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Vom Bestatter weggeschickt – Beerdigungsunternehmer lehnen Auftrag ab – Kommunen zahlen nicht

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Vom Bestatter weggeschickt – Beerdigungsunternehmer lehnen Auftrag ab – Kommunen zahlen nicht

Die Hinterbliebene war schon bei fünf verschiedenen Bestattern und jedes Mal wenn die Angehörige die näheren Umstände des Sterbefalls schildert, winkt der Bestatter ab und teil ihr mit, diesen Auftrag könne er nicht übernehmen.
Größenwahnsinn? Finanziell zu satt? Mitnichten!

Die Angehörige hat dem Bestatter erklärt, sie könne die Bestattungskosten nicht bezahlen und es sei auch kein Vermögen da.

Zweiter Fall: Ein Rentner wird in seiner Wohnung tot aufgefunden und eine Nachbarin erscheint beim Bestatter um wenigstens die allernotwendigsten Dinge zu regeln.
Auch hier ist kein Geld da und auch hier lehnt nicht nur der erste Bestatter ab, sondern auch drei oder vier weitere.

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Wie kommt es zu diesen Entscheidungen auf Seiten der Unternehmer?

Die Bestatter sind keineswegs hartherziger geworden, im Gegenteil! Viele Kollegen erklären mir im persönlichen Gespräch, daß sie diese Aufträge sehr gerne annehmen würden, es aber einfach aus wirtschaftlichen Gründen nicht können.
Das sieht ein bißchen anders aus, wenn irgendjemand, sei es ein Angehöriger oder ein Bekannter, wenigstens signalisiert, für die Kosten in angemessenen Raten aufzukommen.
Aber in all diesen hier geschilderten Fällen ist kein Geld da und somit kommt der Teufelskreis in Gang.

Angenommen der Bestatter würde, wie es bisher immer nahezu problemlos möglich war, in beiden oben geschilderten Fällen den Auftrag annehmen. Dann müßte derjenige, der beim Bestatter erscheint auch den Auftrag unterschreiben. Damit müßte er letztlich dann auch für die Kosten einstehen.
Bisher war es möglich, die Angehörigen direkt zum Sozialamt zu schicken und klären zu lassen, ob da eine Übernahme der Bestattungskosten in Frage kommt.
Daß der Bestatter dann unter Umständen 6 bis 12 Monate auf sein Geld warten mußte, daran hatten sich die Bestatter, wie alle Dienstleister, die für Kommunen arbeiten, schon gewöhnt.

Aber heute kommt hinzu, daß die Behörden oft anfangen, nach weiteren Angehörigen und möglichen Bestattungspflichtigen zu suchen und dann kann es vorkommen, daß sich herausstellt, daß es da noch irgendwo einen Sohn gibt, in Regensburg soll er wohnen oder in Hamburg, jedenfalls weiß man, daß er Koch ist oder Schiffskapitän. So lange aber nicht genau geklärt ist, wo der steckt und wieviel Geld er hat, zahlt die Sozialbehörde erst einmal gar nichts und der Bestatter guckt in die Röhre.
Das hat in Einzelfällen sogar schon dazu geführt, daß Leichen wochenlang „auf Eis“ gelegen haben und daß Urnen unbestattet jahrelang im Krematorium im Regal stehen.

Auf dem kleinen Dienstweg und nach gesundem Menschenverstand geregelt, lief das Ganze bislang so ab, wie oben bereits angedeutet:
Der Bestatter holt den Leichnam, führt eine einfache, ortsübliche und würdevolle Bestattungs vor, so wie es das Sozialgesetzbuch jedem zugesteht und schickt die Rechnung an die Sozialbehörde, bzw. gibt sie den Angehörigen/dem Auftraggeber zur Vorlage bei der Behörde.
Dann kam irgendwann das Geld. So nach dem Motto: Gottes Mühlen mahlen langsam, nur die Behördenmühlen mahlen langsamer, aber auch gründlicher.
Das bedeutete, letztlich übernahm die Behörde das Inkassorisiko. Der Bestatter wurde nach vielen Monaten bezahlt, die hoheitlichen Friedhofsgebühren und Nebenkosten ebenfalls.
Die Behörde holte sich dann das Geld bei einem der Verwandten wieder. Gelang das nicht, dann blieb sie auf den Kosten sitzen, aber dann war sie ohnehin für die Bezahlung zuständig.

