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Wie neugeboren

Danke für die vielen Genesungswünsche. Eure Anteilnahme hat mich sehr gerührt und mir Auftrieb gegeben.

Seit über einem Jahr ging es mir gesundheitlich überhaupt nicht gut. Ich war kraftlos, konnte nicht mehr weit laufen und nur noch schlecht Treppensteigen. Den ganzen Tag über plagte mich eine lähmende Müdigkeit und ich war ohne jegliche Tatkraft.
Klar, das kommt vom Übergewicht, vom Diabetes und die Depression drückt allem noch einen schwarzen Stempel auf. Außerdem muss ich laut Arzt zwei neue Kniegelenke bekommen und auch mein schwindendes Augenlicht (grauer Sturnus vulgaris) macht mir Sorge.
Vor allem fehlte es vollkommen an Konzentrationsfähigkeit und auch Antriebskraft.

Vor ein paar Monaten bekam ich vom Schweizer Hörgerätehersteller PHONAK

die allerneuste Entwicklung auf dem Hörgerätemarkt zum Testen. Die Hörgeräte der Baureihe Audéo Fit verfügen, ganz dem Trend der „smarten“ Zeit folgend, über Gesundheitssensoren, die beispielsweise die zurückgelegte Schrittzahl ermitteln können. Diese Hörgeräte können aber auch die Heart-Rate, also die Herzfrequenz bzw. den Puls messen. Mit Erstaunen registrierte ich, dass die neue Technik ganz augenscheinlich noch gar nicht gut ausgereift war, denn laut den Geräten hatte ich in der dazugehörigen App nur eine Pulsrate von unter 50. Das ist natürlich viel zu wenig.

Also flugs die wenig genutzte Apple Watch genommen und mal damit ein EKG gemacht … Hmmm, die Apple Watch sagt mir, dass sie kein EKG aufzeichnen kann, weil meine Herzrate unter 50 liegt.
Zwei Geräte können nicht irren, sagte ich mir.
Die Hörgeräte von Phonak haben also tatsächlich 1a funktioniert.

Wie das aber so bei Ostpreußen ist, was von allein kommt, geht auch von allein wieder, habe ich mich noch Monate ohne weitere Maßnahme durchs Leben gequält.

Am vergangenen Montag, unserem Vereinigungsgedenktag, war es mir dann gar nicht so zum Vereinigen und die Allerliebste hätte auch keine Lust gehabt, glaube ich. Jedenfalls fühlte ich mich mies und dem Sterben näher als dem Leben, wie man so sagt.
Dienstagmorgens bin ich dann, was Vernünftige schon vor vielen Monaten getan hätten, zu meinem Arzt gefahren. Der macht ein EKG und statt den Papierstreifen zu kommentieren, nimmt er mir den Autoschlüssel weg und wenig später stehen drei Rettungssanitäter, eine Notärztin, ein Notarzthelfer und ein Jungarzt um mich herum. Schnell an Infusion und zahlreiche Geräte angeschlossen, durfte ich nicht einmal mehr vom Stuhl aufstehen. Tragestuhl mit Raupenantrieb für die Treppe, Rettungsliege und dann mit Blaulicht und Geheule ins Krankenhaus. Intensivstation.

Puls deutlich unter 30.

In der Notaufnahme werden die Patienten offensichtlich nach Parteizugehörigkeit sortiert

Am nächsten Morgen wurde mir dann ein Herzschrittmacher eingesetzt.

Schlechte Pulsrate vor der OP

In meiner Vorstellung ist eine Herzschrittmacher-OP eine komplizierte und langwierige Operation am offenen Herzen.
Tatsächlich ist es ein fast schon ambulant durchzuführender Eingriff. Man ist nur sediert und örtlich betäubt. Eine gute Stunde hat es gedauert.
Weh hat es gar nicht getan. Aber mein Operateur hatte große Freude daran, jeden einzelnen Handgriff für mich zu kommentieren. Ich war in meinem leicht sedierten Zustand zu keiner Gegenwehr mächtig und habe das brutale Gesabbel duldsam ertragen müssen.
„Ich bin jetzt mit meiner Hand in Ihrer Brust.“
„Jetzt steche ich in Ihre Herzvene und schiebe eine Sonde aus Draht in Ihr Herz, das werden sie deutlich spüren.“
„Jetzt schlage und klopfe ich mal auf das eingebaute Gerät, damit es gut und richtig in der Tasche sitzt, die ich in Ihrer Brust geformt habe.“

Dann turnte er im wahrsten Sinne des Wortes auf mir herum, als wollte er mich meuchelmorden.

