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Geschichten

Traumberuf Bestatter

Die junge Frau sitzt mir im Zug gegenüber. Ich bin auf der Rückfahrt von einer Fernsehsendung nach Hause. Sie schaut mich zu wiederholten Male intensiv an. Mir schmeichelt das, obwohl ich mir ja meiner überaus anziehenden Wirkung auf Frauen durchaus bewußt bin, jedoch trage ich das nicht zur Schau sondern mache manchmal absichtlich ein ganz bräsiges Gesicht, damit die Anhimmelei nicht zu viel wird.

(Boah, watt haut der wieder auf die Kacke!)

Nun denn, wie dem auch sei …

Auf einmal richtet die Anhimmelnde das Wort an mich: „Sie“, Sie sind doch der vom Fernsehen, der mit den Leichen und so, odda?“

Oh, sie hat die Sendung gesehen und mich wiedererkannt. Ich nicke.

„Mann, dette is jetzt aber mal klasse, da kann ick sie ma‘ watt fragen.“

„Bitteschön!“

„Ja, det ist so, ick wollt imma schon gerne Bestatterin werden, det wär‘ mein Traumjob.“

„Dann machen Sie das doch.“

„Ich werd‘ ja nirgendwo jenommen. So als Frau mein ick jetzt. Dat ist ma voll die Diskriminierung, von wegen Weiblichkeit und so.“

„Ja, haben Sie sich denn schon mal beworben, ein Praktikum gemacht oder sonstwie über den Beruf informiert?“

„Hab da son’ne Sendung im Fernsehen gesehen, bei Galileo. War schon irgenswie interessant. Bei der Arbeitsagentur hab ich schon mal jesacht, det ick da Interesse für hätt‘ aber die blöde Kuh hat da gar nüscht drauf reagiert.“

„Und Praktikum oder Bewerbung?“

„Jau, ha’ick schon probiert, so bein Bestatter ma anrufen und so, aber das ist ja nie einer ans Telefon gegangen.“

„Aber Sie wissen schon, was so ein Bestatter macht?“

„Wer icke? Ja sicher! Die machen Kränze und so auf den Sarg und spielen Orgel und so.“

„Und so? Nun, der Bestatter hat auch mit Leichen zu tun…“

„Nee, hören’se auf! Is nich wahr, is ja mal voll ekelhaft. Mein Opa is gestorben, da war ick auf der Beerdigung, wie dat gestunken hat! Jetzt nich der Opa, der war ja inne Kiste, aber die ganzen alten Leute in der Trauerhalle, fürchterlich!“

„Das macht aber nunmal ein Bestatter, er holt die Toten ab, legt sie in den Sarg, zieht sie an und bringt sie zum Friedhof.“

„Ja, ick mein jetzt mehr so Bestatter ohne Leichen, ick bin ja ne Frau.“

„Wenn eine Frau Bestatter werden will, muß sie das auch machen.“

„Ich will jetzt mal mehr so im Büro…“

„…Orgel spielen?“

„Orgeln, nee, bloß nich, ick kann ja keene Noten.“

„Aber Schreibmaschine?“

„Nee, ooch nich. Ick dachte jetzt mehr so, weil die viel verdienen, die Bestatter.“

„Sie waren auf dem Arbeitsamt, haben es nicht fertiggebracht, sich dort nach dem Beruf zu erkundigen, meinen aber trotzdem, Bestatter zu sein, sei ihr Traumberuf. Und weil das so ihr Lebenstraum ist, sind Sie noch nicht einmal in der Lage gewesen, bei einem Bestatter anzurufen. Die Ausrede, daß da nie jemand ans Telefon geht, bedeutet doch nichts anderes, als daß Sie noch gar nichts unternommen haben. Und das, was ein Bestatter alles macht, das wollen oder können Sie nicht machen, möchten aber in einem Büro sitzen und viel Geld verdienen?“

„Jenau!“

„Ich glaube, der Beruf ist nichts für Sie, da muß man nämlich was im Kopf haben und darf weder strunzdoof, noch faul sein.“

Sie hat sofort aufgehört mich anzuhimmeln. Auf der Stelle!
Undankbares Weibervolk!

Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 9. Oktober 2015 | Peter Wilhelm 9. Oktober 2015

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12 Kommentare
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Nogger
8 Jahre zuvor

Au jau – Bestatter ohne Leichen, das wär was.
Wenn ich mir dann noch dies arg belastenden Gespräche mit den Angehörigen sparen kann, keinen Sarg sehen oder gar anfassen muss, Telefondienst so zwischen 10 und 15 Uhr (Mittag von 11-14), nix schreiben muss, keine blöden Behörden anrufen….
dann könnte das was für mich sein.
Ach ja: wenn keiner da ist- darf man dann zu hause bleiben, so als Home-Office im Schwimmbad oder so?

*kopfschüttelnder Gruß

Nogger

Georg
Reply to  Nogger
8 Jahre zuvor

@Nogger:

Nogger wenn irgendwo genau so eine Stelle ausgeschrieben wurde BITTE SOFORT bei melden !!!!!!!

Sakasiru
Reply to  Georg
8 Jahre zuvor

@Georg: Aber man muss schon ordentlich dabei verdienen, sonst ist da ja nix.

Georg
Reply to  Sakasiru
8 Jahre zuvor

@Sakasiru:

Das ist ja wohl klar,unter 3500 Euro Netto bewege ich dann nicht einmal den kleinen Finger

Anja
Reply to  Nogger
8 Jahre zuvor

@Nogger:

Geh zur Behörde. Entspricht dem doch ziemlich…

Hajo
8 Jahre zuvor

Peter, der Mann mit dem Charme eines Vorschlaghammers 😀
.. Recht so!

lwk07
8 Jahre zuvor

……die x-te Geschichte über die verdorbene Jugend. Gähn.

Tilo
8 Jahre zuvor

Ganz ehrlich, das sagt doch nur aus, dass Leute keine Ahnung vom Bestatter haben. Gibt dutzende andere Berufe, die super gefunden werden. Genau solange, bis dann klar ist, dass man da ja auch arbeiten muss. Man schaue sich nur Köche an, die reihenweise die Ausbildung abbrechen, weil man da ja, oh Überraschung, viel monotone und wiederkehrende manuelle Arbeiten macht. Und dann auch noch am Wochenende! Ein Graus.

Josef
8 Jahre zuvor

Peter, hier staubt es ja wieder!!!

Celine
7 Jahre zuvor

Sehr geehrter Herr Wilhelm, sind Sie allgemein der Meinung, dass der Bestatterberuf nichts für Frauen ist? Ich würde so gerne Bestatterin werden doch der Bestatter, bei dem ich Praktikum gemacht habe und mit dem ich mich auch sonst gut verstanden habe ist so penetrant gegen Frauen als Bestatter. Dabei lernen doch viel mehr Frauen als Männer Bestattungsfachkraft?!

Elblang
Reply to  Celine
7 Jahre zuvor

@Celine: Wo liest Du das denn heraus? Er schreibt doch, dass die Frau sich bewerben soll.
Wenn Du ein Praktikum gemacht hast, kennst Du ja schon ein bißchen von dem Beruf. Nun musst Du Dich eben bewerben. Bei möglichst vielen Bestattern. Und du solltest bereit sein, woanders hinzuziehen. Freue Stellen gibt es, aber wahrscheinlich nicht an deinem Ort.




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