Wer hier mitliest, der weiß, daß eines meiner Ziele, die ich mit diesem Weblog erreichen will, darin besteht, daß ich die Menschen über den Beruf des Bestatters aufklären möchte. Kaum jemand hat ja auch nur die geringste Ahnung, was Bestatter überhaupt machen.
Gestern Abend lief in der ARD ein sehr eindrucksvoller Doku-Spielfilm über das ICE-Unglück von Eschede. Man erfuhr, daß Retter, Ärzte und auch Bestatter, ja sogar die Notfallseelsorger, an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit -und darüber hinaus- gelangten. Viele sind zusammengebrochen, viele leiden noch heute unter den immer wiederkehrenden Bildern von den Ereignissen an jenem Tag.
In diesem Zusammenhang ist mir bewußt geworden, was ich schon alles erlebt und gesehen habe und ich habe so ein wenig das Gefühl bekommen, daß manches hier im Weblog zu harmlos erscheint. Deshalb will ich einfach mal erzählen, daß wir nicht immer nur „die schöne Leich'“ haben, die in hohem Alter friedlich eingeschlafene alte Dame oder den Greis, jenseits der 90, der vor dem Fernseher zusammengesunken ist.
Allein schon unter den ganz normalen Haussterbefällen ist ein gewisse Prozentsatz, der auch hartgesottenen Bestattern zu schaffen macht. Sei es, daß der Verstorbene lange unbemerkt in der Wohnung gelegen hat, sei es daß es zu übermäßigen Kontaminationen mit Blut, Exkrementen oder Erbrochenem kam oder daß der Verstorbene selbst im Haushalt aus einer sehr schwierigen Lage geborgen werden muß.
Man sollte diese Seite einfach auch mal beleuchten, damit nicht der Eindruck entsteht, das sei ein Job in Rosa. Ich merke das auch ein bißchen an den Zuschriften. Viele jüngere, aber auch ältere Leute schreiben mir, daß sie durch mein Weblog Interesse an einer Tätigkeit in der Branche entwickelt haben. Das ist gut so, das ist auch so ein beabsichtigter Nebeneffekt.
Ich sag’s nochmal: Wenn ich erzähle, daß ich Bestatter bin, zucken viele zurück, keiner kann sich vorstellen, sowas zu machen und dann, nach einer halben Minute, gehen die Fragen los. Jeder hat da irgendeine Frage, irgendein Problem oder wollte schon immer mal was ganz Bestimmtes wissen. Das Interesse ist also da, nur wissen die Menschen nichts über unseren Beruf.
Daß ich nicht viel von den weniger schönen Seiten erzähle, liegt in der Natur der Sache und hat verständlicherweise gleich mehrere Gründe. Zum einen möchte man ja – speziell hier im Weblog – die Leute nicht immer wieder durch Schreckensberichte schocken, zum anderen ist aber wirklich so, daß diese „schrecklichen“ Ereignisse nur einen kleinen Prozentsatz an den gesamten Sterbefällen ausmachen. Sie würden aber ganz besonders im Gedächtnis haften bleiben, weil sie besonders eindrucksvoll sind und würden unter Umständen das Bild von der Tätigkeit eines Bestatters sehr ungünstig in einem völlig falschen Licht darstellen.
Vermutlich hat jeder Beruf seine Schattenseiten, stellte man aber nur diese da, würde man jedermann abschrecken.
Ließe man sie aber gänzlich weg, entstünde ebenso ein falsches Bild.
Nicht nur bei den Haussterbefällen kann es unangenehme Ausnahmen geben, auch und sicherlich viel häufiger ist das bei den „Abholungen“ aus Krankenhäusern der Fall. Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen ist das nämlich nicht so, daß das Pflegepersonal den Verstorbenen liebevoll wäscht, einkleidet, ihm die Hände faltet, Augen und Mund verschließt und ihn so den Angehörigen nochmal präsentieren kann. Die Regel und ganz normaler Alltag ist es, daß wir von den Krankenhäusern Verstorbene übernehmen, die voll mit Schläuchen und medizinischen Zugängen sind. Manche sind auf dem OP-Tisch verstorben und man kann froh sein, wenn die Operationsstelle wenigstens notdürftig wieder verschlossen wurde.
