Mitarbeiter/Firma

Der Kleiderbügel

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Oben im Gang, dort wo es zu unserem Schlafzimmer geht, da hängen Bilder an der Wand. Bilder, die ich selbst geschossen habe. Eines davon zeigt meine Frau, wie sie kühn ihren schlanken Fuß auf den Kopf eines am Boden darniederliegenden Löwen setzt. Und: Den hat sie nicht selbst geschossen, der ist ebensowenig tot wie das Nashorn auf dem nächsten Bild, dem sie sozusagen, bis zur Schulter im Maul des Tieres verschwindend, das Zäpfchen krault. Ein anderes Bild zeigt meine Frau hoch zu Kamel, die lange Berberflinte auf dem Rücken, eine Art Turban auf dem Kopf und aus ihren Augen sprüht die blanke Lust, auf der Stelle irgendwelche Tiere zu töten, ganze Völker zu versklaven oder Landstriche dem Erdboden gleich zu machen…

Nichts davon würde sie natürlich wirklich tun, aber ihre Augen, die können so gucken, als könnte sie das. Ich nehme mal an, es hat auch einen besonderen Grund, daß sie diese Beweise ihrer Kühnheit, diese Belege ihrer martialischen Ader direkt vor dem Schlafzimmer aufgehängt hat…

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Aber warum erzähle ich das?
Ach so!

Ja, das ist nämlich so, daß meine Frau ja hier quasi in einem Zoo lebt. Die Kinder und ich haben im Laufe der Zeit so allerlei Getier angeschleppt. Ein kalbsgroßer Labrador, zwei Katzen, zwei Hasen, Degus, eine zwei Meter lange Schlange, Fische, ein Chamäleon, diverse Futtertiere und und und…

Das und die Bilder vor dem Schlafzimmer zeigen ja, daß meine Wilde in gewisser Hinsicht etwas Archaisches hat und noch den Zusammenhang zwischen Tier, Jagd, Blut und Fleisch kennt. Und wie gesagt: Ihre Augen künden oft genug grün funkelnd von der blanken Lust des Tötens…

„Toooooom!“

Die ansonsten weiche und sanfte Stimme meiner Löwenbändigerin gellt spitz und bebend durch unser Haus. „Einbrecher!“, schießt es mir durch den Kopf und ich springe, soweit das bei mir überhaupt möglich ist, die Treppen hinunter, in der rechten Hand eine eilig gegriffene Taschenlampe und in der Linken einen Drahtkleiderbügel, etwas anderes habe ich in der Eile nicht gefunden.

Meine Frau steht in der Halle und zwar auf den Zehenspitzen. Das bekommt keine Primaballerina so hin! Mit der einen Hand hält sie ihren Mund zu, mit der anderen deutet sie auf die Wand vor ihr.
„Da! Mach die weg!“

Ich leuchte mit meiner Taschenlampe in die angegebene Richtung und obwohl der Raum sowieso taghell erleuchtet ist und ich mit meiner Lampe quasi ein Loch in die Wand beame, kann ich nichts erkennen.
„Was? Was soll denn da sein?“

„Guck mal, iiiiih, die ist voll eklig!“

Ich muß ganz nah an die Wand herantreten, um zu sehen, was sie meint; dort sitzt eine ameisengroße, winzige Spinne.

„Mach die tot, mach sie sofort tot, iiiiih“, weist mich meine Frau an, doch ich muß gar nichts mehr tun, der starke Lichtstrahl meiner Binford-6000 Taschenlampe hat das achtbeinige Geziefer mit einem Lichtschock getötet und sie fällt leise brutzelnd zu Boden.

„Mach sie weg, los mach sie weg“, kreischt meine Frau und tut, was ich für schier unmöglich gehalten hätte, sie stellt sich von den Zehenspitzen noch spitzer auf die Vorderkanten ihrer Zehennägel und es wirkt fast so, als schwebe sie. „Iiiiiiih!“

Also nehme ich ein Stückchen Papier, greife das Krabbeltier und sage: „Die ist tot.“

„Ha!“ ruft meine Frau: „Die und tot! Wer sagt denn bei jedem Gruselfilm, wenn der Massenmörder endlich gemeuchelt am Boden liegt: Die stehen immer wieder auf!, wer sagt das denn immer? Du! Und jetzt willst Du mir weismachen, das Ding sei tot, los mach es kaputt, schmeiß sie weg!“

So trage ich also die klitzekleine Spinne nach draußen, schüttele das Papier über einem Busch aus und gehe wieder hinein.

