In der Zeitung lese ich immer wieder die Stellenanzeige eines Bestatters, der Aushilfen für die Überführung sucht.
Bei uns in der Zeitung erscheinen immer wieder Stellenanzeigen von einem bestimmten Bestatter. Er sucht immer Aushilfen für die Überführung.
Das geht jetzt schon seit Jahren so. Alle paar Wochen wieder. Gibt es einen Fachkräftemangel in der Branche?
Lohnt es sich, dass ich mich da mal melde, so nebenberuflich? Gibts da den Mindestlohn? Dann würde sich das ja eventuell auch Vollzeit rechnen.
Ein Satz, den man in diesen Tagen immer wieder hört: Der Fachkräftemangel macht auch vor der Branche XYZ nicht Halt.
Die Situation ist so plötzlich und überraschend gekommen, wie jedes Jahr auch Weihnachten völlig unerwartet vor der Tür steht und wie wir jedes Jahr im Winter mit absolut nicht vorhersehbarem Schnee und Eis konfrontiert werden.
Niemand hat es voraussehen können, dass die sogenannten geburtenstarken Jahrgänge irgendwann auch mal in Rente gehen würden und die geburtenschwächeren Generationen dann für Pflege, Unterhalt und eben letztlich auch für deren Bestattung zuständig werden würden.
Diese Situation ist einfach vom Himmel gefallen.
Wenn dann auch noch gefühlt die Hälfte der Nachwachsenden Influencer oder Reality Star als erstrebenswertes berufliches Ziel angeben und das Erreichen der 100.000-Follower-Marke als höchstes Lebensziel gefeiert wird, könnte es tatsächlich sein, dass es hie und da an Fachkräften mangelt.
Einen Fachkräftemangel im Sinne des Wortes gibt es in der Bestatterbranche nicht flächendeckend. Gut ausgebildete Kräfte fanden schon immer auch eine gute Stelle. Und es gab eher zu wenig Stellen, gemessen am Interesse.
Noch finden Bestattungsunternehmen Auszubildende.
Woran aber immer schon ein Mangel herrschte, sind Aushilfskräfte und Helfer. Damen und Herren, vorwiegend aber Herren, die auf Abruf oder im Schichtdienst/in Bereitschaft die Abholung von Verstorbenen und deren Überführung übernehmen, weitere Überführungsfahrten durchführen und eventuell auch als Sargträger bei Beerdigungen eingesetzt werden. Diese Tätigkeit ist körperlich anstrengend, mental herausfordernd und von der zeitlichen Komponente her eher stressig.
Zum Thema Mindestlohn
Viele Bestatter, und nicht nur die, haben leider das Wort Mindestlohn nicht richtig verstanden. Mindestlohn bezeichnet eine Verdienstgrenze, die nicht unterschritten werden darf.
Der Mindestlohn ist keine Vorschrift, wie viel man höchstens zahlen darf. Er ist auch keine Empfehlung des Gesetzgebers für einen fairen Lohn.
Nein, er kennzeichnet die unterste Grenze. Darunter wird es schäbig. Der Mindestlohn ist also nur um 1 Cent höher als die Schäbigkeit. Das muss man sich einmal vor Augen halten.
Derzeit wird für eine geringere Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich gestreikt. Aus Sicht der Betroffenen ist das auch nachvollziehbar.
Wenn aber jemand seine 160 Stunden im Monat zum Mindestlohn (12,41 €) arbeitet, bekommt er nicht einmal 2.000 Euro brutto.
Davon kann niemand eine Familie ernähren.
Und wer arbeitet schon noch 40 Stunden pro Woche?
Für einen Single bleiben netto gerade einmal 1.375 € übrig1
Wenigstens 25-45 % davon muss für die Miete und die Nebenkosten aufgewendet werden2. Pro Kopf gibt man durchschnittlich 200 Euro für Lebensmittel aus3.
Mobilität (Auto und ÖPNV) kostet im Schnitt 266 Euro4. Und dann kommen noch TV-Gebühren, Telefonanschluss, Internetanschluss, Mobiltelefone und die ganzen Versicherungen dazu.
Solche Durchschnittszahlen verhelfen auch schnell zu Fehleinschätzungen und sind deshalb mit Vorsicht zu genießen.5
Aber Fakt ist: Wer nur den Mindestlohn erhält, wird es schwer haben, seinen Lebensunterhalt anständig bestreiten zu können.
Einnahmen/Ausgaben | Euro |
---|---|
Einkommen | 1.375 |
Miete/Nebenkosten | -600 |
Auto/Benzin | -200 |
Telefon/Internet/Handy | -100 |
Versicherungen | -100 |
Lebensmittel | -200 |
Döner/Kino/Kneipe | -100 |
Rest | 75 |
Und die Zahlen in der Berechnung sind sehr optimistisch angesetzt. Rauchen soll man ja nicht, könnte unser Beispiels-Single aber auch gar nicht, wovon?
