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Wenn die Mutter mit der Tochter II

Rechtschreibung geprüft

So ein großes Geheimnis ist es gar nicht, was ich da mit Nadine besprochen haben, ich kam nur nicht mehr dazu, viel zu schreiben. Es ist viel zu heiß, Kinder und Frau wollten in den Ferienpark und so war ich etwas in Eile heute Morgen. Manni und Sandy sind vorgestern bereits nach Wacken abgehauen.
Im Moment ist es ganz wechselhaft im Betrieb. Erst war ich erstaunt, wie viele Aufträge uns dieser Sommer beschert, dann war auf einmal (welch passende Phrase) Totenstille im Gewerbe. Ja, und dann läßt man sich hinreißen, den Leuten freizugeben und was passiert unausweichlich? Na klar, es kommen Aufträge.

Befreit von der Mutter war die „Kleine“ gar nicht mehr ganz so wortkarg. Sie fand es „voll antik“, daß ihre Mutter darauf bestanden hatte, mitgehen zu wollen und hatte „schon die Nase voll“, als sie von zu Hause losgefahren waren.

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So war Nadine dann wenigstens zunächst mal bereit, mir zu erklären, warum sie überhaupt in unserem Haus mitarbeiten möchte.

„Ich habe mich mit Bekannten unterhalten und einer ist Bestattungshelfer. Das hat mich sehr interessiert und ich denk‘ mal, daß das auch was für mich sein könnte. Ich will einen Beruf, in dem ich mal mit Menschen zu tun habe und dann auch mal wieder mehr für mich bin. Den ganzen Tag nur mit Kunden, das wäre nichts für mich und nur immer alleine im Büro fände ich auch doof.“

Ich erkundigte mich natürlich auch nach ihrem Verhalten und ihrem Verhältnis zur Mutter.

„Die meint es doch nur gut. Das was Sie da gesehen haben, ist mehr oder weniger so ein Art Spiel zwischen ihr und mir.“

„Komisches Spiel“, gab ich zu bedenken.

„Ja schon, aber sie meint eben, im Moment käme sie nicht mit mir klar und da gebe ich ihr eben, was sie braucht.“

„Wie bitte?“

„Ach, das ist kompliziert, so Frauenzeugs. Mütter können nicht loslassen und meine Mutter schon gar nicht. Vor zwei Jahren ist mein Vater gestorben und seitdem hängt die mir am A…, äh am Hintern, wie eine Klette. Nadine tu das, Nadine mach‘ dieses.
Mich nervt das voll und im Moment zeige ich ihr gerade wie das ist, wenn Töchter nun wirklich nicht machen, was die Mutter will.“

„Gefährliches Spiel, wenn es um eine Lehrstelle geht, oder?“

Sie schlägt die Augen nieder, macht erst einen Schmollmund, dann schaut sie mich durch die herabhängenden Haare mit großen Augen an: „Aber Sie sind mir nicht böse, oder?“

„Warum sollte ich Ihnen böse sein? Nur, ob man so einen Ausbildungsplatz bekommt?“

„Sie brauchen nicht ‚Sie‘ zu sagen, Sie können mich ruhig duzen.“

Ha! Endlich kann ich meinen Spruch wieder anbringen: „Ich nenne Sie gerne beim Vornamen, Nadine, wenn ihnen das lieber ist, aber wir bleiben beim Sie, denn man sagt sehr leicht ‚Du Arschloch“, aber nur sehr schwer ‚Sie Arschloch‘.“

Nadine nickt und sagt: „Wenn Sie mich nehmen, werden Sie es vielleicht nicht einfach haben mit mir. Ich mein‘, ich könnte Ihnen jetzt das Blaue vom Himmel versprechen, aber hinterher wär‘ ich dann vielleicht voll der Chaot. Aber das bin ich wirklich nicht. Ich bin ganz normal und ich will unbedingt die Stelle.“

„Was ist denn mit den schwarzen Klamotten?“

„Die find‘ ich cool.“

„Laufen Sie immer so rum?“

„Nee, aber jetzt. Piercing kann ich rausmachen, ich glaub‘ das muß man überall. Aber ansonsten…“

„Wenn Sie vielleicht auf die ganz helle Schminke verzichten könnten?“

„Ja, mach ich.“

Das erstaunt mich, ich hatte mit einem Kampf um Klamotten und Farbe gerechnet. Das Mädchen macht insgesamt einen guten Eindruck, ihre Noten sind gut, sie hat sich im Bekanntenkreis über den Beruf informiert, alles Pluspunkte. Doch ich will noch mehr zur Motivation wissen:

„Aber warum kommt ein junges Mädchen auf die Idee, in einem Bestattungshaus zu arbeiten? Ich denke, Sie wissen, daß es nicht nur um Büroarbeit geht, nicht wahr?“

Nadine schaut auf den Boden, scharrt mit den dicken schwarzen Schuhe, dreht ihre Finger und dann sagt sie:

„Mein Papa… Als mein Papa vor zwei Jahren gestorben ist, da fand ich das voll Scheiße, wie der Bestatter das damals gemacht hat. Ich habe zwar keine Ahnung, aber ich weiß, daß selbst ich da vieles anders gemacht hätte. Das ist doch ein Mensch, der da liegt, und keine Ware, die man nur so abhandelt.“

Bingo!

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.


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Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 1. August 2008 | Revision: 12. März 2016

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