Geschichten

Die Kuckucksuhr -VIII-

Irgendwann muß ja auch die Wohnung von Frau Mandel sauber sein, möchte ich mal meinen. Dennoch aber sieht man den Mercedes, der neuerdings Frau Birnbaumer-Nüsselschweif gehört, immer wieder vor dem Haus stehen, in dem Frau Mandel wohnt.
Ganz ehrlich? Ich habe das Gefühl, die Birnbaumer-Nüsselschweif räumt der alten Dame die ganze Bude aus.
Aber kann das wirklich sein? Wenn Frau Mandel tatsächlich noch ein paar Tage in ihrem Haus in der Schweiz bleiben möchte, so wird sie doch eines Tages hierhin zurückkommen und dann wird sie ihre Wohnung unverändert; vielleicht gesäubert und aufgeräumt, vorfinden wollen.

Wie ich darauf komme, daß Frau Mandel noch in der Schweiz bleiben will und erst nach einigen Tagen zurückkommt? Nun, ganz einfach, ich habe Frau Birnbaumer-Nüsselschweif gefragt. Ich habe gleich am nächsten Tag, nachdem ich sie in der Mandel’schen Wohnung am Telefon hatte, einfach nochmals dort angerufen und obwohl ich den Zeitpunkt auf gut Glück hin auswählte, hob sie tatsächlich ab. Ich sagte nur kurz: „Gut, daß ich Sie dort antreffe, ich komme mal eben vorbei.“

Werbung

Als ich dort eintreffe, ist es dem Küchenkittel, den sich die Birnbaumer übergestreift hat, anzusehen, daß sie ihn gerade eben erst angezogen haben muß, er ist nachlässig zugeknöpft, einen Knopf hat sie übersprungen.
In der Wohnung sieht es nicht wirklich aus, als putze und reinige sie dort, aber überall stehen die Schubladen offen.
Nur in der Küche steht ein Putzeimer mit einem Lappen über dem Rand auf dem Tisch.

Ja, sie mache nur etwas Ordnung und wolle die Abwesenheit der Frau Mandel dazu nutzen, die Wohnung „mal richtig auf Vordermann zu bringen“, die arme alte Frau sei ja wegen des Todes ihres Mannes zu gar nichts mehr gekommen und entsprechend sehe es dort aus.

„Frau Mandel braucht die Ruhe und will in der Schweiz auch ein wenig im Haus aufräumen und vor allem die Sachen ihres Mannes wegräumen. Das ist ja ein wunderschönes Haus, etwas abgelegen an einem Hang, an dem unten ein Bach vorbeifließt und sowas von gemütlich, das glaubt man ja gar nicht.“

„Wann kommt Frau Mandel denn zurück, ich habe da noch Unterlagen, die sie dringend unterschreiben muß“, flunkere ich Frau Birnbaumer-Nüsselschweif etwas vor, um sie zu einer genauere Aussage zu bewegen.

„Ach, das kann noch dauern.“

„Ja, meinetwegen, aber da sind Unterlagen vom Notar dabei, die haben Termin“, lege ich noch etwas nach, um den Druck etwas zu erhöhen und tatsächlich…
…die Birnbaumer zieht die Augenbrauen hoch und unter ihrem rechten Auge zuckt kaum wahrnehmbar ein Muskel, einer jener Muskeln, die man für gewöhnlich nicht unter Kontrolle hat und die nur dann zucken, wenn man 56 Tassen Kaffee getrunken hat oder wenn große Nervosität in einem hochsteigt, die man mühsam verbergen möchte.
Sie fragt: „Vom Notar? Vielleicht was Amtliches? Wann ist denn der Termin?“

„Ach, so genau habe ich das nicht im Kopf“, fabuliere ich und lege einen etwas geheimnisvollen Unterton in meine Stimme, als ich hinzufüge: „Könnte was mit dem Testament, dem Erbe zu tun haben.“

„Erbe?“ die Brinbaumer-Nüsselschweif klingt alarmiert und will es nun genau wissen: „Mit dem Erbe des toten Mannes oder mit ihrem eigenen Erbe? Los, wissen Sie da was Näheres? Die hat doch noch kein Testament gemacht, kann sie doch gar nicht, die Zeit war doch viel zu kurz…“
Und im selben Moment wird ihr klar, daß sie etwas zu weit gegangen ist und lag eben noch ein leichtes aufgeregtes Schnaufen in ihrer Stimme, atmet sie nun hörbar durch und mit wesentlich langsamerer und weicherer Stimme meint sie dann noch: „Aber was soll’s? Mich geht das alles ja nichts an, ich mach‘ hier ja nur sauber, ich opfere mich ja auf für diese arme alte Frau…“

