Geschichten

Die Porno-Mafia ist ein 17-jähriger -2-

Aus dem anfangs immer lächelnd vorgetragenen und von esoterischer Gehirnbefreiung geleiteten sogenannten Hilfsbereitschaft wurde schnell eine Art dauerschmerzhaftes Magengeschwür mit Tentakeln.

Ich muss gestehen, anfangs fand ich Rudis Auftritte lustig, dann folgte eine Zeit, da empfand ich sie als zeitraubend und nach einem Monat konnte ich den Mann nicht mehr ertragen.

„Wieso kauft Ihr keine Wohlfahrtsmarken? Warum putzt Mimi eigentlich in Achten, sie könnte doch gerade Linien wischen! Die Beleuchtung dort in der Ecke ist nicht optimal, da müsste noch ein Strahler hin. Frau Büser trägt immer Stretch-Hosen, das sollte sie lassen. Sandy hat schwarze Fingernägel! Den Kaffee könnte ihr aber auch fair-gehandelt kaufen. Dir wächst ein kleines Haar aus dem Ohr, ich leihe Dir morgen meinen Ohrenhaarschneider. Ihr solltet mehr frisches Neckarwasser trinken. Wieso kauft Ihr Ordner von Leitz und nicht von Elba-Rado? Schwarze Kulis sind schlecht für die Umwelt. Antonia reißt viel zu lange Stücke Tesa-Film ab. Wenn Manni früher schalten würde, bräuchten wir nicht so viel Benzin.“

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Zunehmend wurde mir bewußt, dass Rudi ein überaus gelangweilter Mensch war, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, bei uns für Ärger zu sorgen.
Und als er dann sagte: „Ich weiß gar nicht, ob ich in diesem Jahr eine Mittelmeertour mache, hier liegt so viel im Argen, da werde ich mich lieber um die Firma kümmern. Wo könntest Du mir denn ein Büro einrichten?“
Als er das sagte, da war es Zeit für ein klärendes Gespräch.

Erst wollte er schleimfischartig seine Glibberwurmtour durchziehen, doch ich ließ ihm keine Chance. „Halt die Klappe, sonst setze ich mich auf Dich!“

Es wurde laut im Büro. Nein, ich schrie nicht. Das war Rudi.
Wer mich kennt, der weiß, dass ich nicht schreie; ich werde leiser. Und wenn ich leiser werde, dann besteht Gefahr für Leib und Leben. Nicht wenige, so behauptet die Allerliebste, hätten sich nach einem leise mit mir geführten Gespräch selbst eingewiesen.

Ich war eine halbe Stunde leise (nicht stumm), Rudi krakeelte eine halbe Stunde, dann war es besiegelt. Er würde auf der nächsten Gesellschafterversammlung, die in Kürze vor uns lag, aus der GmbH ausscheiden und ich würde seine Anteile übernehmen.

Rudi hätte auf den Deal nicht eingehen müssen, denn finanziell war er gut aufgestellt. Er hatte von seinen Eltern drei nebeneinanderliegende große Mietshäuser geerbt, die ihm eine schöne monatliche Einnahme bescherten.
Aber die Angst davor, dass ich mich auf ihn setzen könnte, bewegte ihn dann doch zur freiwilligen Aufgabe.

Erleichterung machte sich breit, bei allen Mitarbeitern und vor allem bei den Mitgesellschaftern.
Von Volkhardt kam dann der Vorschlag, die GmbH aufzulösen. Für seine Beteiligung, die im Unternehmen bleiben sollte, hatte er eine andere Idee. Aber er wollte sichergehen, dass nie wieder irgendein Pinsel ihn 30 mal am Tag anruft.

Jau, und damit stand ich vor dem Problem, Rudi auszahlen zu müssen.

Das Geld dafür hatte ich, aber Rudi hatte ganz besondere Vorstellungen davon, was seine Anteile inzwischen wert seien.

Daraus entbrannte ein langwieriges und unnötiges Hin und Her und eine fast einjährige Verzögerung, was vor allem daran lag, das Volkhardt 9 Monate in den USA Vorlesungen hielt.

Doch dann, es war in der Adventszeit, hatten wir uns alle bei Rudi daheim zu einer Gesellschafterversammlung eingefunden.
Wir das waren die Allerliebste, Tina, Volkhardt, Frau Büser als Protokollantin, Rudi und seine Frau und ich.
Rudis Frau Mareike, eine früh ergraute dickliche kleine Frau, die mit weit aufgerissenen Augen gläubig an Rudis Lippen hing und sogar seine Worte stumm mitsprach, führte uns in Rudis Wohnzimmer.

Das darf man sich nun so vorstellen: Ein etwa 30 Quadratmeter großer Raum, der völlig ohne Einrichtung auskam. An zwei Wänden waren Matratzen ausgelegt, immer mehrere übereinander und eine als Rückenstütze. Das war Rudis Couch. Vor der Couch, das war kein Sperrmüll, wie ich erst dachte, lag auf Ziegelsteinen eine ausgehängte Tür. Das war Rudis Wohnzimmertisch.
In einer Ecke des Raumes stand eine 40 x 40 cm große Elektroheizung.
„Das ist ein Wärmewellengerät. Damit heizen wir immer den ganzen Winter durch. Stoßheizen. Dann schalten wir es ab. Das Ding schmeißt ja so eine Hitze.“

Das sah die Allerliebste anders. Muss ich mehr sagen, als dass die Allerliebste eine Frau ist?
Gut, 5 Euro in die Machokasse…
Aber bei uns ist das so, dass wir im drei mal im Jahr Auberginen im Wohnzimmer ernten können, weil es immer nur heiß ist.
Bei 28 Grad Zimmertemperatur zieht sich die Allerliebste bibbernd und mit blaugefrorenen Lippen das dritte Paar Socken über, während ich mir, nur eine Shorts tragend, mit einem Saunatuch den Schweiß von Astralkörper pinsele…

Bei Rudi im Wohnzimmer zeigte das Thermometer 8 Grad.


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Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 14. März 2019

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Lisa Weber
5 Jahre zuvor

Toller Beitrag! Gerade erst über Google gefunden.




Rechtliches


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