1 https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/mindestlohn-2024-wie-sich-der-mindestlohn-in-deutschland-2024-entwickelt/25604664.html
2 https://eradeutschland.de/mittelschicht-familien-zahlen-fast-die-haelfte-ihres-einkommens-fuer-miete
3 https://finanzwissen.de/finanzen/lebensmittelkosten/
4 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/07/PD21_N045_639.html
5 Die Zahlen habe ich schnell zusammengegoogelt. Sie sind nur als grobe Anhaltspunkte zu verstehen.
“If you pay peanuts, you get monkeys”
Der Spruch in der Überschrift kommt aus dem Amerikanischen und besagt, dass man kein gutes Personal bekommt, wenn man nur „peanuts“, also zu wenig bezahlt.
Und genau das ist der springende Punkt bei den Aushilfskräften in der Bestattungsbranche. Viele Bestatter bezahlen schon ihr Büropersonal nur sehr durchschnittlich. Da muss es dann aus ihrer Sicht zu den angelernten Helfern „da unten“ noch einen gewissen Abstand geben. Und so bezahlen sie einfach zu schlecht.
Wie ich sagte, ist die Arbeit eher unangenehm. Man muss nachts, an Wochenenden und Feiertagen, bei Wind und Wetter und unter ungünstigen Umständen arbeiten. Oft wird erwartet, dass man bei der Leichenbergung an Unfallorten mitwirkt. Die Arbeit mit Verstorbenen hat auch unangenehme Begleitumstände. Der Umgang mit den trauernden Hinterbliebenen am Abholungsort ist belastend. Die körperlichen Anforderungen (Tragen, Stemmen, Wuchten) sind hoch. Dafür darf man eine gute Bezahlung erwarten, die am Ende des Monats auch noch genug übrig lässt, um sich auch so etwas wie Kleidung und Freizeit erlauben zu können.
- mindestlohn: Pixabay, bearbeitet
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Wie ich schon an anderer Stelle geschrieben habe, habe ich deutlich mehr als das verdient. Dafür habe ich aber auch fünf Jahre studiert und vier Jahre lang promoviert dabei kein Geld verdient bzw während der Promotion auf einer halben Stelle. Noch einmal würde ich das nicht machen, es scheint mir, dass man mit einer „einfachen“ Ausbildung über die Lebensdauer gerechnet mehr verdienen kann, zumindest wenn man das „Richtige“ gelernt hat. Immerhin war mein Job abwechslungsreich und hat auch Spaß gemacht, bis ungefähr ein Drittel meines Teams gegangen sind oder gewechselt haben und meine Firma meinte, der Rest der Belegschaft würde schon irgendwie klarkommen, für mehr Personal sei trotz Rekordgewinne kein Geld da. Ich bin gegangen. Das Gesamtpaket in Deutschland passt einfach nicht mehr. Alle Chefs jammern, aber die wenigsten Zahlen gut und selbst wenn man von gutem Lohn spricht, geht das meiste eben für Steuern und Abgaben, Miete, Heizen und eben alle anderen absoluten Grundlagen des Lebens drauf und zum Leben an sich bleibt wenig. Ich wäre froh, würden alle einfach kündigen und den ganzen… Weiterlesen »
Danke, Peter, für die Darstellung.
Zu oft wird Mindestlohn als Riesenmenge dargestellt, weil es sich eben bei Vollzeit auch gar nicht schlecht anhört. Bis, ja bis man dann laufende Kosten abzieht. Und schwupps, bleibt es eben, was es ist: Das Minimum zum Leben.
Für Schichtarbeit, körperliche Schwerstarbeit, nicht vertretbar.
Und was das wirklich absurde ist, alle die über den Mindestlohn schimpfen, würden niemals zum Mindestlohn arbeiten wollen. Aber so ist der Mensch, ihm kann es ruhig schlecht gehen, Hauptsache es gibt Menschen denen es noch schlechter geht.
Endlich sagt das mal einer so klar und deutlich.
Seit der Agenda 2010 geht es uns dreckig. Adenauer hat mal gesagt: „Sobald der Sozi an der Macht ist, wird er dem kleinen Mann in die Tasche greifen“.
Ist bis jetzt jedes Mal wahr geworden.
Ja, das ist schon übel, daß die Linken verhindern, daß der Mindestlohn deutlich angehoben wird, wie es CDUCSUFDP ja täglich fordern…
Es wird wohl auch an der Steuerlast liegen, sowohl bei den Arbeitgebern und auch bei den Arbeitenden.
Nicht jeder Arbeitgeber wird aus Geiz an dem Mindestlohn stöhnen.
Von meinem Lohn holt sich der Staat ja schon einiges, es geht dann aber bei jedem Einkauf mit Mehrwertsteuer usw. weiter….
Nun ich war fast 3 Monate in ein Betrieb wo man 17€ Brutto die Stunde verdient hat in Teilzeit, dafür musste man aber 24/7 in Bereitschaft sein. Nur gibt es in diesem Betrieb auch immer wieder Mitarbeiterwechsel und jedesmal sind die Mitarbeiter Schuld.
Nur kann ich aus eigener erfahrung sagen, das die Chefin in diesem Betrieb die Ursache ist und nicht die Mitarbeiter.