Branche/Kommune

Mit dieser Unterschrift können Sie mich sonstwo knutschen

Willy Brandts Unterschrift Quelle: Wikipedia

Willy Brandts Unterschrift
Quelle: Wikipedia

Bei uns wird ja der Mann vom Krematorium, dessen Bruder einen der Friedhöfe verwaltet, nur „die Qualle“ genannt. Der Dicke mit stets kalten Zigarre im Mund hat eine besondere Form der deutschen Sprache entwickelt, die ohne Prädikat, Subjekt und Objekt auskommt und sich ansonsten auf das Grunzen von Halbsilben beschränkt. Wenn der Qualle etwas nicht paßt, ja dann knallt sie einem einfach vor der Nase die Tür wieder zu und man steht so hilf- und ratlos da, als versuche man mit Google, Amazon oder Ebay einen sinnvollen Kontakt zustande zu bringen.

Man muß als Bestatter dann selbst herausfinden, was dem watschelnden Dickmops nicht gefällt, auf Verdacht irgendwas vermeintlich in Ordnung bringen und hoffen, daß beim nächsten Klingeln der nicht artikulierte Mißstand beseitigt ist. Hat man Glück, tritt der Mops dann wortlos an die Seite und gibt den Weg ins Allerheiligste frei.

Manchmal stößt man aber in anderen Städten auf noch seltsamere Gesellen der einäschernden Fraktion.

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Der Vater eines Lesers war im Alter von nur etwas über 50 Jahren plötzlich verstorben, hatte einen gewissen Leidensweg gehabt und die Familie war verständlicherweise nicht für un- oder schlecht artikulierende Krematoren empfänglich. Nein, in so einer Situation möchte man, daß der letzte Weg des Verstorbenen von einer störungsfreien, sozusagen geschmeidigen Reibungslosigkeit begleitet ist. Damit das so ist, bedient man sich eines erfahrenen Bestatters, der sich auskennt und alles, was den Angehörigen wie Ecken, Kanten, Hürden und Unüberwindlichkeiten vorkommt, aus dem Weg räumt, damit sie Zeit zum Trauern haben und nicht durch subalterne Figuren, die sich in dieser Situation gerne wichtig machen, gestört werden.

Auf eine solche subalterne, aber wohl auch von Selbstüberschätzung strotzende Person traf man im Krematorium einer Ruhrgebietsstadt. Und bei dieser Bewertung dieser Person handelt es sich nicht um die Bewertung der Frage, ob sie in der Sache Recht hat oder nicht, sondern um die Bewertung des geschilderten Tonfalls und der Wortwahl.

So schildert uns ein Leser des Bestatterweblogs die Begebenheiten:


„Weil meine Mutter nach Jahrzehnten als Beamtin im Staatsdienst irgendwann in der Unterschrift ihren Namen Christa Jaroslaczinky* etwas verschliffen hatte, war eine Unterschrift dabei herausgekommen, die sich gerade noch als Chr…. Jaros…. entziffern lässt, der Rest geht in einer Schlangenlinie unter.
Dieser Herr S. vom Krematorium meinte nun also sich anmaßen zu müssen, er dürfe entscheiden, das dies keine Unterschrift sei und rief prompt beim Bestatter an, um der Dame das mitzuteilen.
Diese rief daraufhin bei mir an und schilderte mir diesen Sachverhalt, nicht ohne klar zu machen, wie albern sie das ganze findet. Daraufhin rief ich bei besagtem Herrn an, um ihn zu bitten, mir zu erklären, was denn genau sein Problem sei. Wohlgemerkt alles in freundlichem Tonfall.

Das folgende ist ein Gesprächsprotokoll:

Herr S.: „Ja, also dieses Geschmiere, das geht ja gar nicht, da kann man nicht den Namen lesen, da könnte auch “Schei**” stehen oder sonst was. Nein, das kann ich nicht akzeptieren, da verliere ich ja meine Reputation wenn ich das so akzeptiere!“

Ich: „Entschuldigen Sie, aber finden Sie es nicht etwas anmaßend, dass Sie sich hier über das Land NRW stellen, die diese Unterschrift seit 35 Jahren auf dem Ausweis meiner Mutter akzeptieren? Außerdem würde ich Sie bitten, doch etwas pietätsvoller mit mir zu sprechen. Wir reden schließlich gerade über die Verbrennung meines Vaters.“