Angesichts knapper kommunaler Kassen wird aber nun das Kostenrisiko komplett auf den Bestatter abgewälzt und die Behördenleiter erklären beinahe deutschlandweit unisono, das sei ja schließlich das unternehmerische Risiko jedes Unternehmers. Da müsse es der Bestatter halt in Kauf nehmen, daß bei vier oder fünf angenommenen Sozialbestattungen 50-70% „Nieten“ dabei seien.
Der Witz: Die Behörden machen solche Sozialfälle oft erst zu finanziellen „Nieten“. Da genügt es schon, daß die Behörde feststellt, daß es den berühmten verschollenen Sohn irgendwo „im Süden“ gibt und teilt das auch dem Bestatter mit.
Nun müßte der Bestatter Detektiv spielen, diesen Sohn ermitteln und dann hoffen, daß der auch die Bestattungskosten übernehmen kann.

Noch toller: Die Behörden ermitteln Namen und Adresse des Angehörigen, geben diese Daten aber aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht an den Bestatter weiter. So nach dem Motto: Wir wissen zwar wo Kohle zu holen ist, sagen es Dir aber nicht.

Lustigerweise sieht die Geschichte bei kommunalen Bestattungsbetrieben angeblich vollkommen anders aus. Manche Kommunen unterhalten ja immer noch überflüssigerweise eigene Bestattungsbetriebe, die in direkter Konkurrenz zu den niedergelassenen Bestattern stehen. Zwar sind diese kommunalen Eigenbetriebe gesetzlich verpflichtet, eigenwirtschaftlich zu arbeiten und dürfen auch kommunal nicht quersubventioniert werden, jedoch sieht die Realität vollkommen anders aus. Oftmals haben diese Kommunalbestatter schon logistische Vorteile, die anderen Bestattern verwehrt bleiben, werden bei der Vergabe von Terminen und Plätzen bevorzugt und natürlich werden hier alle Sozialfälle seltsamerweise zügig und zu allseitiger Zufriedenheit abgewickelt.

Jeder Bestatter hat immer mal wieder Fälle, bei denen sich die Bedürftigkeit der Angehörigen erst hinterher ergibt, beispielsweise weil eine erhoffte Geldquelle doch nicht so ergiebig ist oder weil das vermutete Vermögen des Verstorbenen leider doch nicht genug hergibt.
Und jeder Bestatter hat auch solche Fälle, die auf lange Zeit oder gar Dauer unbezahlt bleiben.
Es kann aber nicht sein, daß die Behörden dieses Sozialrisiko komplett auf freie Unternehmer abwälzen.
Tatsächlich ist es doch so, daß die Sozialbehörde sowieso für die Bestattungsrechnung einstehen muß, wenn kein anderer das zahlen kann oder muß. Und wenn es da einen gibt, der es bezahlen kann und muß, dann hat doch die Behörde über die amtlichen Zwangs- und Eintreibungsmöglichkeiten viel mehr Möglichkeiten (und am Ende auch den längeren ((finanziellen)) Atem) um die Sache auszustehen.

Selbst bei einem gut gehenden Bestattungsgeschäft können 10-15 solcher unbezahlter Aufträge den gesamten Betrieb ins Wanken bringen.

In der Folge lehnen aber nun immer mehr Bestatter solche für sie riskant gewordenen Geschäfte von vornherein ab, so leid ihnen das auch tut und so leid ihnen die Angehörigen tun.
Aber kein anderer Handwerker würde unter solchen Umständen einen Handschlag tun.

Viele Bestatterkollegen sprechen sogar von Absicht und Willkür. Angeblich würden sich die Behörden hinter fast schon erfunden wirkenden möglichen Angehörigen und Bestattungspflichtigen verstecken, nur um die Verantwortung und Kosten vom Tisch zu haben.
Das scheint mir allerdings ein bißchen weit her geholt. Ein Kollege sagt aber: „Die haben den ganzen Behördenapparat hinter sich und wir kleinen Familienbetriebe sollen Detektiv spielen und übers Jahr 50.000 Euro in den Wind schreiben. Das können wir nicht, da kann ich nächstes Jahr zu machen.“

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