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Wo ist der Brief?

Manche Geschichten gehen einem aber doch etwas mehr an die Nieren, so auch diese hier:

Die Frau ist etwa 40 Jahre alt (vielleicht auch etwas älter), ihre zwei Töchter sind etwas 16 und 18. Gestern Abend war das noch keine Frau mit zwei Töchtern, sondern eine intakte Familie. Dann ging man ins Bett. „Freitags wird es bei uns nämlich immer spät, da legen wir uns donnerstags immer beizeiten in die Falle“, sagt die Frau. Gegen 23.30 Uhr sei ihr Mann dann nochmal aufgestanden, um „pullern zu gehen“, nichts Ungewöhnliches. Sie sei zwar kurz wach geworden, als er aufstand, dann aber wieder eingeschlafen.

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Heute morgen habe sie zuerst gedacht, ihr Mann sei ausnahmsweise vor ihr aufgestanden, doch als sie in die Küche kam, hing ihr Mann tot vom Fensterkreuz, er hatte sich nachts aufgehängt.

„Ich hab‘ nicht geschrien, ich hab‘ nicht geweint, wissen Sie, was mir passiert ist, ich hab‘ mir in die Hose geschissen. Im wahrsten Sinne in die Hose gesch…. Mein Gott, hätt‘ ich das jetzt nicht sagen sollen?“

„Wenn’s doch so war“, sage ich zu ihr.

Das Schlimme: Kein Mensch hat auch nur die geringste Ahnung, was hinter dem Selbstmord des Mittvierzigers steckt. Es habe nicht die geringsten Anzeichen gegeben, keine Andeutungen, keine versteckten Hilferufe, keine Probleme, kein Streit, nichts.

„Wenn er doch wenigstens einen Brief geschrieben hätte!“

Die ältere Tochter erklärt mir eindrücklich, wie glücklich und harmonisch es in der Familie immer gewesen sei. Wenn es mal Probleme und Ärger gegeben hätte, dann wäre man das gemeinsam angegangen, aber da sei wirklich nichts gewesen. „Der ist einfach so gegangen.“

„Einfach so“, bestätigt kopfschüttelnd die jüngere Tochter.

Natürlich sind die drei traurig und sie weinen auch, aber ich merke ganz stark, wie groß die Hilflosigkeit ist, wie groß das Fragezeichen in ihrem Kopf und in ihrem Herzen ist. Fast schon habe ich ein wenig den Eindruck, daß sie dem Familienvater böse sind, weil er das einfach so gemacht hat.

Ich kann ihnen nicht helfen, bei aller Kunst werde ich aus dem Mann auch nichts mehr herausbekommen. Was ich tun kann ist, daß ich ihnen einen besonders einfühlsamen Pfarrer empfehle, denn der zuständige Pfarrer hat bei ihrem Anruf etwas zurückhaltend reagiert, als sie erwähnten, der Vater sei durch einen Suizid verstorben.

Jetzt bleibt uns noch, den drei Frauen wenigstens durch gute Arbeit zu helfen. Also bekommt er einen braunen Kiefernsarg mit Palmenschnitzung, ein einfaches Totenhemd und Urne „Terracotta“. Trauerfeier erst nach der Einäscherung mit der Urne hier bei uns.


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Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 9. November 2007 | Revision: 28. Mai 2012

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nimue
16 Jahre zuvor

ist das immer noch so, das selbstmörder von der kirche verdammt werden?

auch wenn ich sehr gut verstehen kann, wenn ein mensch seinem leben ein ende setzt, diese art von abschied finde ich rücksichtslos. und sich noch dazu in der wohnung aufzuhängen, in der die kinder fridlich in ihrem betten schlafen, gleicht schon einer strafaktion. (das sage nicht ich, das sagen psychologen).

Siggi
16 Jahre zuvor

Ein Comedian hat mal gemeint, man solle in seinem letzten Brief doch FRANK die Schuld geben, weil jeder irgendwie einen Frank kennt.

Andy
16 Jahre zuvor

Ich kenne keinen Frank.

usp
16 Jahre zuvor

Ich auch nicht.

Andy
16 Jahre zuvor

Ich schon.. bin ich raus?

Sansculotte
16 Jahre zuvor

ich schon, aber der ist nicht schuld.

DerSchuki
16 Jahre zuvor

Wenn man an einen Bibelfesten Pfaffen gerät wird der natürlich unwirsch reagieren. Selbstmord ist eine der Todsünden und der tote ist auf ewig in die Hölle verbannt.

undertaker
16 Jahre zuvor

Echte Probleme gibt es da nur selten, aber man muß in Kauf nehmen, daß der Pfarrer unter Umständen sehr nüchtern und zurückhaltend reagiert.

