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Olugulade -1-

orgel

Olugulade ist keine besondere Form der Schokolade, obwohl das Wort einige Assoziationen zulässt. Ologulade ist ein Nachname aus Nigeria und gehört einem Afrikaner der auch noch zwei Vornamen hat, nämlich Kaldawule und Emmanuel. Insgesamt und komplett hört der Mann also auf den Namen Kaldawule Emmanuel Ologulade.

Aber eigentlich stimmt das gar nicht, was ich da schreibe, denn Kaldawule hört auf gar nichts mehr, denn Kaldawule ist tot.

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Und wie es aussieht, macht uns Kaldawule Probleme, denn viel mehr als diesen Namen hat er nicht.

Gestern Abend sucht mich Herr Bauer auf. Herrn Bauer kenne ich schon viele Jahre, er hat hier seine Mutter und seinen Vater bestatten lassen und vor einigen Monaten hat er für seine schwerkranke und pflegebedürftige Frau alles geregelt, die schon seit einem halben Jahr so vor sich hin stirbt. „Wenn man der nur helfen könnte“, sagte er mal zu mir und wir beide wußten, was er meinte. Es sei eine Qual für alle Beteiligten, die Kranke werde daheim von ihm selbst und einem Pflegedienst zwar optimal versorgt und was die Pflege an sich anbetrifft, habe er keine Probleme. Aber seine Frau so da liegen zu sehen, wie sich sich quält, immer wieder in Agonie fällt, der Krozidismus (s.u.), das wirre Reden, die Tage der Nichtansprechbarkeit… „Dann liegt sie da, wie tot und ich habe bestimmt schon hundert mal gedacht, sie sei gestorben, dann röchelt sie wieder, dann kommt der Arzt, dann bekommt sie wieder was und das Elend geht weiter.“

Der Krozidismus wird auch Flockenlesen genannt. Er ist oft eine ganz typische Erscheinung bei Menschen, die ins Jenseits gehen. Die Menschen fingern vor dem Gesicht in der Luft herum, so als ob sie Schneeflocken fangen wollen, manchmal reden sie dabei auch wirr. Eine Frau, bei der ich einmal war, um wegen ihres sterbenden Mannes alles zu regeln, sagte einmal: „Jetzt streichelt er wieder die Engel.“ Engelstreicheln finde ich schöner als Flockenlesen oder Krozidismus. Ihr auch oder?

Doch zurück zu Herrn Bauer. Er ist Vermieter und hat eine Wohnung an eben jenen Herrn Olugulade vermietet. Diese Wohnung wollte der Nigerianer gestern gegen 15 Uhr beziehen und ist zu diesem Behufe mit einem angemieteten Kleinlaster vorgefahren, hat sich zwei Straßen weiter den Wohnungsschlüssel bei Herrn Bauer abgeholt und dort große Verwunderung hinterlassen, weil er für das Abladen des Hausrates keine Hilfe organisiert hat. Nur sein 9jähriger Sohn Daniel hat ihn begleitet.

Vater und Sohn Olugulade sind dann in ihre neue Wohnung. Gegen 16 Uhr dauerte Herrn Bauer der Afrikaner und er beschloss, mal nach ihm zu sehen und ihm bei Bedarf seine Hilfe anzubieten. Als er in die Straße einbog in der sich sein Mietshaus befindet, sah er wie der kleine Daniel auf der Straße herumlief und fragte ihn, was und wohin er wolle. „Ich suche einen Doktor, mein Vater hat Husten, ich soll Medizin holen“, antwortete das Kind.

Da das Kind ja keine Ahnung hatte, wo man einen Arzt finden konnte, nahm Herr Bauer das Kind an die Hand und ging erst mal zu Vater Olugulade in die Wohnung. Aber der konnte ihm nicht viel weiterhelfen, denn der saß auf der Toilette und war tot.

Krankenwagen, Notarzt, Polizei, Abtransport durch Pietät Eichenlaub, Rechtsmedizin.

Die Polizei wollte gleich auch Daniel mitnehmen, um ihn dem Notfalldienst des Jugendamtes zu überstellen, aber Herr Bauer wollte das nicht und hat gesagt, das Kind könne vorübergehend auch bei ihm bleiben.

Jetzt sitzt eben dieser Herr Bauer vor mir, will wissen wie es weitergeht und ist ziemlich verwirrt.

Nunja, ich kann ihn beruhigen, die Behörden werden sich um alles kümmern.

„Das befürchte ich ja. Ich weiß von Herrn Olugulade nur, daß er eine Frau hat, die hochschwanger irgendwo in einem Krankenhaus liegt, ich glaube in Bielefeld. Man kann den Mann doch nicht jetzt einfach beerdigen oder so, ohne daß das geklärt ist.“

„Was hat denn das Kind gesagt, wo seine Mutter ist?“

„Der weiß es überhaupt nicht, der weiß nur daß sie in einer Stadt mit B ist.“

„Aber wie soll ich Ihnen helfen?“

„Sie sollen den Auftrag übernehmen.“

„Das kann ich nicht, das ist Behördensache.“

„Eben. Wenn ich Ihnen einen Auftrag erteile, kommt der Tote doch zu Ihnen, oder?“

„Das schon, aber der Mann liegt jetzt bei den Behörden und die werden alles tun, um die Frau zu finden und den Mann zu bestatten.“

„Und was, wenn die die Frau nicht rechtzeitig finden?“

Da hat er Recht. Wir sind ja durch die Superermittler vom CSI verwöhnt, die nur die Farbe eines Ohrläppchens in ihren Supercomputer eintippen und sofort auf dem Handy die komplette Strafakte jeder Person nachlesen können und diese Person auch noch per Satellitenbild orten können. Die Wirklichkeit deutscher Polizeiarbeit sieht doch ein wenig anders aus.

Ich werde mal mit dem ermittelnden Beamten sprechen, mal sehen, ob wir Herrn Bauer irgendwie helfen können und das sage ich ihm auch.

Er ist dankbar und sagt: „Sie kennen sich doch aus in solchen Sachen, ich wüßte gar nicht, zu wem ich sonst gehen sollte.“

„Gut“, sage ich, stehe auf und will Herrn Bauer hinausbegleiten, merke aber, daß er noch etwas auf dem Herzen hat. „Ist noch was?“ erkundige ich mich.

„Ja, ich habe doch den kleinen schwarzen Jungen aufgenommen.“

„Ja?“

„Mir wird das zuviel mit meiner Frau und dem Kind. Kann der nicht zu Ihnen kommen? Sie haben doch auch Kinder.“

„Bringen Sie ihn mal her, meine Frau kümmert sich darum. Da werden wir eine Lösung finden.“

So kommt es, daß wir derzeit ein Kind mehr haben, zumindest mal für ein, zwei Tage, bis wir genau wissen, wo die Mutter des Kleinen steckt.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#olugulade

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(©si)