Menschen

Wenn Sie mich betrügen wollen, ich kenn da wen

Es ist ja nicht von Übel, wenn man jemanden kennt. Das erleichtert die Existenz auf diesem unserem Planeten ja gehörig. Wäre man alleine, wäre das ja auch blöd.
Menschen als anonyme Masse schaffen es im Allgemeinen schnell, in mir vom Reflux bis zur Emesis alles mögliche zu erzeugen. Einzeln oder in gezielten Gruppen wirken meine Mitmenschen hingegen sehr angenehm auf mich.
Ich kenne viele Leute. Ich habe auch ein paar Freunde. Und diese sind meine Freunde, weil sie mich mögen, weil ich sie mag und vor allem, weil wir uns gegenseitig respektieren. Ganz vorneweg sind da Peter, Frank und Sascha zu nennen.
Mit allen habe ich mich auch schon mal gefetzt, aber unterm Strich sind unsere Beziehungen von einem hohen Maß an gegenseitigem Respekt und von großem Vertrauen getragen.
Über diese Freunde hinaus habe ich sehr viele gute Bekannte. Auch sie sind eine Art Freunde. Zum Beispiel der begnadete Meister des Zeichenstifts Kumi oder der große Kommunikator Jürgen Wolf und noch einige andere. Der Unterschied zu den erstgenannten Freunden liegt einfach darin, daß wir zu wenig Zeit miteinander verbracht haben, um auf dieses Level zu kommen.

Bei meiner Tochter ist das anders. Bei jungen Menschen ist das sowieso anders. Sie haben 2.176 Freunde und stehen in der permanenten Verpflichtung bei Instagram auf irgendwelche gräßlichen Machwerke des fotografischen Nichtkönnens zu klicken, damit keiner nichtgeklickt ist und damit einen Grund hätte, beleidigt zu sein und eventuell nicht zurückzuklicken. Ähnlich geht das auch mit den Likes bei Facebook und den Daumen-hochs bei anderen Diensten. Ganz ehrlich? Solche Freunde benötige ich nicht. Wenn ich bei Facebook & Co. einen „Like“ abgebe, dann mag ich diesen Inhalt wirklich.

Es gibt also einen Unterschied in der Art Leute zu kennen.

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Eine ganz besondere Spielart davon stellen die Zeitgenossen dar, die auf irgendeine Weise in ihrem bisherigen Lebenszyklus auf jemanden getroffen sind, der im weitesten Sinne prominent oder von einem gewissen -wenn auch nur angenommenen- Einfluß ist.

Da saß also in meinem Bestattungshaus eine Familie vor mir. Sechs oder sieben waren es, alle Lehrer. Ich persönlich habe ja nichts gegen Lehrer. Ich hatte früher selber mal welche, und das können nicht die schlechtesten gewesen sein, wenn mir heute noch Wörter wie Emesis und Reflux geläufig sind. Ich war auch eine kurze Zeit meines Lebens selbst die singuläre Front im Frontalunterricht, weiß also, wovon ich spreche.

Aber in geschäftlichen Belangen haben sich mir Lehrer stets als sehr, na sagen wir es vorsichtig, schwierig zu handhabende Geschäftspartner gezeigt.

Das gilt im Übrigen auch für Zahnärzte, Arztfrauen jeder Fachrichtung und Rechtsanwälte.

