Allgemein

Der Bestatter als Weihnachtsmann

Der Altenheimblogger schreibt in seinem Altenheimblog folgendes:

Gestern gab es ein Flasche Sekt zu Weihnachten vom örtlichen Beerdigungsinstitut als Weihnachtsgeschenk für die Mitarbeiter. …kurz nachdem uns die Apotheke Süßigkeiten zu Weihnachten schenkte. Mmmh, welche Seite unterstützt man jetzt mehr? 😉

Dazu fragt mich eine Leserin:

Werbung

Warst du auch mit dem großen Sack unterwegs und hast Altenheimmitarbeiter, Verwaltungstanten und Friedhofswärter beglückt?

Eine andere Leserin fragt:

Gibt es zu Weihnachten Trinkgeld für die Sargträger?

Zu den Friedhofsleuten:

Es ist ja durchaus üblich, daß man für eine gut erbrachte Dienstleistung ein mehr oder weniger großes Trinkgeld gibt. Was aber beim Friseur und beim Kellner selbstverständlich ist, vergessen die Menschen zumeist bei Sargträgern und Friedhofsmitarbeitern. Der Anlaß ist einfach zu traurig. In diese kleine Lücke springen wir schon beim Beratungsgespräch, indem wir am Ende konkret fragen, wie es denn aussieht, ob die Familie eventuell gerne ein kleines Trinkgeld für Fahrer, Träger und Personal geben möchte.

Auf den ersten Blick mag das für Außenstehende etwas merkwürdig anmuten, aber tatsächlich ist es so, daß die Angehörigen immer sehr dankbar für diesen Hinweis sind und zugeben, daß sie daran gar nicht gedacht haben und das vergessen hätten, aber daß sie das unbedingt haben wollen. Wir überlassen es dann der Familie, ob sie klassisch den Leuten das irgendwann mal selbst in die Hand drücken will oder ob sie uns das überlässt.

90 Prozent überlassen es uns, denn ich sage immer sinngemäß, daß ein 5-Euro-Schein in der Hand eines Friedhofsverwalters nahezu augenblicklich verdampft, was sind denn heute noch 5 Euro? Die steckt sich der Mann in den Geldbeutel und dann wird er quasi vom Leder aufgesogen und geht im Alltäglichen unter. So ist das auch mit dem Geld, das manche Leute hier im Büro für die Mitarbeiter unseres Hauses dalassen.
Besser ist es, wenn man das Trinkgeld pauschal uns überlässt und wir es verteilen. Der erste Vorteil ist: Der Betrag steht dann auf der Rechnung und man darf ja nicht vergessen, daß Bestattungsrechnungen oft unter Geschwistern geteilt werden und wer denkt dann noch an Trinkgelder? Außerdem kann man solche Rechnungen in gewissem Umfang unter bestimmten Bedingungen steuerlich geltend machen und da hilft jeder Euro der auf der Rechnung steht.
Außerdem ist es so, daß, wenn ich das Geld vereinnahme, es gesammelt wird. Nur wenn Personen an der Abwicklung beteiligt sind, die bekanntermaßen nur dieses Mal da sind, dann bekommt diese Person direkt etwas vom Trinkgeld ab. Ansonsten wandert es in einen großen Topf.

Die Friedhofsverwalter wissen das und bei passender Gelegenheit sagen wir immer kurz, ob die betreffende Familie etwas gegeben hat. Diese Mitteilung ermöglicht es den Friedhofsleuten sich zu bedanken und die richtige Antwort zu geben, falls die Familie mal fragt, ob das Geld auch angekommen ist.
Denn das gesammelte Geld wird erst kurz vor Weihnachten ausgeschüttet. Zu den Familien sagen wir immer, das Geld sei pauschal für das Personal, in erster Linie aber für Leichen- und Sargträger und die Friedhofsleute. Wie das dann verteilt wird, ist den Angehörigen vollkommen egal und sie wissen auch, daß es das Geld erst zu Weihnachten gibt.

An Weihnachten ist das Hallo dann aber groß, wenn wir auf einem Friedhof auch schon mal bis zu 700 Euro abliefern können. Ich meine immer, daß die Männer dort kurz vor Weihnachten mit 700 Euro mehr anfangen können, als mit vielen einzelnen 5 oder 10 Euro Spenden übers Jahr verteilt.

Ich habe vor ein paar Jahren mal die Kunden gefragt, wie sie das Geld verteilen würden und so ziemlich zur Hälfte sagten sie, daß alle Beteiligten gleich viel bekommen sollen und die andere Hälfte sagte ziemlich einheitlich: ‚Ein Viertel fürs Büro und drei Viertel für Fahrer und Friedhof“.