Nun, ich bin ja an medizinischen Sachverhalten nicht ganz uninteressiert und frage auch viel, aber Prozeduren beim Zahnarzt und bei Operationen möchte ich eher mit eingezogenem Genick einfach hinter mich bringen, ohne dass reißendes Obergewebe und die Menge des austretenden Blutes erwähnt werden. Ist so.

Gut, ich hatte nächstentags noch einmal ein Gespräch mit dem Operateur und habe ihm gesagt, dass mir sein Begleitkommentar besonders gut gefallen hat und er ihn durchaus noch etwas blutiger ausgestalten könne; ich will den nächsten Patienten ja auch was gönnen.

Leute, was soll ich Euch sagen … Seitdem ich das Ding in meiner Brust habe, geht es mir so, als hätte ich einen neuen Motor eingebaut. Schon nach einer Stunde konnte ich mit normaler Geschwindigkeit und Ausdauer quer durchs Krankenhaus laufen. Keine extreme Luftnot mehr, kein Erstickungsgefühl nach drei Treppenstufen, kein Schwarzwerden vor den Augen mehr.
Der Gemütszustand ist wie ausgetauscht, ich kann mit fremden Menschen reden, bekomme keine Panik mehr, wenn mich jemand anspricht…. Hammer!

Das ist ja fast nix, oder?

Kurz gesagt, ich fühle mich wie neugeboren.

Man kann mit Fug und Recht sagen, dass Dr. Boris Schumacher mir mein Leben gerettet hat, denn ohne diesen Eingriff wäre ich demnächst einfach gestorben. Aber ich bin auch dem Hersteller meiner Hörgeräte dankbar, dass sie mir Geräte geschickt haben, die die verursachenden Umstände überhaupt erst offenbart haben.

Dienstags rein ins Krankenhaus, mittwochs operiert und ich hätte Donnerstag schon wieder nach Hause gekonnt. Wahnsinn! Aber ich habe den Freitag noch genutzt, um bei einer Ernährungs- und Diabetesfachfrau ein Seminar in Anspruch zu nehmen. Das bietet die Klinik an und es hat mir seeeeehr viel gebracht. Abgenommen habe ich übrigens 15 Kilo, nicht jetzt während des Klinikaufenthalts, sondern seit der letzten Messung Anfang Juli.

Noch Fragen? Einfach in die Kommentare schreiben.

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Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: | Peter Wilhelm 9. Oktober 2022

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26 Kommentare
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Rose
1 Jahr zuvor

Mein Papa hat vor über 25 Jahren seinen ersten Herzschrittmacher bekommen. Damals gab es auch keine Vollnarkose. Die OP hat er auf dem Bildschirm verfolgt. Auch ihm ging es hinterher deutlich besser. Vorher hat er sich jahrelang gegen einen Herzschrittmacher gewehrt.

1 Jahr zuvor

Das klang ja dramatisch. Aber schön, dass es dir wieder besser geht. Wie verändert sich das Leben durch den Schrittmacher – muss man da was beachten?

Reply to  Peter Wilhelm
1 Jahr zuvor

Guten Morgen Peter,

brrrr. Von Dir öfter mal längere Zeit nichts zu hören, das war man ja gewohnt, der große schwarze Vogel… (nicht der von Ludwig Hirsch).

Aber dann bist Du wohl sehr lange nicht beim Arzt gewesen. Zumindest dachte ich, sowas fällt da doch auf, schon bei jeder Blutabnahme fühlen sie ja den Puls, wenn auch nur, um eine geeignete Stelle zu finden, und bei Diabetes gehört das ja zum Pflichtprogramm.

Stattdessen muß ein Hörgerät das entdecken… :-O

Na egal, Hauptsache noch rechtzeitig entdeckt. Und imemr mal zum Arzt gehen, tun Männer meist zu selten (ich auch einige Jahre nicht, weil meine Hausärztin in Rente gegangen war und mir kein anderer taugte…aber irgendwann mußte es dann sein…)

Für mich geht das dann aber nicht, da kann ich ja nicht mehr kochen oder falle tot um, wenns ein anderer tut…wenn man mir sagt, ich darf keinen Induktionsherd anschaffen, würde das nicht helfen, schließlich ist schon einer da 😀

Ferkelwaemser
1 Jahr zuvor

Also, nach der Beschreibung will ich auch sofort einen Herzschrittmacher! Egal, ob ich einen brauche oder nicht 🙂
Schön geschrieben, wenn auch noch nicht blutig genug.
Aber man bekommt sofort lust auf so einen Herzstecker.
Nee, moment.. das war ein anderer Film.