16 Jahre zuvor

Also ich kann verstehen das sie sauer "sein könnten" – ich wäre auf jeden Fall mega-sauer wenn mein Mann ohne Anzeichen von Problemen "weg gehen" würde!!!

mal nicht namentlich
16 Jahre zuvor

In etwa genau so hat es sich vor einigen Jahren bei meinem Vater abgespielt. Auch nachts nochmal aufgestanden, in den Keller gegangen und sich aufgehängt.

Zurückgelassen eine Frau, zwei Söhne unter 5 Jahren und eine Stieftochter. Auch kein Abschiedsbrief, nichts.

Dazu noch eine Lebensversicherung mit einer Exfreundin als Versicherungsnehmer.

Später hat sich dann herausgestellt, dass er Schulden hatte, von denen die Familie nichts wusste und eine Therapie wegen Depressionen abgebrochen wurde.

Für mich eine sehr egoistische Entscheidung, die ich so nicht nachvollziehen kann.

Da ich ihn schon einige Jahre nicht mehr gesehen hatte war bei mir mehr Wut als Schmerz. Trotzdem hat mir die "neue" Familie sehr leid getan.

Rainer
16 Jahre zuvor

> ist das immer noch so, das selbstmörder von der kirche

> verdammt werden?

Es gibt nicht "die Kirche"; es gibt viele Kirchen. Bei den evangelischen ist das sicher nicht so problematisch wie bei manchen katholischen.

Tobias
16 Jahre zuvor

@Schuki:

Das stimmt so nicht.

Der Suizid ist laut Bibel nicht ausdrücklich verboten, das ist alles Auslegungssache. Eine klassische Todsünde ist es jedenfalls nicht.

Ein bibelfester Pfarrer, der das Buch verstanden hat und in unserer Kultur lebt, wird eher nicht "unwirsch" reagieren.

Hallo Wien
16 Jahre zuvor

Hat er vielleicht Medikamente genommen ? Manche Antidepressiva haben nämlich anders als der Laie denkt, sogar Suizid-fördernde Wirkung, z.b. Cymbalta. Es haben sich sogar schon nicht-depressive Versuchspersonen bei Medikamententests unter Einwirkung von Antidepressiva umgebracht.

sagichnicht
16 Jahre zuvor

Verdammen tut die Kirche Selbstmörder im Allgemeinen nicht mehr, aber so mancher Pfarrer scheint damit doch Probleme zu haben. Meiner Meinung nach wird aber niemand sein Leben selber beenden, der nicht einen inneren Zwang dazu verspürt. Doch dieser innere Zwang übertrifft den absolut freien Willen, den Gott uns gegeben hat. Also kann ich eigentlich dem Suizidopfer keine Sündenschuld zusprechen. Hört sich zwar vielleicht respektlos, blöd oder sonstwie an, aber ich sehe es als eine Art Krankheit. Wenn aber so was der Fall ist und keine Sündenschuld, darf ich das Suizidopfer auch nicht anders behandeln als alle "normalen" Sterbefälle. Im Gegenteil, als Seelsorger muss ich auch die Angehörigen im Blick haben, die in solchen Situationen besonders viel Trost, Begleitung und Hilfe brauchen.

Vielleicht hatte aber der angesprochene Pfarrer auch keine Vorbehalte wegen der Selbsttötung sondern wegen der doch wohl eher unangenehmen Arbeit die das für ihn bedeutet.

Hallo Wien
16 Jahre zuvor

Habe auch schon von einem ähnlichen Fall gehört. Mann um die 40 in leitender Position, gesund, verdiente gut, hatte Haus, Frau und zwei Kinder und erhängte sich eines Tages einfach so ohne eine Erklärung zu hinterlassen.

Lepton
16 Jahre zuvor

Kann es eigentlich passieren, dass man sich schlafwandelnder Weise selbst tötet? Ich meine, man träumt ja schonmal ziemlichen Quatsch zusammen.

nimue
16 Jahre zuvor

nein. der unterbewußte lebenserhaltungstrieb verhindert das. deswegen verunglücken schlafwandler auch nicht.

