Menschen

Kutteln

Jawoll, die Schwaben haben was an der Waffel. Das behaupte ich nicht und niemals pauschal, aber ich gelangte partiell und momentan zu dieser Erkenntnis, als MacKaber ganz aufgeregt von einem Bein aufs andere trippelte und verkündete, er wolle jetzt den Vormagen eines Wiederkäuers essen.

Gut, so hat er das nicht gesagt, er sagte vielmehr: „Ui, da hen sie Kutteln, die ess ich jetzat!“

„Kutteln?“ fragte ich erstaunt zurück und hatte eine Fehlassoziation, denn vor meinen Augen sah ich die Hoden irgendeines Säugetieres gekocht auf einem Teller liegen. „Bääääh!“

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„Nix Bäh, die sind lecker, ei die sind fein.“

„Kutteln, das sind doch die Klöten von irgendeinem Tier, vom Hund oder vom Schaf oder?“

„Na hör einmal, sowas würde ich doch nicht essen.“

„Ja, was sind Kutteln denn dann?“

„Des isch eine Delikatesse, wann die richtig gemacht sin‘ schmecket die wunderbar.“

„Aber aus was sind Kutteln gemacht? Sind das keine Hoden?“

„Iwo! Das ist Fleisch vom Tier.“

„Von was für einem Tier?“

„Von der Kuh.“

„Und welches Teil von der Kuh sind diese Kutteln nun ganz genau?“

„Vom Magen.“

Nun gut, als Kind bin ich mehrfach in die Verlegenheit gekommen, in der Hühnersuppe meiner Mutter Stücke vom Hühnermagen mitessen zu müssen und Magen an sich, das hört sich ja nicht besonders schlimm an.

Losgegangen war der Dialog zwischen MacKaber und mir, als wir vor einem Gasthaus standen, das ein Schild mit der Aufschrift „Frische Kutteln hausgemacht“ rausgestellt hatte und als MacKaber dessen angesichtig geworden war, trippelte er wirklich leicht nervös von einem Fuß auf den anderen: „Los, lass uns Kutteln essen gehen, die sind arg fein, Du wirst schon sehen.“

„Ich würde aber schon gerne wissen, was für ein Teil von der Kuh das ist.“

„Rindfleisch“, lautete KacKabers kurze Antwort und schon zog er mich in das Lokal.
Die mehr als vollbusige Bedienung entpuppte sich bei näherem Hinsehen als etwa 60jähriger Kellner und ich konnte überhaupt nicht begreifen, wo dieser Mann diesen Busen her hatte. So etwas hatte ich überhaupt noch nicht gesehen, kommt das vom Biertrinken? Östrogenvergiftung? Jedenfalls hatte dieser Mann Brüste unter seinem Hemd, die jedes junge Mückenstichgirlie neidisch gemacht hätten. Was es nicht alles gibt.

MacKaber hatte in Windeseile in seiner Stammessprache zwei Portionen Kutteln bestellt und schon wenig später stand ein riesiger eiserner Topf mit bräunlicher Soße vor uns. Zwei Teller, Besteck und es konnte losgehen.
Aus der Soße fischte MacKaber mit einem Löffel helle Streifen heraus, die gummiartig wabbelten. Hm, dachte ich, die sind bestimmt in der Küche aus Versehen da reingefallen, spricht ja nicht gerade für Küchenhygiene.

Aber nein, der Kleine häufte sich etliches von dem Gummigekröse auf den Teller, tat noch etwas von der Soße dazu, nahm aus einer anderen Schüssel Sauerkraut, von einem Teller einen dicken Knödel und aus einem Schüsselchen dickgekochte Linsen. „Ei, riecht das fein“, jubelte er und steckte sich dann ein paar von den Gummistreifen in den Mund.

Ich sag jetzt mal, das sah aus, wie in Streifen geschnittene Wärmeflasche aus hellbeigem Gummi und so wabbelte auch ein Zipfelchen, das aus seinem Mundwinkel hing, bevor er es mit sichtbarem Behagen einsaugte.
„Am Beschten isses, wann man die so schlozze kann, also einsaugen, zerbeißen und genießen.“

Ein bißchen Knödel und etwas von der Soße sollten mir zunächst reichen, denn zu ungewiss war mir noch die Herkunft dieser Speise.
Zehn Stunden müsse man die kochen, dann wäre sie erst recht. Das könne auch nicht jeder Metzger, denn wenn man das falsch mache, dann „stinket die und sin‘ net schlozzig“.

„Bitte, von was für einem Teil der Kuh ist das? Magen, ja gut, aber was genau?“

Endlich kam er mit der vollen Wahrheit heraus: „Des sin‘ die Pansen!“

Pansen! Das kenne ich! Ich kenne das als getrocknete braune Streifen, die so übelriechend sind, daß es einen an die Scheißhaustür des Oktoberfestes erinnert und Pansen ist getrockneter Vormagen vom Rund und das gibt man Hunden. Und meinem Hund habe ich auch schon mal Pansen gekauft, aber da wo die (vakuumverschweißt!) liegen, da stinkt es nach fauligem Brack.
Wenn er (der Hund) sie frißt, dann verbreitet sich ein Geruch, der eine Mischung aus Scheiße, Verwesung und Jauche ist und nach dem Genuß der Pansenstreifen stinkt das arme Tier aus dem Maul und furzt sich schier um den Verstand.

Und sowas soll ich jetzt essen? Sowas ißt mein Freund gerade? Oh nein, oh Grundgütiger!

„Pansen? Um Himmels Willen! Sowas kann man doch nicht essen!“

„Ei freilich kann man des esse‘. Elles was der liebe Gott in die Tiere reingetan hat, des kann ma‘ auch rausnehme und was Leckeres davon machen, Hauptsache es isch schlotzig!“

Wieder zappeln etliche der Gummiwürmer auf seine Gabel und wandern dann in seinen Mund, er verdreht vor kulinarischer Wollust die Augen und stöhnt vor Wohlbehagen: „Legger!“

Gut, ich gebe zu, es hat am Tisch nicht merkwürdig gerochen, nicht nach Scheißhaustür, nicht nach verwesendem Hundefurz, aber ich konnte das Gewürgs beim besten Willen nicht anrühren…

Seltsamerweise schien sich der missionarische Eifer meines vormagenfutternden Gegenübers in Grenzen zu halten. Nur zweimal noch versuchte er mich ebenfalls zum Genuß dieser gekochten Darmschleimhaut zu überreden, aber dann verließ ihn jegliche diesbezügliche Energie und er zog den eisernen Topf weiter zu sich her, um in recht kurzer Zeit sämtliche Wärmflaschenfragmente herauszupicken und aufzuessen.

Pansen!

„Ei, mir henn’se g’schmeckt!“ sagte er, wischte sich den Mund ab und strahlte über das ganze Gesicht.

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(©si)