1 Jahr zuvor

Das klingt ja schon besser. Honz und Ulf halten weiterhin die Daumen!

Igge
Reply to  ulf_der_freak
1 Jahr zuvor

Schön zu hören dass es Dir besser geht. Gott sei Dank!!
Deine „Geschichte“ hat mich seit dem gestrigen Lesen beschäftigt – Du hast lange gelitten (ich hätte genauso lange gebraucht bis ich zum Arzt wäre) und es gab zwei gute Punkte: Du hattest keine Zeit für Schiss vor der OP und es hat geklappt.

Bitte pass auf Dich auf!

1 Jahr zuvor

Hallo, erst einmal herzlichen Glückwunsch dass es mit dem Herzschrittmacher so viel besser ist. Ich bin ja seit 2004 Hörgeräteträgerin und habe schon verschiedene Produkte getragen. Die jetzigen und die davor waren und sind ebenfalls von Phonak. Jetzt trage ich die Phonak Audeo Paradise. Die Kasse zahlt zwar ca. 1500,00 € zu, aber für den Patienten bleibt dennoch so ein hoher Betrag übrig, den sich nicht unbedingt alle leisten können. – Dazu kommen noch die Kosten für ein Anschlussgerät an den Fernseher, damit über Bluetooth eine direkte Tonübertragung in die Geräte erfolgt. – Dennoch ist es so, dass ich in bestimmten Situationen zu wenig verstehe – also habe ich mir für einen schlappen Tausender ein Roger-Tischmikrofon „geleistet“. Aber noch blöder fand ich, dass ich mir ein neues Smartphone kaufen musste, weil Phonak erst ab der Androidversion 10 seine App zur Einstellung der Geräte freigegeben hatte – mein Samsung S7 hatte jedoch nur Adroid 8 und ließ sich auch nicht aufpeppen. – So hat mich der gesamte Spaß in einer normalen Mittelklasse so viel Geld gekostet,… Weiterlesen »

Reply to  Peter Wilhelm
1 Jahr zuvor

Danke, ich habe alles aufmerksam gelesen. Da ich in meinem Leben 13 Hörstürze und im rechten Ohr 2004 zwei schlimme Mittelohrvereiterungen mit Zerstörung des Flimmerepithels gehabt habe, müssen die HG in der Premiumklasse sein. Mein letzter Akustiker ist der allerbeste, den ich bisher hatte, deswegen glaube ich nicht, dass es an der Einstellung liegt, dass ich das Roger-Gerät brauche.
Ich bin jeden Tag dreimal glücklich, dass es Hörgerätetechnik gibt – aber die Handyfrage bei der Wahl zwischen Samsung und Apple ist ja eben leider auch eine Preisfrage. Die Phonakapp ist nach meiner Meinung nicht das NonPlusUltra – mit Knöpfen an den Geräten lässt sich das meiste darüber schneller und bequemer steuern.
Für die Zukunft alles Gute – für uns beide!!!

Reply to  Peter Wilhelm
1 Jahr zuvor

Ich auch – ich bin auch happy mit den Hördremmeln – ohne würde ich nicht 3 Tage lang leben wollen. Und ich empfinde sie nie nicht niemals als störend oder lästig – ich war schon versehentlich im Schwimmbad im Wasser, bevor ich es gemerkt habe. – Nur Innenohrgeräte mag ich nicht. Ich habe die amerikanischen getestet, aber die waren so klobig und klotzig – die HdO-Geräte sind für mich besser.
Wir haben übrigens damals bei meiner Neuanpassung miteinander telefoniert über diese App – da habe ich mich bei dir gemeldet.
Und tschüss!

Ingrid Ch. Hoerner
1 Jahr zuvor

Hallo Peter,

ich freue mich, dass es Dir wieder besser geht und wünsche Dir weiterhin, dass es nur bergauf geht.

Tolle Leistung mit der Gewichtsabnahme.

Ich hatte gestern gerade in dieser Richtung einen netten Witz gehört:
Wieso isst Du so viel, Du wolltest doch eine Diät machen.
Ja, ich mache 2 Diäten, da eine nicht langt.