Jule
16 Jahre zuvor

Aber kann der denn jetzt auf einem kirchlichen Friedhof bestattet werden? Denn ganz unabhängig davon, wie man mit Slebstmord umgehen sollte, ich habe noch von keiner Kirche gehört, dass Selbstmörder wie "Normalverblichene" (doofes Wort, ich weiß) behandelt werden. Abgesehen davon sind die Katholiken da auch nicht unbedingt strenger als manche evangelische Kirche, die können nämlich auch ziemliche Zicken sein.

sagichnicht
16 Jahre zuvor

Natürlich. Zumindest bei uns im erzkonservativen katholischen Altbayern ist das (in denen Pfarreine, die ich kenne) absolut kein Problem. Selbstmörder werden freilich kaum wie "Normalverblichene" behandelt, weil ja die Situation alleine schon eine andere Vorgehensweise erfordert, aber gerade hier kann sich der gute Seelsorger erweisen, denn anders behandeln kann und darf nicht schlechter behandeln heißen. Immerhin ist ja der Suizid in den wenigsten Fällen, wenn überhaupt, wirklich das Produkt einer absolut freien Entscheidung, wie ich oben bereits schrieb. Deshalb kann sich also eigentlich niemand, auch kein Priester, egal welcher Konfession (und ich weiß, dass so manche evangelische Gläubige mindestens so verbohrt sein können, wie wir altmodischen Katholiken) anmaßen, hierüber zu richten. Ein bisschen Vertrauen in Gottes Barmherzigkeit ist auch den größten Dogmatikern nicht verboten.

Nix für ungut …

WTZ
16 Jahre zuvor

vllt. war er einfach mit seinem "planmäßigen" leben unzufrieden. nicht jeder hat den traum einer bilberbuchfamilie als lebensziel… möglicherweise hat er einfach mehr als ne frau, 2 kinder und nen hund vom leben erwartet?! wer tut das eigentlich nicht insgeheim auch???

wie dem auch sei, er hat seinen (aus)weg gewählt und hatte die konsequenz es durchzuziehen und ist jetzt hoffentlich glücklicher als zuvor!!!

Glenn
16 Jahre zuvor

Vielleicht war es in der Familie nur so "glücklich und harmonisch" weil der Vater immer auf die Zähne gebissen und geschluckt hat? Wir werden es nie erfahren!

Namenlos
16 Jahre zuvor

Ja, wie es das nun, bekommen Selbstmörder einen Pfarrer? Und wie ist es mit konfessionslosen??

Rapper
16 Jahre zuvor

@Namenlos: Schreib Du erst einmal einen vernünftigen deutschen Satz.

Namenlos
16 Jahre zuvor

Hey Rapper, wie bist du denn drauf? OK, die Konfessionslosen muss ich groß schreiben.

Hast du hier die Oberaufsicht? Bist du hier die heimliche Chefin? Oder woher hast du die Genehmigung, die Leute hier anzupöbeln, die vielleicht nicht deinem Niveau entsprechen, aber vielleicht auch mal ne Frage stellen wollen?

Ist bisher auch nicht verboten gewesen.

Karlchen.

Jule
16 Jahre zuvor

Warum sollten Konfessionslose einen Pfarrer wollen? Sie haben anscheinend von der Kirche nichts gewollt, es wäre irgendwie Hohn, wenn dann ein Pfarrer die Rede halten würde.

was woas i
16 Jahre zuvor

Ja, seh ich auch so. Jeder Konfessionslose, der bei seiner Trauerfeier einen Pfarrer, egal welcher Konfession will, soll das auf alle Fälle schriftlich hinterlassen. Ich kenne Pfarrer, die dann, allerdings nicht in lutirg. Gewand, sondern als "Privatperson" mitkommen und was sagen. Aber automatisch geht das nicht. Der Volksbank-Chef wird ja auch dem Abteilungsleiter der Sparkasse keinen Nachruf in die Zeitungen setzen, außer sie waren privat befreundet, dann aber tut er es auch nur als Privatperson

was woas i
16 Jahre zuvor

Bitte die Fehler entschuldigen,

sollte mal die Batterie der Tastatur wechseln…

Keiner
16 Jahre zuvor

Wer sich erfolgreich losgesagt hat von der kindlichen Gehirnwäsche der früh-religiösen Erziehung(!), wird auf Pfaffen/Pastoren und Mullahs etc. pfeifen. Ob nun konfessionslos oder Atheist ist nach dem Tode egal.

Da die Trauerfeier ja eh nur für die Hinterbliebenen wirkt, sollten die sich überlegen, was sie da an Lügerei für wen veranstalten wollen.

Es gibt keinen Gott und nur der Tod ist gewiss.

Gegenbeweise willkommen 😀

16 Jahre zuvor

Hmm, kommt mir bekannt vor aus der eigenen Verwandschaft.

Mein Onkel war auch der Meinung er müsste sich aus dem Staub machen und keiner wusste warum.

Morgens noch völlig normal. Wollte mit seiner Frau einkaufen. Sagt noch kurz bescheid das er kurz raus muss was erledigen. Naja. das erledigen war dann das aufhängen auf dem Dachboden im Stall.

