Montagmorgen. Im Grunde mag ich Montage. Ich mag meine Arbeit, ich freue mich sogar darauf, am Montag wieder in die Firma zu gehen.
Wenn dieses Uhrwerk wieder in Gang gesetzt wird, dieses Zusammenspiel aus vielen kleinen Zahnrädern, die ich selbst an die richtige Stelle gesetzt habe.
In einem Bestattungshaus gibt es nur zwei Zustände. Entweder du langweilst dich zu Tode und hast permanente Existenzängste im Nacken, oder du weißt nicht, wo dir der Kopf steht.
Jeder mittlere Bestatter kennt die Durststrecken, wenn -im wahrsten Sinne des Wortes- ums Verrecken keiner vorbei kommt, um einen Sterbefall anzumelden.
Die Zeitungen sind voll mit Todesanzeigen, die Konkurrenz hat viel zu tun.
Dann kommen sie, die kleinen grauen Wölfe und heulen dir ins Ohr: Wie willst du die Gehälter bezahlen, es sind noch Rechnungen zu begleichen, demnächst kommt neue Ware!
Wenn ich mich recht erinnere dauerte die längste Durststrecke einmal mehr als 6 Wochen.
Natürlich bringt einen das nicht an den Rand des Ruins, aber die kleinen grauen Wölfe heulen einem was anderes vor.
Und dann, dann ist es Montagmorgen, am Wochenende haben die Männer vier Verstorbene abgeholt, es stehen schon zwei weitere Familien mit neuen Aufträgen im Terminbuch und das Uhrwerk muss laufen.
Genau das ist die Kunst des Bestattens: Immer da zu sein, und die Aufträge perfekt abzuwickeln, ob es nun ein einzelner ist, oder ob da jetzt sechs, sieben oder acht Familien ihr ganzes Vertrauen in dich legen.
Eine Verstorbene liegt noch im Krankenhaus. „KKH“ steht auf dem Laufblatt und um das KKH ist ein Kringel. Wäre ein Kreuz dahinter, wäre es das Rot-Kreuz-Hospital, so ist es aber das Kreiskrankenhaus.
Schulze, Maria, so steht es oben links und am Geburtsjahr erkennt man, dass die alte Dame 91 Jahre alt geworden ist.
Gegen 11 Uhr wollen die Angehörigen vorbei kommen und deshalb schickt Frau Büser die Männer so auf Tour, dass Maria Schulze auch gleich mitgebracht wird.
Der Schülerpraktikant Guido läuft mir zum zweiten Mal im Weg rum, ich beschäftige ihn mit Urnensortieren, dann ist er aus dem Weg.
Sandy ist noch nicht da, sie kommt montags manchmal später, wenn’s am Wochenende zu heftig geworden ist. Dafür fährt sie aber auf dem Weg zu uns schon alle Standesämter und Krankenhäuser ab, um die Papiere zu erledigen.
Das Uhrwerk läuft, ich bin zufrieden. Doch als Antonia mir dann die zwölfundfippsigste Tasse Kaffee bringt und sagt, dass draußen Familie Schulze steht, beginne ich mich zu wundern, weshalb unsere Männer noch nicht mit Grossmutter Schulze wieder zurück sind.
Nun ja, die werden noch kommen.
Ich begleite das Ehepaar Schulze in eines der Beratungszimmer, biete Kaffee an und lasse mir vom Sohn der Verstorbenen erklären, wie er sich die Bestattung seiner Mutter vorstellt.
Dann kommt Frau Büser herein und legt mir einen Zettel hin: „Schulze, Maria nicht auffindbar“.
Natürlich lasse ich mir nichts anmerken und führe das Beratungsgespräch weiter. Bisher hatte ich nur den Namen Schulze und „die Oma“, „meine Mutter“ oder „meine Schwiegermutter“ gehört.
Jetzt legt mir der Sohn das Stammbuch vor und ich lese „Annamaria Schulze“.
Kein Wunder, dass die Männer die Verstorbene auf Anhieb nicht gefunden haben. Der Pförtner vom Kreiskrankenhaus ist etwas „besonders“. Wenn du da nur einen Zettel mit „Maria“ hast, findet der keine „Annamaria“, selbst wenn er den Namen x-mal vor Augen hatte.
Und dann fragt die Schwiegertochter: „Und wann holen Sie die Oma aus dem Lutherkrankenhaus?“
Lutherkrankenhaus? Noch so ein Irrtum. Wir waren ja vom Kreiskrankenhaus ausgegangen.
Ich notiere mir alles besonders sorgfältig, frage alle Personendaten doppelt ab und lade die Schulzes für den nächsten Vormittag ein, um von der Mutter Abschied zu nehmen.
Nachdem sie gegangen sind, gilt es, die Vorkommnisse zu klären.
Ich baue mich innerlich auf, da werden Köpfe rollen!
Und dann, dann geht die Tür auf und Sandy kommt.
Sie strahlt, hat frische Croissants mitgebracht, auf dem linken Arm balanciert sie einen dicken Stapel erledigter Papiere. Sie trägt einen recht kurzen Schottenrock, Netzstrümpfe und überknielange Reiterstiefel.
„Hi there!“, ruft sie.
Irgendwie ist mein Tötungswille verflogen. Sandy hat eine lange Tour zu den verschiedenen Standesämtern und Krankenhäusern hinter sich, alles ist erledigt und leckere Croissants gibt’s auch noch.
Trotzdem schnauze ich Frau Büser an, sofern man das Grunzen eines Bären als „schnauzen“ bezeichnen kann…
„Wieso?“, fragt Sandy, „Was soll denn mit Maria Schulze sein? Die gibt es doch gar nicht!“
Ich muss das erst mal sortieren.
Es stellt sich heraus, dass Sandy am Freitag noch mit dem Schülerpraktikanten Guido geübt hat. Sie hat ihm beigebracht, wie unsere Laufzettel ausgefüllt werden. Und Maria Schulze war nur zu Übungszwecken aufgeschrieben worden.
„Meine Schuld“, meldet sich Antonia. Sie hatte den Demo-Zettel auf Sandys Schreibtisch entdeckt und vermeintlich ordnungsgemäß an unsere Auftragswand gehängt.
Sandy meinte: „Ich konnte doch nicht ahnen, dass tatsächlich ausgerechnet eine Familie Schulze heute vorbeikommt.“
„Und da musst Du einen echten Namen nehmen? Du hättest doch auch Donald Duck schreiben können oder Makumbo Mukutomba!“
Frau Büser hüstelt, und wenn Frau Büser hüstelt, ist es besser, man hört ihr zu. Sie sagt: „Mein lieber Chef, als Sandy angefangen hat, haben Sie mit ihr auch so einen Zettel ausgefüllt und am Tag danach haben Manni und seine Leute zwei Krankenhäuser nach eben diesem Herrn Makumbo Mukutomba abgesucht.“
Merke: Werfe anderen keine Fehler vor, die Du selbst schon gemacht hast…
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
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Merke: Werfe anderen keine Fehler vor, die Du selbst schon gemacht hast…
Merke:
Andere machen Fehler,selbst ist man immer ohne Fehl und Tadel………………
😉
Danke, endlich mal wieder von was von der „alten“ Truppe – Sandy, Antonia, Frau Büser, …
Danke. Sie haben mich wirklich gut unterhalten. 🙂
Ich musste schmunzeln. Meine Oma hieß auch Maria Schulze. Nur hat uns der Bestatter keine Getränke angeboten. ➡