„Ist sie weg?“

Ich nicke und binnen einer Lichtgeschwindigkeitssekunde verwandelt sich meine Frau von einer zitternden Femalie in eine schimpfende Furie: „Du bist schuld! Wer wollte denn bitte im Keller überall engmaschigen Draht an die Fenster machen? Häh? Immer ist hier alles voller Spinnen, nur wegen Dir!“ Motz, motz, motz…
Sie wirft ihr derzeit feuerrotes Haar in den Nacken, dreht sich um und will weggehen, da dreht sie sich noch einmal um, in ihrem Gesicht ein zweifelndes Fragen und sie deutet auf den Drahtkleiderbügel in meiner Hand: „Was willst Du denn damit?“

„Wenn’s ein Einbrecher gewesen wäre…“

„Und dann? Hättest Du ihm dann den Mantel abgenommen und auf die Garderobe gehängt, oder was?“ Sie lacht spöttisch.

„Nein, ich hab‘ in der Eile nichts anderes gefunden.“

„Ach, Du wolltest ihn damit pieksen, oder was?“

„Nee, ich weiß auch nicht, vielleicht hauen…“

„Mit einem Drahtkleiderbügel aus der Schnellreinigung?“

Sie lacht mich aus und zieht ab und wieder einmal mehr stehe ich, der Drachentöter, da wie ein begossener Pudel und die eben noch vor einer mikroskopischen Spinne zitternde Frau geht wieder nach oben und sonnt sich im Glanze der Löwen- und Nashornbilder…

Sagte ich eigentlich schon mal, daß ich Drahtkleiderbügel hasse?


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Mitarbeiter / Firma

Hier erzähle ich Geschichten aus meinem Bestattungshaus und insbesondere über meine fabelhaften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Die Namen sind verändert. Manchmal wurde auch mehrere Personen zu einer Erzählfigur zusammengefasst.

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 9. November 2009 | Revision: 2. Dezember 2015

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hajo
15 Jahre zuvor

zu Beginn dieses Artikels dachte ich an „Jagdszenen aus dem Bestatterland“
dass daraus eine derartige Tragödie Shakespeare’scher Ausprägung werden würde, hatte ich nicht im Mindesten erwartet.
Toooooom! (war das wirklich nur EIN Ausrufezeichen?),
Du tust mir einfach leid
.. aber es ist ja November 🙂
Liebe Grüsse aus Frankfurt am Main
Hajo

Anni
15 Jahre zuvor

Hallo Tom,
danke für den Lacher am Morgen!!! 🙂

Athalfain
15 Jahre zuvor

*lach*

Damit fängt der Morgen wirklich gut an! *g*

Erinnert mich irgendwie an die Zeit da ich noch zu Hause wohnte. Mitten auf dem Land zwischen Bauernhöfen und Weiden.
Diesen Gellenden Schrei nach Hilfe hörte ich von meiner Mutter min. einmal am Tag! *hach* *seufz*

Darf ich mir Deine Frau mal ausleihen?
Allein der Nostalgie wegen?

Karl-Heinz
15 Jahre zuvor

Große Kunst! Klasse geschrieben! Ich will ein Buch mit Deinen lustigsten Geschichten!

Roswitha
15 Jahre zuvor

Ich liebe es, wie du solche Geschichten kurz und knapp erzählen kannst und man sich alles immer ganz genau vorstellen kann. Das hat Kishon-Format, alle Achtung!

Ma Rode
15 Jahre zuvor

Die arme Spinne! Denkt denn keiner an die Tiere?
Bei mir im Haushalt leben mindestens 2, eine im Bad und eine in der Küche, je eine am Fenster drapiert. Jeden Morgen gucke ich nach, ob beide noch wohlbehalten die Nacht überstanden haben. Und ja, ich bin weiblich!

15 Jahre zuvor

Wenn man bedenkt, dass in einem „normalen Einfamilienhaus“ ca. 200 Spinnen vollkommen normal sind…..

