Geschichten

Die Kuckucksuhr -IV-

Am nächsten Tag wußte es sogar und ausgerechnet auch schon die Gemüsefrau. Die ist ja bekanntlich nicht besonders gut auf die Birnbaumer-Nüsselschweif zu sprechen, denn während ihrer vegetarischen Phase war die Birnbaumer täglicher Besucher im Gemüsegeschäft und hatte sich vor allem dadurch ausgezeichnet, daß sie alle Waren anfingern und dann doch nicht kaufen wollte.

„Ich brauche zwei halbe Zwiebeln und 50 Gramm Petersilie“, hatte sie einmal bestellt und die Gemüsefrau legte ihr eine Zwiebel hin: „Darf’s auch ’ne ganze Zwiebel sein?“

„Nein, im Rezept steht, ich soll zwei halbe nehmen – und 50 Gramm Petersilie.“

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„Da!“ sagte die Gemüsefrau und ihr allgegenwärtig, griffbereites Pittermesser sauste surrend durch die Luft und zerteilte quasi in einem Harakiri-Schnitt sowohl die Zwiebel in der Mitte als auch einen Bund Petersilie zu einem Viertel. „Da ham’se.“

„Was kost‘ das jetzt?“

„Nix und wenn’se nochmal fragen dann kost‘ datt Siebenundvierzig-Dreichachtel Cent!“

Ja ja, zwischen der Gemüsefrau und dem Nüsselschwein, da herrscht eine richtig schöne Hassliebe.
Auf der einen Seite läßt die Gemüsefrau keine Gelegenheit aus, über die Nüsselschweif herzuziehen und auf der anderen Seite tut sie aber auch immer mal wieder ganz freundlich, schließlich könnte sich ja auch das Nüsselchen mal als ergiebige Quelle wertvoller Informationen erweisen.

So erfahre ich also von der Gemüsekönigin, daß die Birnbaumer-Nüsselschweif sich weit und breit ausgiebig darüber beschwert, daß ich -der blöde Bestatter- die Schuhe des Toten nicht hätte herausrücken wollen. Außerdem erklärt sie jedem, ob er es nun hören will oder nicht, habe sie das Auto von Frau Mandel ja nur deshalb völlig überrascht als Geschenk angenommen, weil sie nun fortan die arme alte Frau damit zum Friedhof und zum Arzt fahren wolle. Gleich heute Morgen wolle sie das Auto auf sich ummelden, natürlich nur, daß der alten Dame keine weiteren Kosten entstehen.

Man kann ja nur den Kopf schütteln bei so viel Dreistigkeit…
Okay, die Mandels haben keine Familie, es gibt niemanden, der etwas erben könnte und letztlich würde nach dem Tod von Frau Mandel alles verwertet. Das Gute würde von einem vom Ordnungsamt bestellten Entrümpler verkauft werden, das Schlechte würde man entsorgen und am Ende wird ein Strich darunter gezogen und ermittelt, ob da noch was übrig bleibt. Nach Abzug der Beerdigungskosten fällt der Rest dann an den Fiskus.
Nun, das muß ja nun wirklich nicht sein und deshalb sehe ich es immer mit Freude, wenn sehr alte Menschen noch mit warmen Händen geben, wie man das so sagt.

Aber ausgerechnet der vollfetten Mutter Theresa gönne ich das im Grunde überhaupt nicht und außerdem finde ich es fies, daß sie es schafft, sich so plump und schnell in den Besitz der verschiedenen Dinge zu bringen.

Frau Mandel sieht das ganz anders.
Ich konnte ja nicht zu ihr hin marschieren und ihr erzählen, daß ich den Eindruck habe, die Birnbaumer-Nüsselschweif würde sie ausnehmen wie eine Weihnachtsgans. Aber bei meinem nächsten Besuch deutete ich doch zumindest mal an, daß ich die dicke Berufskummertante nicht unbedingt für einen Ausbund an Redlichkeit halte.

