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Urnen gestapelt und nicht beigesetzt – Polizei ermittelt

Spiegel online und andere Medien berichten gerade über einen für Laien unglaublichen Fall, der aber bei Branchenkennern nur unbehagliches Schulterzucken auslöst.

In Sachsen-Anhalt steht ein Bestattungsunternehmer unter Betrugsverdacht. In einem leerstehenden Haus fanden Mitarbeiter des Ordnungsamtes 67 Urnen – versehen mit Geburts- und Sterbedaten von Toten.
Die Urnen stammen aus den Jahren 2011 und 2012, nun sollen die Angehörigen benachrichtigt werden.
Es besteht der Verdacht, dass der Inhaber eines Beerdigungsinstituts Aufträge zur Bestattung angenommen, diese jedoch nicht ausgeführt hat. (frei nach SPIEGEL online)

Die Reaktionen aus der Leserschaft des Bestatterweblogs spiegeln wohl die allgemeine Meinung wieder:

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Wie kann das funktionieren? Wenn man nichts bestattet, das merken doch die Angehörigen…

Eine Sauerei! Aber warum merkt das keiner?

Wie soll das denn gehen, es gibt doch Friedhofspflicht?!

Schon meine gemeinsamen Recherchen mit der WELT im Jahre 2010 brachten an den Tag, daß ein Billigbestatter aus den „neuen Bundesländern“ unter dem dringenden Verdacht stand, mehr als nur ein paar Dutzend Urnen in einem Pferdestall gehortet zu haben.
Doch die Beweislage ist in solchen Fällen immer nur sehr dünn und die Beweisführung extrem schwierig.

Bestatter, die so vorgehen, verkaufen ihren Kunden zumeist Paketpreise. Angeboten werden diese Billigpakete über eigene Internetseiten, Google-Adsense-Werbung oder sehr stark über so genannte Bestatter-Suchportale.
Menschen, die sich im Internet nach einem Bestatter umsehen und auch noch „Basispaket“ oder „günstige Variante“ anklicken, bekommen, so hat man den Eindruck, fast ausschließlich ein und dasselbe Angebot unterbreitet, das manchmal, wie gemunkelt wird, nur scheinbar von verschiedenen Firmen stammt.
Und selbst wenn verschiedene Firmen dahinter stecken, es ist immer eine Urnenbeisetzung mit Einäscherung in einem (oft in Tschechien liegenden) günstigen Krematorium und Beisetzung der Urne bzw. meist nur der Aschenkapsel ebenfalls im Ausland.
Brancheninsider wissen, daß manche dieser Billigbestatter Preise für Einäscherung und Beisetzung ausgehandelt haben, die nur bei einem Fünftel der hiesigen Kosten liegen.

Für die Angehörigen scheint das vor der Hand ein ebenso praktisches wie günstiges Verfahren zu sein. Manchmal möchte man ja wirklich nicht mehr haben, als da in den Basispaketen der „billigen Jakobs aus dem Internet“ angeboten wird. Sei es, daß es sich um einen eher ungeliebten Angehörigen handelt und man die Bestattungspflicht nur gezwungenermaßen erfüllen muß, oder sei es, daß die finanzielle Lage so strapaziert ist, daß einem gar nichts anderes übrig bleibt, als so einen „Billigheimer“ zu beauftragen.

In den Medien sind die „Billigen“ vor allem in den Privatsendern ja immer wieder sehr präsent, zeigen dort gerne „Kaffeefahrten“ ins ausländische Krematorium und brüsten sich damit, daß es bei ihnen eben die Menge macht und sie deshalb alles günstiger anbieten können, ja, sie versteigen sich sogar in die Behauptung, für ganz wenig Geld könnte man das Gleiche leisten, wie der niedergelassene, örtliche Traditionsbestatter mit seinen durchaus höheren Preisen.

Fakt ist aber, daß man gerade aus diesen Kreisen immer wieder auch Klagen hört.

Denn der Preisdruck unter den Billigen ist so groß, daß man inzwischen an der alleruntersten Ebene des preislich Machbaren angekommen ist. Billiger geht es nicht mehr und will man dann die 740 Euro des einen Anbieters mit einem 699-Euro-Angebot unterbieten oder geht sogar mit 490 Euro-Preisen in die Werbung, dann muß man als BranchenExperte einfach annehmen, daß da nicht nur an Verzichtbarem gespart, Unnötiges weggelassen und in Großmengen günstiger eingekauft wird, sondern daß auf elementare Basisbestandteile einer würdevollen Bestattung gespart wird.
Mit anderen Worten: Es gibt gar keinen richtigen Sarg mehr, sondern nur noch Sargunterteile mit einer platten Holzplatte als Deckel (siehe im Fall der 12 nach Polen „entführten“ Särge), es wird mit ungeeigneten Fahrzeugen transportiert und es wird auch auf jede Art von Totenversorgung verzichtet.
Aber auch das würden viele Auftraggeber noch in Kauf nehmen, um einen günstigen Preis zahlen zu können.

Wenn es aber auch damit nicht mehr möglich ist, die Kosten noch weiter nach unten zu drücken, denn in der langen Kette der Beteiligten will ja jeder auch wenigstens ein bißchen was verdienen, dann greifen einige tiefschwarze Schafe der Branche wohl zu dem Mittel, bestimmte, vertraglich zugesicherte Leistungen gar nicht zu erbringen.

Da wird dann auf die als billige Variante verkaufte Auslandsbeisetzung der Urne, sei es nun auf einem tschechischen Friedhofsacker, einer Schweizer Almwiese oder auf hoher See komplett verzichtet.
Die Angehörigen gehen davon aus, daß die anonyme Beisetzung erfolgt ist, sie hätte ja eh nie erfahren, wann und wo beigesetzt wurde.

Die Urnen stapeln sich dann in einer ostdeutschen Pferdebox, in abgelegenen Gartenlauben oder im Keller des Wohnhauses des Bestatters.

Der dringende Ratschlag an alle Angehörigen, denen ein solches Vorgehen nicht egal ist, kann nur lauten: Vergleichen Sie die Preise der örtlichen Bestatter, auch in der Nachbarstadt! Weisen Sie von Anfang an auf die begrenzte Zahlungsfähigkeit oder -willigkeit hin! Fragen Sie nach den günstigsten Varianten und erkundigen Sie sich nach Bestattungen um 1.000 €.

Es ist keine Schande, wenn man nicht übermäßig viel Geld ausgeben will!
Man kann im Rahmen einer Bestattung auf vieles Überflüssiges verzichten.
Es kann sogar auf Übliches verzichtet werden.

Nur die Grundelemente: Transport, Warenlieferung und Beisetzung müssen gewährleistet sein.

Schön ist anders, aber billig darf auch mal sein; nur darf das nicht dazu führen, daß auf Notwendigkeiten verzichtet wird.

Deshalb lautet mein Rat immer wieder: Lieber Finger weg vom billigen Jakob aus dem Internet!

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#Antonia #Büser #Sandy

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