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Jeder hat mal Feierabend

Klar, kenn ich. Ich habe auch immer Feierabend gehabt, wenn dann nachts noch Leute angerufen haben und ganz schnell, dringend und eilig ihren toten Opa abgeholt haben wollten.
Ist ja kein Problem, mitten in der Nacht aufzustehen, sich halbwegs menschlich herzurichten und anzuziehen, verschlafen durch die Nacht zu gurken, schlecht beleuchtete Hausnummer abzusuchen, um dann 90 Kilo vier Stockwerke runterzuschleppen.

Aber was macht man nicht alles, es ist ja schließlich der Beruf.
Niemals hätte ich es mir erlaubt, zu sagen: Rufen Sie jemand anders an, ich kann jetzt nicht.
Das würde man schon nicht sagen, weil man sich natürlich auch den Verdienst nicht entgehen lassen will.

Was aber wenn man Arzt ist. Wenn es um ein Leben geht. Muß man dann schnell mal eben um die Ecke kommen? Nur zwei, drei Straßen weiter einem Lebewesen helfen?
Ja sicher, wird jeder jetzt sagen. Die haben ja den Eid des Hippokrates geschworen. Die müssen!

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Bei einem Menschen, der in Not ist, wird das vielleicht so sein. Da kann sich jeder Arzt aber auch darauf berufen, daß man ja jederzeit einen Notarzt und Rettungswagen anrufen kann.

Doch wie ist das bei Tieren?

Was ist, wenn ein fast 14 Jahre alter Hund, der dem lieben Herrn Tierdoktor schon so manchen Euro eingebracht hat, im Sterben liegt?
Ein Viertel meines Lebens hat mich der Hund begleitet, es ist mein fünfter Hund, ich hatte teilweise drei gleichzeitig.
Auf allen Ausstellungen war er stets der Sieger, hat so viele Pokale gewonnen, daß ich eine ganze Fußball-WM damit ausrüsten könnte, selbst wenn jede Mannschaft drei Pötte kriegen würde.
Mit den Urkunden die „Condors Flight of Momoland“, wie der richtige Name unsere Tibors lautete, gewonnen hat, könnte ich das ganze Haus tapezieren.
Inzwischen war er taub geworden, lief nicht mehr gerne und stank hin und wieder aus dem Maul und furzte uns die Bude voll.
Das hat uns alles nicht gestört, mehr muß ein alter Rüde auch nicht mehr können, um geliebt zu werden.

Und seine Liebe hat er uns jeden Tag gezeigt, indem er tapfer bis zum Schluß jeden erreichbaren Papierkorb ausgeräumt und alles in kleine Fetzen zerbissen hat.
Einmal ist er mit seinem Kopf im Schwingdeckel des Mülleimers stecken geblieben:

tibordeckel

Ich war dabei einen Schrank aufzubauen und nur mal eben weggefahren, um ein paar Bretter zu holen, deshalb liegt das Werkzeug da auf dem Bild herum.
Als ich wiederkam, saß der Labrador mit bedröppeltem Gesichtsausdruck (ja, sowas haben Hunde) im Wohnzimmer und hatte den Deckel des Mülleimers als Halsschmuck um.

Tja, nun war er also alt geworden, und es war absehbar, daß er nicht mehr so lange leben würde.

Am Montag fing es dann damit an, daß er am laufenden Band kotzen mußte und zwei Näpfe voll Wasser leer getrunken hat.
Dann legte er sich unten im Hausflur vor die Haustüre und begann schwer zu atmen.
Danach bekam er Krämpfe und zuckte und jaulte.

Das war der Zeitpunkt, als ich es nicht mehr mit ansehen konnte.
Irgendwie hatte sich unsere Hündin Maja ganz komisch verhalten und sich an ungewohnter Stelle hinten in meinem Büro verkrochen. Hunde haben ein ganz anderes Gespür als wir Menschen.
Mir war klar, daß Tibor sterben würde, aber ich hatte gedacht, der schliefe einfach ein.
Doch dem war nicht so. Irgendwas verursachte ihm Schmerzen und das ist der Zeitpunkt an dem der Tierarzt dann beim Sterben helfen muß.

Ich rufe den an, sage ihm unter Tränen was los ist und bekomme um 16 Uhr die Antwort: „Dafür habe ich heute keine Zeit mehr.“

Der wohnt nicht weit weg, auch seine Praxis ist nicht weit entfernt.
Ich solle doch den Notdienst in Mannheim anrufen. Mannheim ist groß und wie lange jemand von Mannheim brauchen würde, um dem Hund schnell helfen zu können, damit er nicht länger leiden muß, das war sehr fraglich.

Dann fiel mir ein, daß eine Nachbarin mir mal von einer mobilen Tierärztin berichtet hat, die (fast) alles zu Hause bei den Leuten macht. Also habe ich die angerufen.
Die gute Frau hat sich auch sofort auf den Weg gemacht und war 15 Minuten später da.
Leider oder vielleicht auch Gott sei Dank war es da für Tibor schon vorbei.

Ich habe noch einen Zettel, eine Todesbescheinigung von ihr bekommen, für die Hundesteuerstelle…

Danach kam der Tierbestatter. Ein netter Mann. Er brachte eine Decke und einen Plastikkorb für Tibor mit, ist sehr liebevoll mit ihm umgegangen und hat ihn mitgenommen.
Jetzt wird er eingeäschert und bekommt seinen Platz mit der Asche anderer Hunde irgendwo auf der grünen Wiese des Krematoriums-Tiefriedhofs.

Tja, das war’s dann.

Ist ja bloß ein Hund.

Jetzt mach mal halblang Dicker, das ist hier das Bestatterweblog, wie siehts denn mit den Fortsetzungsgeschichten aus? Mach mal hinne und gib Gas mit deinen Artikeln. Von nem toten Köter will hier niemand was lesen, das kannst du privat blogen aber nicht hier.
Das ständige Gejammer und Geheule wegen dies und dem geht mir auf den Senkel. Mensch, das war bloß ein Hund, nichts weiter als ein Tier, eine Sache. Oder machst du auch son Theater wegen jedem Tier das wegen eines Steaks oder Schnitzels für dich sterben muß. Heute schon bei McDonals gewesen?
Beruhig dich mal wieder und lass den Hund jetzt in Frieden ruhn. Leben geht weiter!

Ja, vielen Dank, Du Arsch.

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