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Herr Wu

Mann, was hatte ich mich schon insgeheim gefreut! Herr Wu ist Chinese und um ihn geht es in diesem Artikel. Bevor jetzt wieder die Vorsitzende des „Verbandes zum Schutz der schlitz- und mandeläugigen Südostasiaten vor Diskriminierung durch den Bestatterblogger e.V.“ (VSMSDDDB), möchte ich kurz darauf hinweisen, daß ich mich aller entsprechenden Chinesenwitze enthalten werde. Schon vor dem Hintergrund der aktuellen weltpolitischen Lage werde ich nicht schreiben, daß Chinesen die Welt beispielsweise nach zwei Kriterien unterteilen: entweder man kann es essen oder man kann Sex damit machen. Ich werde auch das Wort Kontrabass nicht in den Mund nehmen und mich auch nicht hinreißen lassen, Chinesen mit Japanern oder Koreanern zu verwechseln.

Nein, Herr Wu ist wirklich Chinese, spricht mit einem sehr schweren Akzent, sodaß es wirklich sehr schwer ist, ihn zu verstehen.
Seine Frau ist gestorben und er muß nun alles regeln. Als Bestatter denkt man in solchen Fällen einerseits, daß das ein komplizierter Fall werden könnte und andererseits freut man sich ein bißchen darauf, daß man etwas Neues über fremde Kulturen und Bestattungsriten erfahren wird.

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Aus Herrn Wu ist nicht viel herauszubekommen, so sehr ist er von der Trauer übermannt und ich muß ihm mehrfach eine Pause gönnen, damit er sich sammeln und seine Gedanken ordnen kann. Was bietet man einem Chinesen an? Tee?
Ha! Schon wieder so ein Klischee! Herr Wu will Kaffee.
Während ich den Kaffee ordere, lasse ich Frau Büser in unserem Auslandsordner nachschauen. „Nein, Chinesen hatten wir noch nicht“, sagt sie, „aber Vietnamesen, ist das nicht dasselbe?“ Praktikant Mahmud findet noch einen Eintrag über Korea im Internet und das trägt ihm einige strafende Blicke der Übrigen ein.

„Lasst mal, ich werde Herrn Wu einfach fragen, was er alles will, ich bekomme das schon heraus. Vielleicht wird das eine sehr schöne und etwas exotische Zeremonie“, sage ich und gehe mit dem Kaffee zu Herrn Wu zurück.

Darauf gefasst, daß bunte Papierdrachen, Lampions und irgendwelche fremdländischen Kerzen- und Räucherzeremonien auf uns zukommen, frage ich ihn, wie er sich das Ganze denn vorstellt.

„Ganz normaaal!“

„Welche Religion gehören Sie denn an, Herr Wu?“

„Oh, das ist bei uns etwas kompliziert“, sagt er und ich bin mir in diesem Moment sicher, daß wir doch die Papierdrachen brauchen. Dann fährt er fort:

„Meine Fraaau ist nämlich evangelisch und ich bin kathoooolisch!“

Wie jetzt? Katholisch? Sowas gehört sich für einen anständigen Chinesen ja wohl nicht, oder?
Doch Herr Wu ist in dieser Hinsicht eine Enttäuschung auf der ganzen Linie. Er ist schon über 40 Jahre in Deutschland, schon als er zwei Jahre alt war sind seine Eltern aus China ausgewandert, erst nach England, dann nach Deutschland. Schon seine Eltern waren Christen und von der großartigen, jahrtausendealten chinesischen Kultur hat Herr Wu nicht viel mitbekommen. Wenn überhaupt, dann nur aus zweiter oder gar dritter Hand. In China war er nie wieder und will jetzt den katholischen Pfarrer von St. Josef, „So nimm denn meine Hände“, das „Ave Maria“ und einen Eichensarg.

Keinen Drachentanz, keine Lotusblüten, kein Räucher- und kein Feuerwerk…

Herr Wu, sie enttäuschen mich 🙁

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(©si)