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Frag den Bestatter

Zweite Leichenschau, warum?

Wie kannst Du denn den Eindruck erwecken, bei der zweiten Leichenschau ginge es darum, zu überprüfen, ob der Mensch wirklich tot ist. Das ist vor dem Hintergrund der medizinischen Moderne absoluter Blödsinn.

Nur sind die nachträglichen Kontrollen in einer Zeit fernab der medizinischen Moderne vorgeschrieben worden.
Wer sich auch nur einen Hauch mit Sepukralkultur beschäftigt hat, der weiß, wie weit verbreitet die Angst vor dem Scheintod früher war. Ob früher tatsächlich Menschen versehentlich lebendig begraben wurden, ist nicht wirklich hinreichend belegt. Aber es ist durchaus vorstellbar, daß in den Frühzeiten der modernen Medizin komatöse Zustände z.B. nicht so erkannt werden konnten, wie heute.
Jedenfalls hatten viele Menschen ungeheure Angst davor, lebendig begraben zu werden.

Es ist bekannt, daß manche mit entsprechendem Geldbeutel sich ihre Gräber, Särge und Gruften mit damals hochmodernen Meldesystemen aus Schnüren und Glocken ausstatten ließen, um im Falle eines plötzlichen Erwachens sofort Alarm geben zu können.
Ganze Leichenhäuser sind mit solchen Apparaturen ausgestattet worden und auch das hiesige frühere Krematorium hatte so etwas. Den Verstorbenen wurden gespannte Wäscheklammern mit elektrischen Kontakten zwischen die steifen Finger gesteckt und sofern einer von denen wieder erwacht wäre, hätte er sich bewegt und die gespannte Klammer hätte sich geschlossen und eine elektrische Klingel beim Leichenwärter ausgelöst.
Irgendwann war das dauernde nächtliche Geklingel, ausgelöst durch die sich lösende Totenstarre, so nervend, daß man einfach einen der Drähte vom Anschluss durchtrennt hat.
Die Anlage war noch viele Jahre als Kuriosität erhalten, wenngleich bekannt war, daß sie niemals wirklich sinnvoll eingesetzt wurde.

Während bei der Sargbestattung ja noch einige Möglichkeiten denkbar sind, sich auch nachträglich bemerkbar zu machen, von der gespannten Pistole bis hin zur Trompete, sieht das ja bei einer Feuerbestattung ein ganz klein wenig anders aus.
Ist der Sarg erst mal in den Ofen geschoben, hilft kein Klingeln, kein Schießen und kein Trötengeblase mehr.

Auch wenn man nun davon ausgeht, daß die erste Leichenschau immer so gut ist, daß man sicher sein kann, daß der untersuchte Mensch auch tatsächlich tot ist, ist es für die Verbreitung der Idee einer Feuerbestattung ein ganz wichtiger Aspekt gewesen, daß man anführen konnte, daß immer eine weitere Leichenschau stattfindet.

Heute steht eindeutig die Nachsuche nach bislang unentdeckten todesursächlichen Umständen im Vordergrund.

Nach wie vor ist das Verfahren aber, so wie es bei uns gehandhabt wird, lückenhaft und nicht wirklich sinnvoll.
Es findet immer noch keine Identitätsüberprüfung des Verstorbenen statt.
Sowohl der Arzt der die erste Leichenschau durchführt, als auch der Mediziner, der die zweite Leichenschau macht, verlassen sich auf die Angaben der Angehörigen und später auf den Totenschein. Ein Ausweis beispielsweise liegt in den seltensten Fällen vor.

Das bedeutet nichts anderes, als daß man das Opfer eines unentdeckt gebliebenen Verbrechens am Besten erdbestatten lässt, hier gibt es keine zweite Leichenschau. Oder man präsentiert eine falsche Leiche bzw. macht falsche Angaben zur Identität der richtigen Leiche.


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Ich erteile Auskünfte ausschließlich aufgrund meiner Erfahrung und erbringe keine Rechts-, Steuer- und Medizinberatung.

Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 10. Juni 2012 | Peter Wilhelm 10. Juni 2012

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7 Kommentare
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Wolfram
13 Jahre zuvor

Von wegen moderne Technik…
Die Ärzte im Ethik-Komitee, an dem ich teilnehme, sind im Privatgespräch sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, ob etwa die Nulllinie im Hirn wirklich den Tod des Patienten markiert…

Smilla
13 Jahre zuvor

haben die das in den Usa nicht gerade wieder reformiert und der Herztod ist ausschlaggebend oder war das nur das Zugeständnis, dass der Hirntod die politisch korrekte Variante ist? Da war irgendwas…

13 Jahre zuvor

@Wolfram
Zumindest in D sind VOR der technisch apparativen Hirntodfeststellung (z.B. Nulllinie, Perfusionsszintigrafie oder Dopplermessung) weitere klinische Untersuchungen mit entsprechendem zeitlichen Abstand vorgeschrieben.

Was sicher stimmt, ist dass, wenn eine Organentnahme geplant ist, der _Gesamtsterbeprozess_ eine anderer ist als ohne.

Ich habe mich allerdings trotzdem nach langer und reiflicher Überlegung für einen Organspendeausweis entschieden. Ob, aus anderen Gründen, die Organe brauchbar sein werden, ist nicht klar, aber das müssen die Ärzte entscheiden und einen entsprechenden Hinweis beachten.

Wolfram
13 Jahre zuvor

@2 (Smilla): Der „Herztod“ ist jetzt auch nicht so der Bringer; nach Herzstillständen kann man noch eine ganze Zeitlang ins Leben zurückgeholt werden… aber: ja, das Thema ist, nicht nur in USA, wieder mal auf dem Tisch. (Ich bereite grad meine Teilnahme an einem „Runden Tisch“ zum Thema vor, deshalb weiß ich da ein bißchen…)

@3 (Kall): Ja, ich weiß: mehrere Ärzte, die nicht alle im Transplantationsprogramm sein dürfen, etc. pp. Aber halten sich Ärzte immer an die Protokolle?

13 Jahre zuvor

@wolfram Ich kann es nur hoffen und wäre mir in der Tat nicht bei allen Krankenhäusern sicher. Auf der anderen Seite gibt es durchaus etliche Ärzte und Krankenhäuser, bei denen ich mir absolut sicher bin. Dieses, vermutlich vorhandene aber in meinen Augen nicht sehr hohe, Risiko bin ich bereit zu tragen, zumal der Zustand, der evtl. bei Unterlassen der, sagen wir’s mal brutal, letzendlichen Tötung, noch erreichbar wäre, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein sehr wenig wünschbarer wäre. Das ist aber natürlich eine Entscheidung, die jeder persönlich treffen muss, und die man im Falle, dass sie gegen eine Organspende ausfällt, in jedem Falle ohne weitere moralische Wertung zu akzeptieren hat. Die manchmal etwas plumpe Argumentation und der moralische Druck, der von einigen, auch Medizinern, da aufgebaut wird, um mehr Organspenden zu erreichen, behagt mir auch absolut nicht. Ich habe auch sehr lange gezweifelt und mich relativ spät dafür entschieden. Letztendlich entscheidend waren persönliche Erfahrungen, die mir bewusst gemacht haben, dass ich viele Lebensrisiken nicht umgehen kann, und dass es, bei aller Informiertheit, gelegentlich notwendig sein… Weiterlesen »

Clara
13 Jahre zuvor

Ich habe seit ca. 20 Jahren einen Organspendeausweis (genauer: seitdem ich einen Motorradführerschein habe 😉 ) und habe mir auch Gedanken gemacht über „fälschlicherweise-für-tot-erklärt-worden-und-Organe-entnommen=definitiv tot“). Sollte mir dies passieren und ich stelle im Leben nach dem Tode fest (sofern es das gibt): „Diese Säcke hätten mich retten können, Sauerei!“… Ja, dann ich mich in den ewigen Jagdgründen vielleicht irgendwann rächen oder es ist mir dann auch egal. In jedem Fall hätten meine Organe noch das oder andere Leben gerettet. Aber ich stimme Kall zu: Dies muß jeder für sich selber entscheiden!

Stefan
13 Jahre zuvor

Ich habe einen Organspenderausweis seit ich 15 bin.

Anekdote: Wir wurden mal zu einem Unfall auf der Autobahn gerufen. Losgehetzt, kommen mit Leichenwagen zur Unfallstelle und: „Sorry Jungs, aber der ist Organspender, hier kommt der Hubschrauber“ Ob der nun mit Hubi oder RTW weggebracht wurde weiß ich nicht mehr, aber er wurde definitiv für tot gehalten. Durch den Organspenderausweis hat der in diesem Fall eine kleine Zusatzchance bekommen.




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