Frau Mandel war entsetzt ob meiner mangelnden Menschenkenntnis. Die Birnbaumer sei doch die netteste Person weit und breit und sie sei ja vom Schicksal so geschlagen, da müsse man der armen Frau doch helfen.
„Wo ist die denn vom Schicksal geschlagen?“ frage ich erstaunt und Frau Mandel seufzt: „Wegen dem toten Kind.“

Ach du meine Güte! Es ist nun schon Ewigkeiten her, daß die Birnbaumer-Nüsselschweif ein winziges Würmchen hat beerdigen müssen. Eine Mutter die ihr Kind verliert, die kann einem schon leid tun, das ist wahr. Aber wenn sie dieses schlimme Ereignis immer nur dann auspackt, wenn es ihr danach ist, das Mitleid anderer heraufzubeschwören, dann kann sie die Geschichte auch in der Kiste lassen. Ansonsten ist die Birnbaumer nämlich nicht gerade als Freundin der Kinder bekannt. Unsere Kinder jedenfalls erzählen immer wieder, daß es ausgerechnet diese Dauermutter ist, die sie vom Spielplatz verjagt, weil man dort in der Mittagszeit und gegen Abend nicht mehr spielen darf; und Rennen, Schreien und Fröhlichsein sei sowieso verboten, ganztags versteht sich.

Nun, mit der Geschichte vom verstorbenen Würmchen hat sie also das Herz der Frau Mandel erweicht und ihr so eine Kuckucksuhr, eine Münzsammlung und das Auto abgeschwatzt.
Ich neide diese Sachen der Birnbaumer nicht. Neid würde ja voraussetzen, daß ich an ihrer Stelle das Zeug gerne gehabt hätte, oder so. Aber nein, das ist es nicht, ich gönne es ihr einfach nicht, daß sie nun diese Sachen einfach so bekommen soll.
Aber man kann wohl kaum etwas dagegen machen.

Die Höflichkeit und der Respekt gebieten es mir, die alte Dame und ihre Entscheidungen so zu akzeptieren. Im Grunde geht mich das alles ja auch gar nichts an. Nur ist die Rüsselschwein schon so oft ungefragt und höchst unangenehm in unser Leben getreten, daß ich das gerne auch mal andersherum so machen würde.
Ich bin aber vermutlich nicht frech und plump genug für sowas.

Trotzdem nahm ich mir vor, der Dicken irgendwann bei passender Gelegenheit mal an die Karre zu fahren. Man müßte nur geduldig sein, die Gelegenheit würde irgendwann kommen.
Und wie bald die kommen würde, das ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.


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Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 14. März 2010 | Revision: 16. Juli 2012

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Sanna
14 Jahre zuvor

….arggghhhh – gehen dir die Kunden aus, oder warum quälst du uns dermaßen mit den Cliffhangern?!?!?
Der Tag ist nicht fern, da hauche ich hier am Monitor wegen der unerträglichen Spannung „Wie-geht-das-jetzt-bloß-weiter???“ mein Leben aus (keine Bange – eine entsprechende Versicherung rund um die entstehenden Ablebe-Kosten habe ich abgeschlossen; schließlich lese ich regelmäßig deinen Blog *grins-grins*).

Obwohl ein friedliches und harmoniebedürftiges Menschenkind überkommen mich bei Menschen wie der Rüsselschwein, äh Nüsselschweif, fast Mordgelüste. Zumindest feste verdreschen möchte ich solche Leute. Ziemlich feste!

Anni
14 Jahre zuvor

@ Sanna: Verdreschen? So richtig feste? Au ja, ich halt das Rüsselschwein solange fest!!!

14 Jahre zuvor

Der Cliffhanger sei Dir verziehen, aber nur weil Du in Aussicht stellst, dass es dem Rüsselschwein endlich mal an den Kragen geht.

Rena
14 Jahre zuvor

Na dann hoffe ich mal, dass die Bi-Nü irgendwann (und das recht bald) von irgendwem ganz gewaltig eine Retourkutsche bekommt. Sie darf gerne mal fühlen wie das ist, so über den Tisch gezogen zu werden. Ja, im Moment bin ich gehässig

Christians Ex
14 Jahre zuvor

Ha! Das ist doch mal ein Cliffhanger!
Ich muss zwar wieder mal voll der Spannung harren, was da kommen wird, aber ich weiß schon, das wird guuut! *eg*

gast
14 Jahre zuvor

OK, ueberredet. Ich bestelle sofort das naechste Buch !

ypf
14 Jahre zuvor

stimmt, das ist kein neid, das ist missgunst.