Darkprince
15 Jahre zuvor

„Binford-6000 Taschenlampe“

mehr Power !

ich hab ne Abmachung mit meinen Spinnen, bleiben die an der Decke is alles ok, kommen sie tiefer als 1 m sind sie Katzenfutter (meinen dreien schmeckts^^)

Andreas
15 Jahre zuvor

@7: Dann fehlen bei uns noch mindestens 199 … 😮

@Tom: Glaubst Du, dass Deine Frau Dich noch liebt? Nach diesem Bericht, meine ich! 😉

15 Jahre zuvor

Du bist trotzdem ein ganz großer Held. *schulterklopf*

Christians Ex
15 Jahre zuvor

Nach dem ersten Satz nach „Toooooooooom!“ wusste ich: es konnte nur eine Spinne sein!
Meine Lieblingsspinne wohnt in einem hübsch eingerichteten 40er Glaswürfel und heißt Xenia.

Ne richtige MagLite Charger verbrutzelt nicht nur Ameisenspinnen, sondern gefühlte ganze Augäpfel inklusive Sehzentrum (glaubste nicht? Dann guck mal rein!). Auf dem Übungsplatz der Rettungshundestaffel wurden die mit den Mags immer als Flutlicht eingeteilt, wenn wir wieder mal kein Benzin für den Generator hatten…

Thomas
15 Jahre zuvor

Kauf dir das:

http://www.softairwelt.de/review/25399/index.shtml

und hänge es über den Schreibtisch.

Sieht gefährlich aus, isses aber nicht.

Cellulanus
15 Jahre zuvor

Ich bin auch w und liebe meine Hausspinnen. Es ist faszinierend sie zu beobachten und irgendwie machen sie ja auch jedes Haus / jede Wohnung lebendiger.
Okay, 1 – 2 mal im Jahr treffe ich hier im Haus eine Riesenspinne vor, bei der selbst mir mulmig wird. Aber die komplimentiere ich dann einfach ins Freie, fertig.

Leider leben meine hochgeschätzten Mitbewohnerinnen seit einem Jahr in einem gefährlich gewordenen Umfeld, denn mein Kater Merlin freut sich über jeden Snack zwischendurch.

Danke für den wieder einmal herrlich geschriebenen Bericht.

Liebe Grüße, Cellulanus

Kirstin
15 Jahre zuvor

Ich oute mich nun auch das ich Angst vor Spinnen habe. Liegt wohl daran das ich in meiner Jugend eines Nachts mit so einem gefühlten 5Kg Vieh in meinem Gesicht aufwachte. 🙁
Die Sachlage ist Ernst Leute.. Also ich kann deine Frau verstehen.

15 Jahre zuvor

YMMD.
danke, danke, danke.

Ma Rode
15 Jahre zuvor

Nicht nur Katzen mögen Spinnen als Zwischenmahlzeit, mein Hund ist auch so ein fragwürdiger Feinschmecker. Aber walte Hugo! Da pass ich auf, dass keiner meiner possierlichen Bad- und Küchenspinne zu nahe kommt …

VIOLETTA
15 Jahre zuvor

Das mit der Spinnenphobie beim weiblichen Geschlecht stimmt wohl doch. In unserer Praxis, mit meistens so 12 Mitarbeiterinnen, habe wir in den letzten 30 Jahren nur ganz selten eine „mutige Frau“ gehabt, welche Spinnen anfassen konnte – sonst musste immer der Chef her!
Ich für meinen Teil finde die Tiere niedlich und betrachte sie als Glücksbringer.

VIOLETTA

EsRegnetUndDasIstGutSo
15 Jahre zuvor

Bitte bitte fahre nie nie niemals mit deiner Liebsten nach Australien!!!!

Neben Redbacks, die sich unglaublich gern in Schuhe verkriechen oder Golden Orbs mit einem Durchmesser von 20cm (!!!) versuchen dich dort auch andere Dinge umzubringen.

Oder solltest du nach Australien fahren, gewissermaßen als Schocktherapie gegen die kleinen süßen Mitbewohner deines trauten Heims?

Noch einen wunderschönen Tag!

P.S. Bitte mach weiter so und verliere deinen Humor nicht! Solche Geschichten machen das Leben doch erst lebenswert schön, nicht wahr?

15 Jahre zuvor

binford 6000 hehehe… da sollte ich wohl nicht direkt auf heimwerkerische fähigkeiten schließen?

geziefer
15 Jahre zuvor

+schmunzel+
da hab ich doch glatt ein Bild vom heldenhaft den Kleiderbuegel schwingenden Tom…
Dabei sind Spinnen doch so putzig, da gibts noch viel Schlimmeres Viechzeug!

