschaftsanteile zurück, beantragen Zuschüsse usw. Oft genug finden wir auch Sterbekassen- und Lebensversicherungspolicen, die dann hervorragend dazu dienen können, die Bestattungskosten zu decken.
Was hier zu Witwen gesagt wurde, gilt in manchen Fällen natürlich auch für Witwer.

Die sind in den meisten Fällen schlimmer dran. Ich weiß nicht, wie meine Leser das sehen, aber ich habe es mir so zurechtgelegt, daß Frauen grundsätzlich -bei aller Trauer und bei allem Schmerz- mit der Situation des Verlustes besser umgehen können. Sie werden einfach besser damit fertig. Das soll nicht heißen, daß sie weniger trauern oder ihnen der Verlust an sich leichter fällt. Nein, sie kommen mit der gesamten Situation an sich besser klar. Sie finden sich anschließend im Alltag besser zurecht und auch wenn der Mann ihnen viel abgenommen hat, finden sie einen Weg, sich zurechtzufinden.
Männer tun sich da, nach meiner Erfahrung, deutlich schwerer. Natürlich gibt es welche, die den üblichen Alltagssituationen ebenso gewachsen sind wie Frauen. Aber in der Mehrzahl der Fälle trifft der Verlust der Partnerin Männer wesentlich heftiger und sehr viele verlieren ihren Lebensmut und fallen in tiefe Depressionen. Im Übrigen haben wir eine hohe Folgerate bei Witwern. Das bedeutet einfach, daß ganz oft der Mann sehr kurz nach seiner Frau verstirbt und in nicht wenigen Fällen durch die Verweigerung ärztlicher Maßnahmen und nicht selten auch durch eigene Hand.
Insgesamt ist das Sich-Einfinden in den Alltag für Männer viel schwerer. Viele haben niemals eine Waschmaschine bedient, nie gekocht, wissen nicht, wie der Haushalt organisiert ist usw.
Das sehe ich schon beim zweiten oder dritten Besuch der Witwer bei uns. Der Kragen schmutzig, das Kinn nicht rasiert und auf die Frage, wie es ihnen geht und ob sie etwas essen oder trinken wollen, antworten mir viele, daß sie seit einer Woche nur die letzten Reste oder gar nichts gegessen haben.

Ich bin froh, daß wir für diese Fälle einen befreundeten Subunternehmer haben. Eigentlich hatte sich der Mann mit einem Hausmeisterdienst selbständig gemacht. Dann kam ein Witwer und fragte mich, ob ich jemanden weiß, der ihm eine Wandlampe aufhängen kann. So kamen die beiden zusammen. Die Frau des Hausmeisters hat dann dem Witwer aus reiner Freundlichkeit mal eine Maschine voll Wäsche gestopft und eingeschaltet und ihm so ein paar grundlegende Dinge im Haushalt erklärt.
Die beiden, der Hausmeister und seine Frau, sagten dann noch scherzeshalber, das sei ja sogar eine richtige Marktlücke und ich habe dann gemeint, daß das nicht nur im Scherz, sondern tatsächlich eine Marktlücke sei. Seitdem bieten wir gemeinsam diese Hilfe an.

Frauen können den Hausmeister buchen für all diese kleinen Dinge, die (angeblich) nur Männer richtig können und seine Frau übernimmt den umgekehrten Teil.

Natürlich rechnen die beiden das ab, aber ich habe den Eindruck als seien die verlangten Beträge sehr angemessen und bezahlbar.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#frauen #männer #strohwitwer

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