Keiner wusste warum, kein Brief, nix. Im nachinein wurde aber klar warum das ganze. Dazu sag ich aber nix weiter weils zu weit ins interne geht ausser vielleicht zei Worte. Alkohol und Schulden.

Keiner2
16 Jahre zuvor

Das Leben an sich hat keinen inhärenten Sinn. Deswegen hat der Mensch sich selbst eine höhere Instanz geschaffen, die ihm wiederum selbst Sinn und Bedeutung verleiht. Unabhängig davon ob diese Instanz nun Jaweh, Allah, Gott oder FSM genannt wird. In der von Rom bereits vor 2000 Jahren praktizierten relativen Religionsfreiheit wurde das bereits erkannt und umgesetzt.

"Gott ist in uns" bzw. "Gott ist überall" heißt ja letztendlich nicht, dass irgendein metaphysisches Wesen ständig präsent und tatsächlich existent ist.

Es heißt einfach nur, dass Gott eine Projektion unseres Selbst ist, sozusagen als weitere Stütze unseres Überichs.

Deswegen kommt man mit der Aussage "Es gibt keinen Gott" auch nicht weiter. Menschen brauchen eine Perspektive, sie brauchen Hoffnung. Die weltlichen Vertreter mag mancher als Lüger oder Täuscher betrachten. Wenn wir aber ehrlich zu uns sind; wer hat nicht schon mal in einer schweren Stunde gebetet, höhere Mächte angerufen, einfach um nur selbst Kraft zu schöpfen. Denn, ohne Hoffnung ist der Mensch nichts.

ToWi
16 Jahre zuvor

@Keiner2: Also ich habe noch nie in einer "schweren Stunde" irgendwen angerufen. Mein "das ist halt so" – Pragamtismus ist immer noch der beste Gott. 🙂

Jule
16 Jahre zuvor

"Es gibt keinen Gott und nur der Tod ist gewiss.

Gegenbeweise willkommen"

@Keiner: Beweis doch mal, dass es keinen gibt, anstatt hier einfach Halbgares zu päsentieren. Die Philosophie hat in den letzten Jahrtausenden schon alles mögliche durchgespielt, aber letztendlich wird es niemand beweisen können.

nimue
16 Jahre zuvor

man kann die existenz des göttlichen (ersetzte durch die gottheit deiner wahl) nicht beweisen, darum heißt es ja "glaube" und nicht "wissen".

aber wenn man sich die welt und die natur einmal bewußt anschaut, wird einem klar, das über allem ein höherer plan steht. wie man das dann letztendlich nennt, ist wurscht.

Thinktank
16 Jahre zuvor

@Jule

Beiweise doch mal das ich nicht Gott bin!

sagichnicht
16 Jahre zuvor

Ich kann weder die Existenz Gottes beweisen, noch seine Nichtexistenz. Aber es scheint Mainstream in der Gesellschaft, das dieses Patt gerne von 50%-50% zu 80%-20% zu Ungunsten der Gläubigen gedeutet wird. Mal ehrlich: Es gibt Gegenden in diesem unseren Lande, da wenn du dich als aktiver Otto-Normal-Christ outest, wirst du schon fast zum Aussenseiter. Seltsam nur, dass bei soviel moderner Aufgeklärtheit, bei soviel Rationalismus die Esoterik oder auch Sekten (und damit meine ich jetzt nicht die Zeugen, Neuapostolische etc, sondern "wirkliche" Sekten, die so richtig aufs ganze gehen a la Scientology) solchen Zulauf haben. Das stimmt irgendwie nicht ganz zusammen… Dann sag ich doch lieber gleich, dass mir das Angebot der Kirchen bei meiner Suche nach spiritueller Erfüllung nicht zusagt und gehe dort hin, wo ich bekomme, was ich will. Aber nein, da wird die ganze Religion als Erfindung und Hirngespinst abgetan und im nächsten Augenblick die Karten gelegt oder so. (Ich will damit auch nicht die Esoterik angreifen, da könnte man endlos diskutieren. Mir gehts hier nur um die Leute, die anders reden als… Weiterlesen »

zack
16 Jahre zuvor

Es wird wohl in den seltesten Fällen ein Brief hinterlassen. Mein Bruder hat auch keinen hinterlassen und ich bezweifle das ein Brief irgendwie geholfen hätte die Tragödie zu verstehen. Vermutlich könnte dies der Tote selbst nicht erklären, könnte er noch sprechen.

gruftigirl
16 Jahre zuvor

Keiner kann in einen Menschen wirklich hineinschauen.

Und wäre das nicht tragisch genug, haben hier manche wirklich nichts Besseres zu tun, als über Rechtschreibfehler abzulästern?????????????




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