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Hirtentanz – Mann musste Kopf ins Klo stecken

tibet

Ich bin groß und eher weniger gelenkig. Sport ist so ein Ding, das mir Unbehagen verursacht, vor allem dann, wenn ich Bestandteil dieses Sports sein soll. Das war schon als Kind so. Während Schulkameraden behende an einem Seil bis zur Decke der Turnhalle empor krabbelten, hielten mich Schwerkraft und das eiserne Gewicht in meinem Hintern unten. Ich umklammerte das Seil, und so sehr ich mich auch bemühte, ich kam nicht vom Boden weg. Merke: Damals war ich ein ganz dünnes Kind, man nannte mich Knochengestell oder Suppenkasper. Aber irgendwie machte mir da schon meine ostpreußische Verwurzelung zu schaffen, denn bekanntlich haben Ostpreußen ja besonders schwere Knochen.

Damit geht einher, daß ich mich als Kind zwar sehr gerne bewegte, rannte, tobte und kletterte, aber eben nur Freistil. Sobald eine nach Gummi und Schweiß riechende blaue Turnmatte dabei eine Rolle spielte, oder auch nur das Wort „Bundesjugendspiele“ als Dunstkreis des Bösen im Raume stand, verlor sich jede Lust an der Bewegung.
Das ist weitestgehend bis heute so geblieben.

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Eng damit verbunden ist die Tatsache, daß ich nicht gerne tanze. Ich habe zwar 1983 mal, gemeinsam mit der tollen Susanne, einen Wettbewerb im Disco-Fox gewonnen, aber erstens lag das an Susanne, zweitens war die Konkurrenz weit über 70 Jahre alt und drittens hat wahrscheinlich keiner bemerkt, daß ich mitgetanzt habe.
Einerlei, ich bin Disco-Fox-König und hüte die entsprechende Urkunde wie meinen Augapfel.
Ansonsten beherrsche ich den ostpreußischen Schieber, jenen Tanz der alten Männer, den man zu Walzerklängen ebenso absolvieren kann, wie zu Marschmusik und Rock ’n Roll.
Mit anderen Worten: ich bin kein Tänzer.

Und wenn die Allerliebste mich mal wieder damit aufzieht, daß ich auf der Tanzfläche eher wirke wie ein betäubter Amboß und daß meine Bewegungen einer ‚Schnürlesbupp‘ (auf Allgemeindeutsch: Marionette) gleichen, dann sage ich immer, daß ich nun den nordtibetanischen Hirtentanz aufführen möchte.
Der soll unterstreichen, daß ich sehr wohl zu eleganten und zur Musik passenden Bewegungen fähig bin.

Es ist auf ewig bei der Androhung meiner Tanzvorführung geblieben. Die Allerliebste winkte jedesmal ab oder ergriff die Flucht.

Heute Morgen, mich trieb die präsenile Bettflucht aus den Federn, wollte ich die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und meiner Allerliebsten endlich den nordtibetanischen Hirtentanz vorführen.

Seit Monaten habe ich da so eine zusätzliche Idee für einen hemmungslosen Paarungstanz, der Elemente aus dem Südkaukasus und aus Nordtibet gleitend miteinander verbindet. Ich habe sogar schon Stroh gesammelt, um mir das passende Baströckchen bauen zu können und meinen Kopf würde bei diesem Tanz eine rote Schnabelmütze zieren, nicht unähnlich den Schlumpfmützen.

Immer wieder habe ich die Allerliebste darauf angesprochen und wollte den Tanz vorführen. Doch immer wieder lehnte sie dankend ab. Mal wollte sie die Nasenflöte nicht hören, mal hatte sie gerade gesaugt und wollte nicht daß ich alles voller Stroh mache. Jedenfalls bin ich schon ganz frustriert.

Als ich mich heute aus um 4.30 Uhr dem Bett schleiche, fragt sie ganz verschlafen: „Liebster, wohin gehst du?“

Ich sage: „Schatz, heute wird es wahr, ich geh‘ schon mal und bereite alles vor, damit ich dich mit dem Hirtentanz erfreuen kann, wenn du aufstehst! Freue Dich! Lobpreise den Herrn! Der Hirtentanz kommt.“

„Steck den Kopf ins Klo und ersäuf dich!“, raunzt sie mich an.

Frage an meine mitlesenden Geschlechts-, Schicksals- und Leidensgenossen: Ist das fair?

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    Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

    Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

    Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

    Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 8. März 2017

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    11 Kommentare
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    Nebulak
    7 Jahre zuvor

    Genial geschrieben! Danke

    Georg
    7 Jahre zuvor

    Eheweib und Fair passen nie zusammen

    Stefan
    7 Jahre zuvor

    Das erinnert mich an einen HERREN-T-Shirt-Aufdruck:

    ‚Ich tanze so schlecht, dass meine Kumpels von der Waldorfschule jahrelang dachten, ich heiße Renate‘

    Llu
    7 Jahre zuvor

    Mehr als fair. 😀

    Winnie
    7 Jahre zuvor

    Im Klo ersäufen ist nicht schön. Stürze Dich aus dem Kellerfenster. 😉

    hajo
    7 Jahre zuvor

    „Bundesjugendspiele“
    gab’s das in Deiner Kindheit/Jugend schon? 😀

    hajo
    Reply to  Peter Wilhelm
    7 Jahre zuvor

    @Peter Wilhelm: jau, lieber Peter, aber das Eine (Verein) schliesst das Andere (Bundesjugendspiele) nicht aus 😀
    (so jung bin ich ja auch nicht mehr 😉 )

    Glückauf
    7 Jahre zuvor

    Sicher war „Steck den Kopf ins Klo und ersäuf dich!“ als Methapher gemeint für „Verschandle Dein Engelsgleiches, filligranes Antliz nicht mit Stroh“. Niemals würde ein Ostpreusischer Grobschädel diese art von Feiheit aufweisen, welche nötig ist um sich in einem WC westeuropäischer Bauart zu „ersäufen“. Selbst der von mir favorisierte Flachspüler (ich hasse 2 Dinge, BVB und wenn mir das Wasser beim Kac… an den Ar… spritzt) böte diesen spielraum nicht.

    turtle of doom
    7 Jahre zuvor

    Der einzige Tanz, den ich kann, ist ein simples „Laufen – Position einnehmen – Spielaktion ausführen“…




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