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Totenwäsche

Hallo Tom,

eine Bremer Bestatterin schreibt auf Ihrer Seite:

„Die meisten Toten werden nicht mehr gewaschen und müssen dies auch nicht. Die Totenwäsche ist ein Abschiedsritual, das heute von keinem Bestattungsinstitut mehr routinemäßig vollzogen wird. Ich übernehme diesen Dienst gern für Sie. Selbstverständlich dürfen Sie beim Waschen und Anziehen sowie beim Einbetten dabei sein oder mithelfen (…).“

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Das klingt zwar zunächst nicht schlecht, aber beim Lesen Deines Blogs erschien mir, dass eine Wäsche bei Euch routinemäßig vollzogen wird.
Eine Wäsche, die ich mir persönlich vielleicht auch gar nicht wünschen würde, denn normalerweise bin ich geduscht, und lasse Fremde auch nicht gerne an mich heran.

Danke für deine Antwort, für den Blog.
Dir, Deiner Familie und Mitarbeitern ein frohes Neues,

N.

Was die Kollegin da schreibt stimmt leider in Bezug auf die wohl meisten Bestattungsinstitute. Im Zusammenhang mit der Frage ob Leichenwäscher benötigt werden und gut bezahlt werden, bin ich darauf auch schon einmal eingegangen.

Erst neulich hatte ich wieder einmal Gelegenheit, einem Team von der „Pietät Eichenlaub“ beim Einbetten einer Verstorbenen zuzuschauen. Im pathologischen Institut holten sowohl wir, als auch die Eichenlauber jeweils einen Verstorbenen ab. Die Eichenlaubtote sollte anschließend sofort auf den Friedhof.

Der Edelstahltisch mit der Verstorbenen wird recht schwungvoll in den Übergaberaum geschoben, ein Eichenlaubmann bremst in mit dem Fuß am unteren Gestell. Man schiebt den Tisch parallel neben den Sarg, der schon offen da steht.
Die Verstorbene ist mit einem Bettlaken abgedeckt und liegt auch auf einem solchen. Das abdeckende Tuch wird in den blauen Sack in der Ecke gestopft, über den jemand einen Zettel mit der Aufschrift „Wäscherückgabe“ gepinnt hat. Man sieht, daß die Frau Windeln trägt, mit Pflaster zugeklebte Kanülen im Arm hat und dicke Thrombosestrümpfe an hat.
Alles bleibt wo es ist, nichts davon wird entfernt.
Die Männer postieren sich an Fuß- und Kopfende, jeder greift zwei Zipfel des Betttuches auf dem die Tote liegt und mit einem kurzen „Hau-Ruck“ liegt die Verstorbene nur einen Augenblick später mitsamt Betttuch im Sarg. Das Tuch wird einfach rechts und links unter die Tote gestopft und es dauert keine 10 Sekunden, da haben ihr die Männer auch schon ein Totenhemd angezogen. Diese Hemden sind hinten offen, haben am Kragen einen Klettverschluß und man muß nur mit einem gekonnten Griff die Arme durch die Ärmel ziehen. Etwas glatt ziehen, fertig.
Während einer der Männer die Hände der Toten faltet, kämmt der andere kurz durch ihr Haar.

„Feddich!“ ruft der eine und der andere nickt. Dann kommt der Deckel drauf und ich lese auf dem Zettel den Namen der Verstorbenen und den Vermerk „Aufbahrung auf dem Waldfriedhof“.

Am Sarg und dem Totentalar erkenne ich, daß die Familie sich die Bestattung etwas kosten läßt. Aber mehr als das, was in Echtzeit keine drei Minuten gedauert hat, wird mit der Verstorbenen nicht gemacht,

Hört, sieht oder liest man so etwas, dann fragt man sich natürlich, ob denn Tote nicht immer gewaschen werden.
Die Antwort lautet: Nein, nicht immer.