„Immerhin haben Sie einen schönen neuen Mercedes dafür bekommen. Für einen Luxuswagen würde ich auch ein bißchen putzen und aufräumen, das können Sie mir glauben“, sage ich zu ihr und frage dann ganz konkret: „So, jetzt Butter bei die Fische, wann kommt Frau Mandel wieder, wie kann man sie erreichen?“

„Die kann man nicht erreichen, da oben gibt’s kein Telefon und das Handy habe ich wieder mit hergenommen, das kostet sonst nur Auslandsgebühren, außerdem ist der Empfang da oben schlecht.“

„Wann kommt sie?“

„Sie wird schon kommen, ist ja bald Ostern.“

„Aha, bis Ostern ist sie also wieder da?“

Man sieht es der Birnbaumer-Nüsselschweif an, daß sie lügt, als sie sagt: „Ja sicher!“

„Sie holen sie wieder ab?“

„Na klar, was meinen Sie denn wozu ich das Auto bekommen habe. Ich fahre Frau Mandel überall hin, nur deshalb habe ich ja den Wagen angenommen. Ich würde doch niemals einfach so irgendwas annehmen, ich doch nicht! Glauben Sie mir, das alles bedeutet für mich ein großes Opfer und ist nicht nur ein Vergnügen.“

„Wann holen Sie sie denn?“

„Morgen oder übermorgen.“

„Aha, und bis dahin ist Frau Mandel fertig mit dem Aufräumen?“

„Das werde ich mit ihr noch absprechen“, antwortet das Nüsselschwein schnippisch und merkt gar nicht, daß sie mir auf den Leim gegangen ist.

Ich grinse etwas, als ich sage: „So? Das sprechen Sie noch mit ihr ab? Wie denn? Mit dem Telefon, mit dem Handy oder machen Sie nachts geheime Trommelzeichen?“

„Mit dem Handy natürlich.“

„Ach was? Ich denke, Sie haben das Handy mitgenommen, wegen der Auslandsgebühren.“

„Das habe ich SO nicht gesagt. Ich meinte, ich wollte es schon fast mitnehmen.“

„So? Dann geben Sie mir doch mal die Nummer.“

„Das darf ich nicht, ich habe Frau Mandel versprochen, daß ich sie niemandem gebe.“

„Quatsch! Her mit der Nummer!“

„Nee.“

„Gut, dann rufe ich jetzt die zuständige Kantonspolizei an und trete so mit Frau Mandel in Kontakt“, sage ich und zücke mein Handy. Vermutlich glaubt die Dicke wirklich, ich hätte quasi alle möglichen Schweizerischen Kantonspolizeitelefonnummern im Handy abgespeichert, denn schnell schiebt sie den Küchenkittel etwas hoch und beiseite und zieht irgendwo aus ihren Gewandungen ein relativ altes Nokia-Handy: „Warten Sie, ich hab‘ die Nummer doch, eben ist mir das wieder eingefallen.“

Es war doch gar nicht die Rede davon, daß ihr was nicht einfallen würde, sie hatte doch eben noch gesagt, sie wolle mir die Nummer nicht geben, weil sie das angeblich Frau Mandel so versprochen habe. Ein Widerspruch, genauso wie die Sache mit dem mitgenommenen Handy und den Auslandsgebühren. Aber so ist sie die Birnbaumer, eben sagt sie dieses und jenes und wenn man ihr Paroli bietet und das Gegenteil beweist oder den Druck erhöht. dann ist das vorher Gesagte augenblicklich nicht mehr existent.

Sie diktiert mir die Nummer und ich tippe sie in die Kontaktliste meines Handys.

Ich nicke nur kurz zum Abschied und als ich unten ins Auto steige, sehe ich, daß die Birnbaumer mir oben vom Fenster hinterherschaut.

Noch am selben Tag habe ich bestimmt 30 mal versucht, Frau Mandel zu erreichen, aber die Anrufversuche laufen immer gleich ab. Es klingelt 4-5 mal, dann kommt ein fremder Ton und es tutet sehr ausländisch, jedenfalls anders als ich es kenne und vor allem ohne daß sich Frau Mandel meldet.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

Keine Schlagwörter vorhanden

Lesezeit ca.: 9 Minuten | Tippfehler melden


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)