Geschichten

Herr Tilto

Als Herr Tilto zu uns kam, regnete es draußen. Der Himmel war schwarz verhangen und die Blätter der Bäume reflektierten ein silbriges Licht. Damit stachen die Kronen der Bäume fast surreal vor dem dunklen Himmel hervor. Ich hatte gerade meinen Fotoapparat geholt, um eine Birke vor dem Haus zu fotografieren, da sah ich Herrn Tilto das erste Mal.

Er trug einen graumelierten Mantel, dunkelgraue Cordhosen und Halbstiefel mit Fellbesatz. Langsam schlurfte er auf unser Haus zu und zuerst dachte ich an einen Passanten, der so spät noch zum nahegelegenen Friedhof wollte. Allein die Tatsache, daß der Mann trotz des Regens und obwohl er keinen Hut und keinen Schirm hatte, so langsam ging, ließ mich meinen Blick nicht von ihm abwenden.

„Sie, sind Sie der Mann von der Bestattung?“, sprach er mich aus gut zehn Metern Entfernung an. Ich nickte.

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„Dann bin ich ja bei Ihnen richtig“, rief er und ich trat beiseite, um ihn eintreten zu lassen.

„Ich mach‘ Ihnen ja alles ganz naß“, meinte er verlegen, „Als ich von zu Hause los ging, regnete es noch nicht.“

„Kein Problem“, sagte ich, „Auf die paar Tropfen kommt es nicht an, was meinen Sie, wie es bei uns manchmal aussieht, wenn ich mit dem Hund draußen war.“

Er lachte, hob dann den rechten Ärmel seines Mantels an die Nase, roch daran, streckte mir dann den Ärmel hin und sagte „Riechen Sie mal, der alte Fetzen riecht auch wie nasser Hund!“

Ich mußte ebenfalls lachen.

„Wissen Sie, ich hatte den Mantel schon seit Ewigkeiten nicht mehr an“, sagte Herr Tilto, während ich ihm aus dem Mantel half. „Ich hab ihn nur angezogen, weil man doch was Dunkles trägt, wenn man in Trauer ist.“

Mit einer Handbewegung lud ich ihn ein, auf dem Sofa in der Halle Platz zu nehmen, wo damals noch unser Chamäleon Suse auf einem großen Ficus wohnte.

Aus dem Kundenwaschraum holte ich Herrn Tilto ein Handtuch und als ich zurückkam hatte der Mann das kleine grüne Tier auf seiner Hand sitzen. „Eine schöne Eidechse haben Sie da. Die wollte direkt auf meine Hand. Sie müssen der mehr zu essen geben, die ist so langsam.“


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Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 15. März 2016

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