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Wenns mal schief geht

Er kommt aus Dubai, ist aber kein Araber, sondern ein Deutscher, der dort als Ingenieur arbeitet und hat sich 2 Wochen Urlaub genommen, um seine alte Mutter zu beerdigen. Geld spielt bei ihm keine Rolle, er will gute Sachen, nicht protzig, aber seine Mutter soll dennoch das Beste bekommen. Ach ist das schön, da freut sich auch meine Kaufmannsseele.

Ein Grab habe er schon ausgesucht, es liegt auf einem Friedhof in einer kleinen Gemeinde, rd. 20 km entfernt. Später, wenn er mal nicht mehr im Ausland weile, wolle er in diese Gemeinde ziehen und könne dann das Grab besuchen. Aber bis dahin solle ich mich doch um alles kümmern, das Aufstellen des Grabsteines, das Anlegen des Grabes und auch für die Grabpflege wolle er im Voraus bezahlen.

Ich telefoniere mit Steinmetz und Gärtner dort in der anderen Gemeinde, erfrage die Preise, rechne alles zusammen und was unterm Strich herauskommt, erschreckt sogar mich. In dieser Gemeinde ist es so, dass ein einfacher Grabstein nicht genügt, sondern alle Gräber, zumindest in dieser Abteilung des Friedhofes, bekommen eine schwarze hohe Steinumrandung, am oberen Ende einen dreifach gestuften Sockel und ein stehendes Grabmal von fast zwei Metern Breite. Das kostet. Ich glaube von Svarowsky wäre das genauso teuer…
Auch der Gärtner schlägt zu, jedes einzelne Jahr -drei Mal wechselnde Bepflanzung, Gießen, Säubern usw.- kostet 290 Euro, auch ein stolzer Preis.
Nein, der Dubai-Ingenieur will das aber so und zahlt fast 8.000 Euro für das Stein-Gedöns und knapp 6.000 Euro für zwanzig Jahre Grabpflege im Voraus. Für die Anschaffung des Grabes und 30 Jahre Laufzeit legt er auch noch einmal fast 4.500 Euro hin.
Damit ist für ihn nach 14 Tagen alles erledigt, er bedankt sich überschwenglich bei mir, sehr zufrieden sei er gewesen und alles sei reibungsloser und besser gelaufen, als er es jemals erwartet habe. Für die Mitarbeiter lässt er hundert Euro da, die freuen sich.

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Das war vor einem Jahr.

Ich bin anschließend zu dem Friedhof gefahren. Der Friedhofsverwalter zeigte mir die Stelle, das Grab ist das erste in einem ganz neuen Feld und mit roten Pflöcken abgesteckt, die Kränze sind schon abgeräumt. Jetzt muss sich noch die Erde setzen, dann kann der Steinmetz seine Arbeit tun und danach kann der Gärtner alles so bepflanzen, wie es der Dubai-Mann selbst noch bei ihm im Laden ausgemacht und ausgesucht hat.

Einige Wochen, es können auch drei Monate gewesen sein, fahre ich nochmals da hin. Umrandung und Grabstein stehen, es sieht sehr edel aus, alles in Schwarz, hochglänzend und vertieft erhabene Schrift in Gold. Das hat was.
Von der Gärtnerarbeit sieht man noch nicht viel, der hat bis jetzt nur das Grab glatt gemacht und etwas Torf darauf geworfen.
Nein, nein, das komme noch, sagt mir der Gärtner und zeigt mir Fotos in seiner Mappe, die zeigen sollen, wie das mal wird, aber das dauere noch ein paar Wochen, wegen der Erde.

Da scheint ja alles seinen Gang zu gehen und ich bin zufrieden, die Akte kann ich schließen, unser Teil der Arbeit ist getan. Vertragsgemäß beschränkt sie sich auf die Vermittlung von Steinmetz und Gärtner und das Anleiern der Arbeiten, aber nicht auf die jahrelange Überwachung der vom Hinterbliebenen in Auftrag gegebenen Arbeiten.

Vielleicht kann sich der eine oder andere Leser schon anhand meines letzten Satzes denken, wie es kommt. Es ist nämlich einiges schief gegangen, aber ihr könnt Euch nicht vorstellen wie schief!