Und so machen wir das auch. Unsere Frau Büser ist da sehr akribisch, notiert genau, wer wie viel gegeben hat, verwaltet das Geld in einer separaten Geldkassette im Tresor, denn man darf ja nicht vergessen, daß da unter Umständen übers Jahr eine fünfstellige Summe zusammenkommen kann. Davon müssen bis zu 20 verschiedene Friedhöfe bedient werden.

Zur Frage nach den Altenheimen:

Was für Altenheime und Pflegedienste gilt, gilt gleichermaßen auch für Bedienstete bei Standesämtern, Verwaltungen und in Krankenhäusern. Es ist doch so: Diese Leute haben ihre Vorschriften und könnten sich im Zweifelsfall diese Vorschriften stets so auslegen, daß in der Zusammenarbeit mit den Bestattern gar nichts mehr voran geht. Wir haben in der Regel ein sehr freundliches und positives Verhältnis zu diesen Menschen aufgebaut und das führt dazu, daß man auch mal „Fünfe gerade sein läßt“, sich hin und wieder ein wenig mehr ins Zeug legt und so manches ermöglicht, was sonst nicht geklappt hätte.

Bei den Altenheimen möchte ich nicht, daß man den Angehörigen einen Prospekt oder eine Visitenkarte unseres Hauses in die Hand drückt, weil man sich ein Bakschisch erhofft. Es ist in der Branche durchaus üblich, daß entweder unter der Hand oder ganz offiziell für Aufträge bezahlt wird. Pietät Eichenlaub beispielsweise zahlt derzeit 100 Euro „bar auf die Kralle“. Dafür muß ein Mitarbeiter des Krankenhauses oder Pflegeheims die Angehörigen zu Eichenlaub schicken und dann dort anrufen und Bescheid sagen, daß er einen Auftrag angeleiert hat. Am nächsten Tag, wenn die Familie tatsächlich zu Eichenlaub gekommen ist, bekommt er dann seinen Hunderter, nur er.
Das führt dazu, daß oft gleich mehrere Pflegekräfte quasi um die Wette rennen, um die Familien zu einem Eichenlaub-Auftrag zu überreden, jeder will den Hunderter.
In der Weihnachtszeit ist der Eichenlaub-Geschäftsführer Wochen unterwegs um Flachbildschirm-Fernseher, Stereo-Anlagen, Teppiche und Reisegutscheine an die Altenheime auszuliefern. Was da dann hinter den Kulissen noch an Bargeld in Richtung Heim- und Pflegedienstleitung fließt, kann man nur vermuten.

Hier beginnt für uns die Gratwanderung. Wir möchten uns doch auch für die gute Zusammenarbeit bedanken. Wir freuen uns doch auch, wenn Pflegedienstler davon überzeugt sind, daß wir das beste Haus sind und uns empfehlen. Und natürlich möchten wir uns erkenntlich zeigen. Auf der anderen Seite möchten wir nicht in diesen Bestechungsrummel geraten.
Andererseits würden die eher schlecht bezahlten Leute in den Heimen sicher sehr schmunzeln, wenn wir ihnen nur einen festen Händedruck und ein aufrichtiges Dankeschön zukommen ließen.

Wir haben schon alles Mögliche ausprobiert… Im Moment haben wir Heime, wo wir auch Bakschisch geben müssen, sonst gibt es keine Aufträge. Es wird ja immer gerne den Bestattern angekreidet, daß da Bestechungsgelder fließen. Meiner Meinung nach sind es aber die Heimleitungen, die das verursachen. Solange dort Empfehlungen ausgesprochen werden, wird es auch Geld geben.
Es gibt Heime, wo generell, bei Androhung schwerer Strafen, jegliche Empfehlung verboten ist. Wenn die Familien nach einem Bestatter fragen, gibt man ihnen die Kopie der betreffenden Seite aus dem Branchenbuch, fertig.

Was wir machen, ist folgendes: Jedes Jahr stiften wir für alle Heime jeweils einen schönen Adventskranz für die Heimbewohner und einen Korb mit Leckereien für das Pflegepersonal.
In den städtischen Verwaltungen müssen wir differenzierter vorgehen. Da gibt es Kommunen, wo mit Argusaugen darauf geachtet wird, daß nur Kleinigkeiten von geringem Wert abgegeben werden, das ist dann das Übliche: Kugelschreiber und Kalender.
In anderen Kommunen dürfen es auch schon mal Pralinen oder ein Christstollen sein. Geld ist hier aber grundsätzlich tabu.

Wie gesagt, es ist immer sehr schwierig. Wir möchten uns gerne bedanken, das wird aber oft als Bestechung mißverstanden und in manchen Bereichen geht ohne Bakschisch gar nichts.

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#Bestatter #Lektorin A #weihnachtsmann

Lesezeit ca.: 9 Minuten | Tippfehler melden


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)