Tim
14 Jahre zuvor

Irgendwann, lieber Tom, wirst Du auch unerwartet ins Leben der Nüsselbirne treten! Sie wird nur nix mehr davon mitbekommen, weil sie dann zwischen den sechs Brettern liegt. 😀

J.
14 Jahre zuvor

@6: und das übernächste…

Holg
14 Jahre zuvor

in diesem Zusammenhang (Dreistigkeit) fehlt da eigentlich nicht schon lange mal eine Fortsetzung von ‚In der Psychiatrie‘ ? Die hängt ja jetzt schon einige Monate…

14 Jahre zuvor

In dem Fall der Birnbaum-Nüsselschwein empfehle ich Dir, Tom, mal ganz dringend diese Lektüre:
[quote]
Das Schwarzbuch der Rache von John Punisher
http://www.racheshop.de/product_info.php?products_id=164%5B/quote%5D
Da stehen lauter „nette“ Sachen drin, die Dir bei diesem Problem sehr helfen können 🙂

14 Jahre zuvor

Das ist total gemein und unfair. Warum lässt du uns an einem Sonntagmorgen so unchristlich mit diesem Cliffhanger hängen?

14 Jahre zuvor

Da war jetzt Manulein schneller, gerade wollte ich das selbe schreiben…
btw: Happy Pi-Day!

14 Jahre zuvor

Soso, der willste also an den Karren fahren. Interessante Formulierung, wo’s doch hier nicht nur um die Kuckucksuhr, sondern auch um ein Auto geht 😉

jemand
14 Jahre zuvor

Du willst den Mercedes schrotten? Kannst du nicht warten, bis sie aussteigt?

Und die hat sich auch noch eine Münzsammlung unter den Nagel gerißen? o.O Stöbert die da wohl in der Wohnung rum und klebt da ihre Punkte drauf, um später mit dem Umzugswagen zu kommen und alles mitzunehmen. Was ziemlich lustig wäre, würdest du der Mandel einen, sagen wir mal, 50″ Plasmafernseher in die Wohnung stellen. Den würde das Rüsselschwein sicherlich sofort rausziehen.

14 Jahre zuvor

also so geht das aber nicht hier….mit den Cliffhangern am Sonntagmorgen….tzzzz also sowas 😉

14 Jahre zuvor

Ich frag mich nur gerade: Muss man Schenkungen über einem gewissen Wert nicht dem Fiskus melden? Das Auto wird doch sicher mehr als den fraglichen Betrag (waren es nicht nur 10000 €?) wert gewesen sein. In meiner Familie sind solche Summen leider nicht üblich, insofern musste ich das noch nicht herausfinden. Aber vielleicht weiß das ja hier jemand…

Asz
14 Jahre zuvor

Ich finde, der Name Hirnleugenr-Trüffelschwein würde auch gut passen.

ich
14 Jahre zuvor

wie mache ich aus einem einfachen Knast einen Folterknast? Man stecke die Rüsselschweif rein….

turtle of doom
14 Jahre zuvor

@ 17, Kathrin:

[url=“http://de.wikipedia.org/wiki/Schenkung#Schenkungsteuerpflicht“]Wikipedia sagt:[/url] Zwischen Nichtverwandten gibt es einen Freibetrag von 20’000 €, darüber sind 30 bis 50% Schenkungssteuer fällig. Wenn der Mercedes nur 32’000 km auf dem Tacho hat und 20 Jahre lang praktisch ungenutzt in der Garage stand – dann muss Frau Eichhörnchen-Meerschwein diese Steuer bezahlen.

Die Schenkung könnte übrigens auch rückgängig gemacht werden, wenn Frau Mandel durch diese Schenkung verarmen würde.

MacKaber
14 Jahre zuvor

@turle of doom: Dann müßte es aber ein Luxusdaimler sein. Hatte Anfangs der Neunziger einen zweijährigen W124 mit 26500 Km gekauft. Hab damals 26000 DM dafür bezahlt. Der wäre heute mit Sicherheit keine 5000 € wert, auch wenn ich ihn geschont hätte.




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