Ich bekomme nämlich einen Anruf aus Dubai, der Mann kündigt sich an, er komme für einige Wochen auf Heimaturlaub und wolle von mir nur eine bestimmte Telefonnummer wissen, um die es im Zusammenhang mit dem Sterbefall einmal gegangen war, die aber hier nichts weiter zur Sache tut.

Obwohl mich die Angelegenheit nichts mehr angeht, beschleicht mich so ein merkwürdiges Gefühl und ich beschließe doch noch einmal zu dem eigentlich schon längst vergessenen Grab zu fahren.

Ich komme auf den Friedhof, laufe zu der entsprechenden Abteilung und sehe schon von weitem, dass inzwischen etliche neue Gräber auf dem Feld hinzugekommen sind, alle wunderschön in Reih und Glied. Als ich näherkomme, sehe ich zu allererst, dass auf dem Grab etwa 1 Meter hoch Unkraut wuchert, reine Brachwiese.
Außerdem fällt mir auf, dass das Grab überhaupt nicht parallel zum Nachbargrab liegt, sondern in einem 45 Grad-Winkel davon abweicht.

Also suche ich den Friedhofsverwalter. Ja, das sei sehr ärgerlich. Er habe ja schon versucht, bei der Familie anzurufen, aber da melde sich nie jemand, auch auf einen Brief von der Friedhofsverwaltung hin habe sich nichts getan. Kein Wunder, der Ingenieur ist in Dubai, sein Haus hier ist verwaist.
Der Steinmetz habe wohl die roten Pflöcke nicht berücksichtigt und das Grab schräg angelegt und das müsse jetzt geändert werden. Deshalb habe auch der Gärtner noch nichts gemacht, denn das ginge ja alles wieder kaputt.

Was tun? Handy raus, Steinmetz herbeizitieren, böse sein, schimpfen und Druck machen.
Der kommt eilig dazu, schaut sich alles an und meint, das läge nur daran, dass die anderen Familien, deren Tote hier liegen, alle zur unfähigen, buckligen Konkurrenz gelaufen seien. Sein Grab sei gerade, die anderen 27 seien schief.
Der Friedhofsverwalter holt seinen Plan, einen Meterstab, ein Maßband und bringt auch gleich eine Schubkarre mit Schaufel, Pflöcken und Hammer mit.
Dann messen wir, schreiten ab, messen nochmals, suchen Messpunkte und endlich: Der olle Steinmetz hat Recht!
Das einzige Grab in der Reihe, das korrekt ausgerichtet ist, ist unseres, alle anderen sind falsch.

Irgendetwas muss passieren. Ich will auf jeden Fall, dass das Grab ordentlich aussieht, wenn der Dubai-Mann in den nächsten Tagen kommt. Obzwar ich damit nichts zu tun habe, würde er mich vermutlich doch dafür verantwortlich machen.

Der olle Steinmetz hat eine Idee. Wenn wir jetzt den anderen, den buckligen, unfähigen und überflüssigen, hundsgemeinen Konkurrenten, der sein Handwerk irgendwo in Timbuktu gelernt habe, auf der Stelle hierher bestellen und dem mal so richtig zeigen, wie hundsgemein und unfähig der sei, dann würde er sich breitschlagen lassen, mit seinem kleinen Auto mit dem Kran zu kommen und das Grab ohne Berechnung exakt auszurichten. Das sei doch einfacher, als die ganzen anderen Gräber zu ändern.

Der Timbuktu-Steinmetz will aber nicht, ich muss wieder böse werden, drohe mit Skandal, Presse und meiner Körpergröße. Schließlich kommt er. Er sei sich keiner Schuld bewusst, das sei alles korrekt was er gemacht habe. Wir messen wieder, schreiten wieder ab und es dauert eine Stunde, bis er endlich einsieht, dass er einen Fehler gemacht hat.

Das ist dem ollen Steinmetz ein Fest, der Bucklige, Unfähige (der in Wirklichkeit gar nicht bucklig ist) hat einen Fehler zugeben müssen und das wird im Dorf wohl schnell seine Verbreitung finden. Sieg auf der ganzen Linie!

Am nächsten Tag wurde das Grab versetzt und als der Ingenieur aus Dubai kommt, findet er ein frisch bepflanztes ordentliches Grab vor. Ich bin extra mit ihm hingefahren. Sogar etwas Rollrasen hat der Gärtner hingemacht, es sieht wirklich gut aus.

Sachen gibt’s!

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Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#geht #schief #wenns

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(©si)