Die Verstorbenen, die wir abholen, sind zumeist sauberer als sie es vermutlich zu Lebzeiten immer waren oder zumindest sind sie genauso sauber. Im Krankenhaus wie in der häuslichen Pflege werden die Patienten sehr gründlich sauber gehalten. Durch das Sterben werden die Menschen ja nicht schmutzig und sie gehen ja auch nirgendwo mehr hin, wo sie in Verlegenheit kämen, sich vorzuzeigen. Im Gegenteil, wenige Tage später wird die Zersetzung einen Grad erreicht haben, der alle vorher geübte Reinlichkeit in Vergessenheit geraten lassen wird.

Deshalb beschränken sich die meisten Bestatter auf das Notwendigste. Es wird eher gesprüht und desinfiziert als gewaschen und getrocknet. Das ist, und da möchte ich gar keinen falschen Eindruck aufkommen lassen, auch in unserem Haus manchmal nicht anders. Verschmutzungen und Windeln usw. werden beseitigt, aber es besteht keine begründete Notwendigkeit, jeden Verstorbenen komplett zu waschen.

Aber dennoch gehört die Leichenwäsche zu unserer täglichen Arbeit. Sie wird stets dann durchgeführt, wenn der Verstorbene sich das zu Lebzeiten so gewünscht hat, die Angehörigen das so wollen, der Zustand des Leichnams es erforderlich macht oder wenn eine weitere Behandlung, zum Beispiel eine Einbalsamierung oder umfangreichere kosmetische Arbeiten, erfolgen sollen.
Auch bieten wir es, wenn wir die Angehörigen für geeignet halten, diesen an, die Leichenwäsche durchzuführen oder dabei mitzuwirken. Es ist in der Tat ein oft nicht notwendiger, aber sehr wichtiger letzter Liebesdienst, ein Teil der Abschiednahme, ein Schritt der Trauerbewältigung.

Der Verstorbene wird zu diesem Zweck unbekleidet auf einen Behandlungstisch gelegt. er ist komplett mit einem weißen Laken bedeckt. Der Bestatter schlägt das Laken zuerst vom Kopfende aus mehrfach zusammen, sodaß es über dem Schambereich zu liegen kommt, dann klappt er das Tuch vom Fußende ebenfalls bis zur Gürtelzone hoch. So liegt der Verstorbene zwar unbekleidet aber mit bedecktem Geschlechtsteil da. Ich will auch nicht nackt vor Fremden herumliegen, weder jetzt noch wenn ich tot bin.
Je nachdem wer anwesend ist, klappt man übrigens bei Frauen das Tuch von oben nur soweit herunter, daß auch die Brüste noch bedeckt sind.
Es hängt nun vom Zustand des Verstorbenen und den Umständen ab, wie es weitergeht. Die Haut von Verstorbenen wird oft schnell in Mitleidenschaft gezogen und vor allem wenn sie schon etwas länger tot sind, kann sie sich pergamentartig ablösen. Man kann also nicht schrubben, vor allem deshalb nicht, weil eventuell zugefügte Hautverletzungen naturgemäß nicht verheilen.
Wir haben eine Handbrause aus der wir lauwarmes Wasser über den Verstorbenen perlen lassen. Helfen Angehörige mit, kommt eher ein ganz weicher Schwamm oder ein Waschlappen zum Einsatz. Ob die Haare gewaschen werden, hängt im Wesentlichen davon ab, wie sehr das nötig ist. Haare abbrausen und mit einem Handtuch vortrocknen, dann fönen.
Am Besten ist es, wenn wir ein Foto haben, das den Verstorbenen zu Lebzeiten zeigt, dann bekommen wir die Frisur auch halbwegs wieder so hin wie es früher immer war.
Das Gesicht, der Hals und die Schultern werden gewaschen, dann der Brustbereich und der Bauch. Es folgen Füße, Beine und der Schambereich. Was muß, das muß…
Der Rücken wird nicht prinzipiell ausgelassen. Da aber das Umdrehen oder kurzzeitige Aufrichten des Verstorbenen für Angehörige nicht schön aussehen, machen wir das manchmal auch nicht, wenn diese dabei sind. Je nachdem…