Am eindrucksvollsten aber sind, und das liegt klar auf der Hand, die Einsätze, die uns zu den Schauplätzen von Unfällen oder Verbrechen führen. Einmal vollkommen davon abgesehen, daß die durch den Unfall verursachten Verstümmelungen wenig angenehm sind, so ist auch noch zu berücksichtigen, daß der Sensenmann sich ja – abgesehen von den üblichen Ausnahmen – schon in den meisten Fällen wenigstens beim natürlichen Tod an die Spielregel hält und hauptsächlich die Alten holt.
Bei Unglücksfällen ist das anders, da kann es jeden treffen, alt, jung, hübsch, häßlich, Mann, Frau, Kinder, Säuglinge…
Bei Verkehrsunfällen hat man es, bedingt durch Rückhaltesysteme und Airbags, aus meiner subjektiven Sicht etwas weniger mit gräßlich verstümmelten Leichen zu tun. Die Körper sind weitestgehend intakt und dennoch waren die Unfallfolgen, z. B. Genickbruch, tödlich. Man steht dann wirklich fassungslos vor den viel zu jung verstorbenen Menschen und fragt sich, ob das denn sein mußte.
Gerade jetzt da das Wetter besser wird, haben wir es wieder mit Motorradfahrern zu tun. Man möge mich korrigieren und ich weiß, daß es unter den Lesern einige gibt, bei denen es anders ist, aber ich behaupte einfach mal, daß die wenigsten Motorradfahrer aus zwingenden Gründen mit ihrem Zweirad unterwegs sind. Für die allermeisten ist es die schönere Variante der Fortbewegung, ein Hobby, ein Freizeitspaß. Und dann sein Leben gerade bei einer solchen Sache lassen zu müssen, auf die man sich gefreut hat, die einem Spaß bereitet… das finde ich besonders bitter.
Ich wollt’s nur mal erzählt haben.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: immer, Lektorin A, nicht
Jaja, die Mopedtreiber… oder auch liebevoll „mobile Organspender“ genannt.
Wenn man dann von einer Bekannten hört, die als Anästhesistin Notfälle auf den Tisch bekommt, dass ein Motorradfahrer auf ihrem Tisch 50 Blutkonserven gebraucht hat und das schon sein dritter schwerer Unfall war, kann man sich nur wundern…
ich habe den Bericht gesehen und musste sofort an dich denken.
Obwohl ja als Zuschauer der Doku eine gewisse Distanz da ist, hat mich der Film doch sehr mit genommen und ich habe mich gefragt, ob man das denn tatsächlich irgendwann wieder aus dem Kopf bekommt? Einer sagte ja im Interview, dass der Bestatter weinend zu ihm gekommen wäre…
Ich hoffe sehr, dass ich nie in eine solche Situation komme und ein so grausames Unglück „live“ erleben muss.
Mein Vater hat auch immer aus seiner Reha erzählt (Querschnittslähmung, bei ihm wars aber kein Motorradunfall). Sobald schönes Wetter war, war wieder Hochbetrieb in der Klinik (nicht nur zur Reha, sondern auch OPs von Unfallopfern).
Ich bin einer derjenigen denen klar ist, dass Bestatter nicht unbedingt der tollste Job der Welt sein muss. Das liegt aber auch daran, dass mein bester Freund beim Bestattungsunternehmen eines Kumpels (bzw. dessen Vater) in der Dienstbereitschaft ausgeholfen hat. Manche seiner Stories haben mich darin bestätigt, dass das Abholen des Leichnams nicht zu meinen angestrebten Tätigkeiten gehören wird. Ich finde es auch gut, dass du dir in deinem Blog die ganzen unappetitlichen Details ersparst und nur auf das menschliche der Geschichten eingehst. Das hält dann wenigstens die Gore-Fans auf Abstand.
bzgl.
