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ZDF deckt Bestatterskandal auf! II

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Gestern schrieb ich schon einmal über einen Bericht in der ZDF-Sendung „hallo deutschland“ und hatte einen Teil der Sendung gar nicht kommentiert. Das war keine böse Absicht, sondern kam dadurch zustande, daß mich eine Leserin des Bestatterweblogs kurzfristig auf die gerade laufende Sendung aufmerksam gemacht hatte. Ich hatte gerade Zeit und Gelegenheit, schaltete ein und glaubte, nichts verpasst zu haben. Das war aber ein Irrtum. Neben dem unglaublichen Skandal, daß mehrere Leichen in einem Wagen transportiert werden und der ungeahnten Enthüllung, daß die billigste Dienstleistung auch teurer kommen kann, wenn man Extrawünsche hat, ging es noch um einen Mann, der seine 110 Kilo schwere Frau bestatten ließ und von einem Billigbestatter (Komplettbestattung 1075 Euro) wegen des hohen Körpergewichts seiner Frau einen extra stabilen und extra teuren Sarg angedreht bekam.

Das ist natürlich Unfug. 110 Kilo ist mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme, zumindest kommt es uns, die wir die Verstorbenen heben, tragen und einbetten, so vor. Erst ab deutlich über 3 Zentner kann es Probleme mit dem Sarg geben und selbst dann hat das nicht viel mit dem Gewicht, sondern eher etwas mit der Leibesfülle zu tun.
Warum ist das so? Es wird auch bei einem 200 Kilo schweren Menschen nicht der Sargboden herausbrechen und es werden sich auch die Griffe nicht verbiegen und abknicken, aber auch wir müssen hin und wieder zu einem größeren Sargmodell raten, vor allem dann, wenn eine offene Aufbahrung des Verstorbenen gewünscht wird. Ist der untere Sargteil, der sogenannte Sargkasten, nämlich nicht breit genug für den Verstorbenen und sind seine Seitenwände nicht hoch genug, dann hat man den Effekt, daß wir im Grunde nur den Bauch aufbahren. Weil dieser seitlich nicht ausweichen kann und auch kein Platz ist, ihn mit einer Decke und entsprechender Drapierung zu kaschieren, ragt letztlich nur der Bauch aus dem Sarg. Um das zu verhindern, greift der Bestatter für gewöhnlich zu mehreren Tricks, damit auch wohlbeleibte Menschen im Sarg gut aussehen.

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Zum Beispiel wird die Unterlage im Sarg völlig anders aufgebaut, sodaß der Oberkörper höher liegt und es wird unter der Decke eine stützende Pappe eingezogen.

Man sieht, es geht um das Volumen, nicht um das Gewicht. Breite und Umfang sind da eher ein Thema, als die Kilogramm, wenn es darum geht, von einem normalen Sarg auf ein größeres Sondermodell auszuweichen.
Nun ist es aber so, daß die Angehörigen ja wissen, daß ihr Verstorbener groß oder dick ist und von sich aus darauf hinweisen oder fragen, ob denn der normale Sarg groß genug sei. In den meisten Fällen passt das schon.

Eine 110 Kilo schwere Frau, am Liebsten würde ich fast sagen: eine ’nur‘ 110 Kilo schwere Frau sollte aber problemlos in jeden normalen Sarg, auch in den einfachsten Einäscherungssarg passen.

Der Bestatter in der Sendung „hallo deutschland“ äußert sich dementsprechend: „Das hängt vom Einzellfall ab. Es geht um das Volumen, wir haben festgestellt, daß diese Särge ab 90-100 Kilo nicht geeignet sind.“
Ich persönlich bezweifle diese Aussage, aber wer weiß, was der Bestatter da für Särge eingekauft hat? Immerhin waren auch bei mir schon osteuropäische Sargverkäufer, die Kisten dabei hatten, in denen hierzulande nichtmal Schlachtabfälle transportiert würden. (Wenn die nicht sowieso in der Wurst landen.)
Was ich an der ganzen Situation nicht verstehe, ist Folgendes: Der betroffene Witwer hat sich zum Beratungsgespräch beim Bestatter extra von seinen Kindern begleiten lassen. Das ist ein Ratschlag, den ich jedem gebe, der zum Bestatter geht. Man ist als unmittelbar Betroffener nicht in der Lage, weitreichende Entscheidungen zu treffen, weil man sich in einem ungewohnten psychischen Ausnahmezustand befindet. Schon eine minimale familiäre Distanz (Kinder, Schwiegerkinder, Geschwister etc.) hilft mit, alles besser überblicken zu können.
Genau das macht das Geschäft des Bestatters so schwer. Denn es ist ein Geschäft und Bestatter machen das überhaupt nur um Geld zu verdienen, sie sind Kaufleute. Aber dieses Geschäft machen sie mit schwer getroffenen und kaum zu Entscheidungen fähigen Menschen und müssen deshalb besondere Sorgfalt walten lassen und für die sich ihnen anvertrauenden Kunden einen Teil der Verantwortung vorausschauend mit übernehmen.
Jeder Bestatter ist sich darüber im Klaren, daß die durch Trauer verursachte Benebelung des Vertragspartners irgendwann nachlässt und er sich dann einem klar denkenden Gegenüber wird stellen müssen.