Das liest sich immer alles so locker, es ist aber für die Betroffenen eine Erfahrung, die höchst unterschiedlich wirkt und aufgenommen wird. Zunächst einmal gibt es viele, die sich das überhaupt nicht vorstellen können und dann hinterher dankbar sind, daß sie es doch getan haben. Es gibt aber auch Leute, die von vornherein unbedingt dabei sein wollen und dann nicht damit zurecht kommen, daß der Verstorbene so fremd und kalt ist.
Auf lange Sicht ist es jedoch so, daß später nahezu alle froh sind, diesen Dienst geleistet zu haben.


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Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 26. Dezember 2008 | Revision: 28. Mai 2012

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Ion
15 Jahre zuvor

Irgendwie kommt da einem der Gedanke, dass die Jungs von Eichenlaub gerade ein Bet(t)tuch geklaut haben und von Würde nicht wirklich was wissen.

15 Jahre zuvor

Das Wort "Pietät" ist hier wohl reine Ironie. Ich hoffe nur, dass ich nie so gehen muss, mit Windeln, Kanülen, Pflastern und Thromosestrümpfen..

Vielleicht bin ich gerade zu srakastisch, aber in einer Gesellschaft, in der die Alten und Pflegebedürftigen schon zu Lebzeiten keinen Wert zugesprochen bekommen, sollte einen solch ein Verhalten eigentlich nicht wundern.

Syratte
15 Jahre zuvor

wo bleibt da eigentlich das thema würde?

15 Jahre zuvor

@3

Das wird nicht angetastet.

Syratte
15 Jahre zuvor

ich mein nicht die leichenwäsche an sich, sondern das verhalten der eichenlaubleute.

MacKaber
15 Jahre zuvor

Mich wundert es eh schon, dass in einer Zeit wie der unseren, in der alles automatisiert wird, es noch keine vollautomatischen Waschanlagen für Tote gibt. Obwohl, weglassen ist noch billiger. Gewaschen, so denke ich, werden sicher fast alle – auf der Rechnung!

Wer kann das nachkontrollieren?

Silke
15 Jahre zuvor

>>Am Sarg und dem Totentalar erkenne ich, daß die Familie sich die Bestattung etwas kosten läßt>>

sah der Talar nur teuer aus oder war es ein aufwendiges, "festliches" Leichenhemd

eine Mutti
8 Jahre zuvor

Soso, sehr interessant. ja, das mit der Würde würde ich auch gern erlebt haben, habe ich aber nicht. Außen ein schöner Sarg, nicht der billigste, als ich jedoch darauf bestanden habe, meinen Sohn noch einmal zu sehen und weil ich ihm was mit in den Sarg legen wollte, da sah ich: einen Plastik-Leichensack, in dem er nackt und bloß in seiner eigenen Körperflüssigkeit lag. Keine Ahnung wie normalerweise verfahren wird, wenn ein gewisser Grad der Zersetzung bereits eingesetzt hat, ich hätte jetzt nicht auf ein Leichenhemd bestanden, aber zumindest hätte ich erwartet, dass er im Sarg wie in einem Bett liegt und nicht wie ein Stück Müll im Plastiksack. Nachdem der erste Schock verdaut war, habe ich dann selbst Hand angelegt. Eine Beerdigung hat ja wohl den Sinn, dass der Körper der Erde zurückgegeben werde und nicht, dass er in seiner eigenen Flüssigkeit noch ewig vor sich hinfault ohne zur Erde zu kommen – von der Pietät einmal ganz abgesehen. Ich würde so nicht in der Erde liegen wollen. Leider konnte ich in dem Moment… Weiterlesen »




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