Ganz nebenbei: Geziefer ausrotten? Ich bin entruestet…

Dirk
15 Jahre zuvor

Lichtgeschwindigkeitssekunde, *tsetsetse* die ist vermutlich soviel schneller , wie ein Kilo Federn leichter als ein Kilo Gold ist, oder?

15 Jahre zuvor

Woher wußte ich, daß das einer schreiben würde…
Aber das Du *tsetsetse* machst, ohne vorne Titten zu haben, das enttäuscht mich wirklich. 😉

Lars
15 Jahre zuvor

Also ich hätte ihr in diesme Fall angeboten doch nochmal nachzusehen, ob die Spinne tot ist und sie nochmal hereinzubitten.

Kilometer
15 Jahre zuvor

Ich glaube, ich hätte da noch etwas für deine Frau. Hat mir meine Mutter heute weitergeleitet gehabt 😉 :

Sterbehilfe für Männer….

Gestern abend haben meine Frau und ich am Tisch sitzend über einiges diskutiert. Dann kamen wir auf Sterbehilfe zu sprechen. Zu dem sensiblen Thema, Wahl zwischen Leben und Tod, habe ich ihr gesagt:

„Wenn’s mal soweit kommen sollte, lass mich nicht in einem solchen Zustand! Ich will nicht leben – nur von Maschinen abhängig und von Flüssigkeiten aus einer Flasche. Wenn ich in diesem Zustand bin, dann schalte bitte die Maschinen ab, die mich am Leben erhalten.“

Da ist sie aufgestanden, hat den Fernseher und den Computer ausgemacht und mein Bier weggeschüttet!

Die blöde Kuh.

MacKaber
15 Jahre zuvor

Findet man seine Frau in diesem Zustand, – oder was noch besser kommt – auf einem Tisch stehend und schreiend vor, dann holt man schnell den Fotoapparat. Das Beweisfoto ist wichtig, denn hinterher wird sonst alles abgestritten.

Franky
15 Jahre zuvor

Das muss allerdings Binford 6100 heißen. Wie alle anderen Werkzeuge von Binford auch 😉

15 Jahre zuvor

nutzt du eigentlich noch die Standart Binford-6000 oder hast du schon das Upgrade-Pack mit den LED Lämpchen und dem USSEnterprise erprobtem Beamer Vorsatz?

*wegbrutzel*
🙂

eulchen
15 Jahre zuvor

Frauen haben KEINE Angst vor Spinnen.
Sie ekeln sich lediglich.

Die Ursache dafür entstand in der Urzeit. Vor 3-4 Millionen Jahren als wir unsere Nahrung noch erjagen mussten, gab es Riesenspinnen. Manche Urmenschen wurden von diesen Spinnen gebissen. Diese Bisse waren so grauenhaft schmerzvoll, das wir immer noch einen Urekel vor diesen widerlichen Viechern haben. Dieser Ekel sitzt in unseren Genen, er ist eingebrannt. Wir können nichts dafür. Es ist wie ein Reflex. Auge sieht Spinne. Erster Reflex schreien und Gänsehaut. Nur ein wahrer Mann, ein Beschützer der Familie ist daher in der Lage diese Riesenspinnen zu besiegen. Und wenn es mit einem Kleiderbügel geschieht. Spinnen sind die abgrundtiefst bösesten Geschöpfe dieser Erde. Du hast die Pflicht engmaschige Gaze vor alle Fenster Deiner Höhle zu machen, um diese Höllenbrut von Deiner Familie fernzuhalten. Dann bist auch Du ein Jäger.

15 Jahre zuvor

Hmm, und was bin ich dann, eulchen?
Spinnen benutze ich zur biologischen Kriegsführung. Im Sommer dürfen die gerne ihre Netze am Balkon aufspannen und Abends all das Kleinzeug daran hindern, an meinem Stubenfenster reinzufliegen. Tagsüber zieht Thekla sich dann diskret in einen Mauerspalt zurück.

eulchen
15 Jahre zuvor

….Der der mit den Spinnen tanzt?….

15 Jahre zuvor

hast mich erwischt, manchmal spinne auch ich. 😀




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