Deshalb ist das oberste Gebot:

„Wir wissen, daß unsere Kunden sich in einem, die freie Willensbildung einschränkenden, Gemütszustand befinden und werden diese Situation niemals zum Nachteil dieser Kunden ausnutzen!“

Ob der hier in Rede stehende Bestatter falsch gehandelt hat, kann man also nicht sagen. Wir wissen nicht, wie ‚rund‘ die Verstorbene war, kennen nicht das ursprünglich gewählte Sargmodell und waren bei der Beratung nicht dabei. Aber: Mir kommt zumindest dieser Fall merkwürdig vor, 110 kg sind nicht so ungewöhnlich und das sollte auch ein Schlichtsarg bestens aushalten.
Daß sich der betroffene Bestatter in einem Punkt auf keine Diskussion einlässt, wundert nicht: Als ihm vorgehalten wird, Experten des Branchenverbandes (Bestatterverband) hätten etwas anderes gesagt, antwortet er, diese seien für ihn nicht maßgeblich, weil dieser Verband nicht neutral sei.

Es ist geradezu ein Hohn, daß dieser Zusammenschluß gewerblich tätiger Besatter auf Vereinsbasis immer wieder als Maß aller Dinge dargestellt wird und sich so darstellt. Man will gerne den Eindruck erwecken, nur zahlende Mitglieder eines Verbandes könnten korrekt arbeiten.
Natürlich kann ein Verband auf die Einhaltung bestimmter Qualitätsrichtlinien drängen, aber wie weit das reicht zeigt eben diese Beitrag von „hallo deutschland“ nur allzu deutlich:

Genau im nächsten aufgegriffenen Fall geht es um die vermeintlich ‚anrüchigen‘ Sammeltransporte von vier Verstorbenen in einem Transporter. Gezeigt wird hier das Unternehmen „Trauerhilfe Denk“, ein Riese unter den Bestattern in Bayern.
Es wird hier versucht, ein Unternehmen an den Pranger zu stellen, das auf seiner Webseite immerhin mit dem „gut-Siegel“ der Stiftung Warentest werben kann.
Daß sich hinter „Trauerhilfe Denk“ inzwischen einer der ganz Großen der Branche verbirgt, wird nicht durch das Impressum der Seite deutlich, sondern etwas unauffällig durch einen Vermerk unter dem Kontaktformular:

Quelle: trauerhilfe-denk.de

Zur Ahorn-Grieneisen-Gruppe gehörend und wohl auch Marktführer in Bayern, kann sich die Firma Denk wohl alles Mögliche erlauben, man hat eben eine gewisse Macht, einen Einfluss und eine entsprechende Marktposition, aber mir wäre es neu, daß diese Firma ihre Kunden täuscht.

Zwar schreibt Wikipedia über Ahorn-Grieneisen:

ICH ZITIERE NUR:

Wiederholt werden die Geschäftsmethoden der Ahorn-Grieneisen AG von Verbraucherverbänden und Journalisten kritisiert. So attestierte die Stiftung Warentest der Ahorn-Grieneisen 2004 eine mangelhafte Kostentransparenz.

Ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung weist auf Versuche hin, Kunden der zur Ahorn AG gehörenden Trauerhilfe Denk zusätzliche Versicherungen zu verkaufen.

Im Februar 2007 wurde in einem Fernsehbeitrag des rbb berichtet, dass sich Kunden, die bei der IDEAL Versicherungsgruppe eine Sterbegeldversicherung abschließen, automatisch an einen Bestattungsvertrag bei der Ahorn-Grieneisen AG binden würden, ohne über diese Tatsache aufgeklärt worden zu sein. Nach den Erkenntnissen der Journalisten existiere außerdem eine Arbeitsanweisung, nach der Verstorbene in hochpreisigen Särgen überführt werden sollen. Sollten sich die Angehörigen des Verstorbenen für einen günstigeren Sarg entscheiden, so werde eine Umbettungsgebühr berechnet.

Weiterhin wurde kritisiert, dass Ahorn-Grieneisen Exklusivverträge mit Pflegeheimen abschließe, und dadurch den freien Wettbewerb in den Heimen unterbinde. Außerdem sollen persönliche Daten der Heimbewohner von den Pflegeheimen an Ahorn-Grieneisen für Akquisezwecke weitergegeben werden. Das ZDF-Magazin WISO griff die Problematik der an einen Bestattungsvertrag gekoppelten Sterbegeldversicherung und der Exklusivverträge zwischen Ahorn-Grieneisen und Altersheimen im Juni 2007 erneut auf.

ZITAT ENDE

Quelle: Wikipedia-Artikel über Ahorn-Grieneisen, Abschnitt: Kritik
Seite „Ahorn AG“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. (Abgerufen: 23. Januar 2009, 13:13 UTC) Weitere Quellen: ebenda

Wenn überhaupt, dann geht es also bei diesen großen Bestattungsunternehmen um ganz andere Belange, aber doch nicht um die Frage, ob nur ein Toter alleine oder vier Särge zusammen in einem Bestattungswagen gefahren werden.

Nachsatz:

Wer sich mehr für die Hintergründe um Ahorn-Grieneisen interessiert, der wird hier fündig, wo es auch um den abgesagten Börsengang des Unternehmens geht.

Mehr auch im Handelsblatt: Beerdigungen beim Online-Discounter (bei Handelsblatt.com am 16.03.2005 veröffentlicht)

Bildquellen:

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