Er: „Ich geb’ Ihnen was mit Pietät! Das ist eine rein geschäftliche Angelegenheit, da kann mich die Pietät mal sonst wo knutschen! Und da sieht man ja das Sie nur ein Dummschwätzer sind und keine Ahnung haben, verbrennen können Sie den Kerl im Lagerfeuer, hier wird nur eingeäschert!
Ne, das kann ich nicht akzeptieren, da verliere ich ja meine Reputation und könnte eine Dienstaufsichtsbeschwerde riskieren, wer bin ich denn!“

Ich, deutlich angesäuert über das eben Gesagte: „Hören Sie mir mal gut zu, Herr S., die Dienstaufsichtsbeschwerde riskieren Sie gerade auch so. Warten Sie nur bis meine Mutter das zu hören kommt, da brennt ihnen der Ar***!“

Er, mit ignorantem Tonfall: „Ja, soll se doch versuchen, hab ich keine Angst vor! Das Geschmiere akzeptiere ich jeden falls nicht! Ende des Gesprächs! *klick*“

Nachdem ich mich dann beruhigt hatte erzählte ich meiner Mutter von dem Vorfall, worauf sie nochmals dort anrief. Herr S. lies sich aber nicht überzeugen, maulte auch meine Mutter an, er verlange eine Legitimation, sonst würde er die Kremation ablehnen.
Gut, sollte er bekommen. Muttern füllt also alle Formulare beim Bestatter nochmal aus und unterschreibt in Druckbuchstaben wie ein Erstklässler die Formulare. Dienstaufsichtsbeschwerde beim Oberbürgermeister der Stadt ist bereits raus. Mal sehen wer am längeren Hebel sitzt.


Soweit die Schilderungen des Lesers.

Damit man sich eine Meinung dazu bilden kann, hier der entsprechende Passus zum Stichwort „Unterschrift“ aus Wikipedia:

Anforderungen an die Lesbarkeit

Der Personenname muss als Name erkennbar sein, mindestens müssen Andeutungen von Buchstaben zu erkennen sein, sonst fehlt es am Merkmal einer Schrift. Schrift sind alle Zeichen, die dazu bestimmt sind, einen beliebigen Gedankeninhalt für andere lesbar zu machen. Dabei ist die vollständige Lesbarkeit einer Unterschrift jedoch nicht erforderlich. Die Unterschrift muss bei Unleserlichkeit wenigstens einen individuellen Charakter aufweisen. Das Schriftzeichen muss einzelne individuelle Merkmale enthalten. Nicht rechtswirksam sind senkrechte oder schräg nach oben oder unten gezogene Striche, Wellenlinien oder gekrümmte Linien. Erforderlich, aber auch ausreichend ist ein die Identität des Unterschreibenden hinreichend kennzeichnender individueller Schriftzug, der einmalig ist, entsprechend charakteristische Merkmale aufweist und sich als Wiedergabe eines Namens darstellt. (…)

Der BGH hat die Bedingungen, die an eine Unterschrift zu stellen sind, wie folgt zusammengefasst: „Eine Unterschrift setzt ein aus Buchstaben einer üblichen Schrift bestehendes Gebilde voraus, das nicht lesbar zu sein braucht. Erforderlich, aber auch genügend ist das Vorliegen eines die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzuges, der einmalig ist, entsprechende charakteristische Merkmale aufweist, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt.“ Unterschiedlich beurteilt wird die Frage, ob und inwieweit einzelne Buchstaben – wenn auch nur andeutungsweise – erkennbar sein müssen, weil es sonst am Merkmal einer Schrift fehlt. Wenn lediglich ein Buchstabe erkennbar ist und darüber hinaus keine ausreichenden individuellen Merkmale hervortreten, erfüllt das nicht die Voraussetzungen einer Unterschrift. Wird eine Erklärung mit einem Handzeichen unterschrieben, das nur einen Buchstaben verdeutlicht, oder mit einer Buchstabenfolge, die erkennbar als bewusste und gewollte Namensabkürzung erscheint, liegt keine Namensunterschrift im Rechtssinne vor. Ob ein Schriftzeichen eine Unterschrift oder lediglich eine Abkürzung (Handzeichen, Paraphe) darstellt, beurteilt sich nach dem äußeren Erscheinungsbild; dabei ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, sofern die Autorenschaft gesichert ist. Steht nach § 440 ZPO die Echtheit der Namensunterschrift fest, so hat die über der Unterschrift stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich.

* Name sinnvoll geändert

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    Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 30. Oktober 2012

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