Ich hoffe, ich konnte Dir damit ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Mit lieben Grüßen zu einem schönen Sonntagabend!
Ingrid

Josef
1 Jahr zuvor

Toll das es dir wieder gut geht, bleib gesund!

Mokey
1 Jahr zuvor

Das klingt ja toll! Ich freue mich sehr für Dich!

Woher kommt das denn, das ein Herz einfach so viel langsamer schlägt, als es sollte?

Julia
1 Jahr zuvor

Wow!
Gerade noch von der Schippe gesprungen!
Schön, dass es dir besser geht.

Und 15kg sind Bombe!

turtle of doom
1 Jahr zuvor

Ufff – was machst du für Sachen, Peter?

Es ist nicht gut, wenn du einen tieferen Puls hast als ich…

Hattest du die Mühe beim Treppensteigen schon länger bemerkt, und es dann auf eine andere Ursache geschoben? Musst du dir denn regelmässig den Blutdruck und den Puls messen?

Mein Hörgerät ist ein aaaltes Versata P von Phonak. Alle bisher getesteten neueren Geräte bringen irgendwie keinen Mehrwert. Den Puls misst meine Laufuhr (Garmin Forerunner 55 – kann ich jedem Laufanfänger sehr empfehlen). Ich brauche aber kein Hörgerät für einen täglichen Wetterbericht, für den Fax-Empfang oder das Diktieren von Einkaufszetteln… o.O

turtle of doom
Reply to  turtle of doom
1 Jahr zuvor

Ergänzung: Morgens den Puls zu messen ist sehr nützlich.

Kennt man seinen Normalbereich bei guter Erholung und Leistungsfähigkeit, kann ein um 10-20 Schläge erhöhter Puls schon anzeigen, ob die Joggingrunde später am Nachmittag mühsamer wird als sonst. Ob man dann lieber noch einen Ruhetag einschiebt?

Es ist auch ein recht zuverlässiger Früh-Alarm bei Erkältungen.

Capricorn
1 Jahr zuvor

Hallo Peter,

ich freue mich, dass es Dir nach derart langer Leidenszeit jetzt wieder besser geht und wünsche Dir, dass es auch auf Dauer so bleibt!

Wenn ich von meinem Onkel ausgehe, der vor knapp 10 Jahren so einen Schrittmacher bekommen hat, sind die Aussichten sehr positiv – dem Mann geht es nach wie vor prima!

Und meine Anerkennung für den Gewichtsverlust, ich habe es vor einigen Jahren auch geschafft und ich weiß, dass das nicht leicht war…

Weiterhin alles Gute und viele Grüsse

Joachim

Carina F
1 Jahr zuvor

Klingt jetzt was doof aber, Herzlichen Glückwunsch zum Schrittmacher + sinnvollen Gewichtsverlust! Sinnvoll, weil es geht nicht um „Figur“ sondern darum, dass es für den gesamten Körper besser ist, wenn das Übergewicht im „Rahmen“ bleibt, fürs Herz Venen ect.

Ich hatte mit 36 nen Herzinfarkt, Damals mit starkem Übergewicht u dem Glauben mein Schnaufen u Kraflosigkeit, Depressionen/Aggresionen lägen „nur“ am Gewicht Optik bla bla….. Nee war mein armes Saugpumpmuskel-Organ!
Bin jetzt 50 trage Schrittmacher Nr 2 und nenne ihn Otto!

LG und weiterhin alles Gute fürs „neue Leben“!

Carina F
Reply to  Peter Wilhelm
1 Jahr zuvor

„Dampfwumme“ Ja wenn Dir dieser „Kraftname“ gefällt…. „Dampfi“ und „Wummi“ wären dann liebevolle Kürzel für den Herzantriebsapparat….

PS. Neulich sah ich in einer Doku, dass ein dt Arzt, Schrittmacher von Verstorbenen einsammelt, wieder aufarbeitet und dann nach Afrika schickt, wo die Geräte dort Menschen wieder das Leben retten. Finde ich toll, leider weiß ich nur nicht mehr wie die Doku hieß.

Josef
1 Jahr zuvor

Du musst ja wahrscheinlich deine Ernährung umstellen, willst du auch mit dem Rauchen aufhören?

Josef
1 Jahr zuvor

Auweia, das Thema Hörgeräte ist bei mir auch schon angesagt. Es hört sich bekloppt an, aber ich schäme mich zum Hörgeräte Laden zu gehen. Ich weiß auch nicht warum mir das so schwer fällt, vielleicht ist es der beginnende Altersstarrsinn!




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