Aber in diesem konkreten Fall machten mir die sechs oder sieben das Leben nicht dadurch schwer, weil sie Lehrer waren, sondern weil sie IHN kannten.
Nein, sie kannten nicht JHWH, auch nicht Herrn Putin oder Trump, sondern nur Egon Jüttner.
Man muß Egon Jüttner nicht kennen, aber wer hier wohnt, der kennt Egon Jüttner. Eben dieser Herr Jüttner, ein netter älterer Herr mit Schnauzbart und christdemokratischer Gesinnung ist quasi seit Erfindung des geschnittenen Brotes Bundestagsabgeordneter.
So, und als dieser ist er in Berlin für die Belange eines Wahlkreises hier in der Nähe zuständig. Mir fällt auch heute noch auf, daß er immer mal wieder hier zu Bürgersprechstunden unterwegs ist. Man kann also zumindest mal den Eindruck gewinne, als ob er sich anhöre, was die Leute auf dem Herzen haben.
Aber um jenen Bundestagsabgeordneten geht es nur am Rande. Denn Herr Jüttner hat auch mich und mein Wirken noch nie irgendeinen Einfluß gehabt. Ich kenne Herrn Jüttner von irgendwelchen Standesversammlungen sogar vom Sehen. Persönlich kennen tue ich ihn nicht.

Aber die Familie, die ihren Opa bestatten lassen wollte, die kannte Herrn Jüttner.

„Sie, wenn Sie dann die Rechnung schreiben…“

„Ja?“

„Dann seinen Sie bitte besonders sorgfältig.“

„Das sind wir immer.“

„Ich meine… Sie brauchen es gar nicht erst probieren….“

„Was?“

„Na diese Bestattertricks.“

„Was für Tricks sollen das denn sein?“

„Ja, man kennt Euch doch, Euch Brüder.“

„Oh, Sie kennen meinen Bruder?“

„Nein, Euch Bestatter! Ihr macht da doch immer so Sachen mit Euren Rechnungen. Jedenfalls sollen Sie wissen, daß wir Herrn Jüttner kennen!“

„Au! Das ist aber fein!“

„Ja, gell, nicht wahr? Und wenn uns da was nicht koscher vorkommt, dann sagen wir das mal dem Herrn Jüttner. Dann werden Sie schon sehen…“

Gut, ich habe nie etwas von Herrn Jüttner gehört, also nehme ich an, das mit der Rechnung alles in Ordnung war, obwohl wir Brüder da ja immer so Sachen machen.
Ganz ähnlich war das auch mit Frau Lömp.

Frau Lömp meinte am Ende des Beratungsgesprächs: „Und sie sollten noch wissen, daß ich Ihre Unterlagen meinem Schwager zur Prüfung übergebe.“

„Bitte, das können Sie gerne machen.“

„Mein Schwager, also der Mann von meiner Schwester, der ist nämlich bei Gericht.“

„Oh, ist er Staatsanwalt oder Richter?“

„Er arbeitet bei Gericht!“

„Das habe ich verstanden.“

„Er empfängt die Besucher.“

„Er – empfängt – äh, die Besucher?“

„Ja, er sitzt am Haupteingang und jeder, der rein will, muss an ihm vorbei. Er hat noch drei Leute unser sich.“

„Sagen Sie ihm einen schönen Gruß!“

Ein Mann meinte eines Tages zu mir:

„Gut, ich finde es prima, daß wir die Urne unseres Vaters selbst mit nach Andalusien nehmen können, um sie dort an seinem Lieblingsort beizusetzen. Wann ist die Urne denn fertig?“

„Am Freitag.“

„Nein, ich meine die Uhrzeit.“

„Das weiß ich nicht so genau.“

„Also, ich habe da angerufen und die Männer haben gesagt, der wäre um 10 Uhr dran. Wann ist er denn da fertig?“

„Sie wollen ihn dann gleich am Freitag mitnehmen?“

„Ja, ich hole die Urne dann direkt danach ab.“

„Nun, ich denke so an die zwei Stunden wird das dauern.“

„Ich kenne aber den Oberbürgermeister! Da muß das doch schneller gehen!“

Ich weiß nicht, wie der Oberbürgermeister den Einäscherungsvorgang hätte beschleunigen sollen. Jedenfalls ist der Mann erst am Freitagabend geflogen.

Den Vogel schoß aber eine ältere Dame ab, die sagte: „Ich kenn den Oberstaatsanwalt Dr. Prömpel. Also, sagen wir es so, der kennt mich zwar nicht, aber ich kenne den.“

Na denn!

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#freunde #leute #Reflux

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