Krankenhäuser,
ich weis es ja nicht wie es in DE ist,
aber in Österreich muss (Gesetz) bei einem Todesfall in einem KH
jede Kanüle,Tubus etc. für die Gerichtsmediziner oder Leichenbeschauer alles drinnen belassen werden.
Auf meiner Station geben wir uns Mühe, den Angehörigen den Patienten in einem Zustand zu präsentieren, der angemessen ist. Verstorbene werden bei uns „entstückt“, sprich, von allen „Schläuchen“ befreit, die eventuell entstandenden Wunden verschlossen und verbunden.
Ist während des Sterbens / der Reanimation nicht massenhaft Blut geflossen, werden dem Verstorbenen Gesicht, Hände und Arme gewaschen, das Kinn hochgelagert, Flügelhemd angezogen und gut ist.
Warum sollte der Verstorbene von uns weiterführend eingekleidet und „liebevoll gewaschen“ werden? Dafür gibt es eine Berufsgruppe, die dafür Geld bekommt.
Außerdem kommt ja oftmals noch die Patho, da lohnt sich das nicht.
Übrigens: Im OP wird nicht gestorben, das gibt schlechte Statistiken. Die Todeszeit liegt eigentlich immer nach Ende der OP, der Patient „verstirbt“ dann in der Ausleitung oder auf Intensivstation.
@Matze: Es ist keinesfalls mit einer Forderung oder wünschenswerten Vorstellung von mir verbunden, daß das Pflegepersonal die Verstorbenen „liebevoll wäscht“ oder irgendwie ankleidet. Das machen wir sowieso.
Das war/ist nur eine Reaktion auf die in den Kommentaren immer wieder vorgetragene Behauptung: „Bei uns wird jeder Verstorbene liebevoll gewaschen und das ist ja wohl in D überall so.“
Ist es eben nicht.
Jaja, das machen natürlich alle so. Genauso wie alle sich täglich stundenlang für jeden ihrer 40 Patienten individuell Zeit nehmen. Genauso wie alle hygienisch Verbände wechseln, immer freundlich sind und immer hilfsbereit einspringen wenn jemand krank wird.
Schon klar… Wir sind eben ein tolles Berufsfeld 🙂
Also ich denke, dass den meisten Lesern schon klar sein wird, dass dein Beruf auch unangenehme Seiten (Verstorbene) hat.
Mein Freund ist Polizist (hat sehr zustimmend über die „selbstgekaufte Taschenlampe“ genickt) und hat auch des Öfteren mit Todesfällen zu tun.
Diese sind in der Regel keine gewöhnlichen Sterbefälle, sondern Selbstmorde, Unfälle oder Morde.
In einem Fall musste er mit dem Bestatter den Verstorbenen aus dem zu kleinen Bad befreien, weil der Gehilfe des Bestatters zu dick war, um hinter den Verstorbenen zu passen. Das war wohl auch kein besonders schöner Einsatz, bleibt aber im Gedächtnis.
Wahrscheinlich ist es besser, dass du nur oder hauptsächlich die amüsanten, interessanten oder nicht gar so grausligen „Geschichten“ erzählst.
Aber auf jeden Fall bleibt zu sagen: Daumen hoch für deinen Blog! Bisher mochte ich so gut wie jeden Eintrag!
Die persönlichen Erfahrungen (oder auch das Fehlen derselben) kann sicher den Blick trüben. Mir ist aufgrund dieses Beitrages aufgefallen, dass ich mich immer aus der anderen Richtung her gewundert habe, also eher, dass die Toten in deinen Schilderungen zumeist doch recht intakt und ansehbar waren.
Das liegt an meiner Erfahrung mit der Gerichtsmedizin. Dort kommt kaum eine „schöne Leich“ hin, im Gegenteil, die sind verbrannt, verstümmelt, blutig oder verwest, und das hat mein Bild unbewusst geprägt. Dass dort nur die Toten hinkommen, die auf unnatürliche Art und Weise gestorben sind, ist klar, aber daran denkt man nicht automatisch, wenn man’s so gewohnt ist.
„(…), dass dein Beruf auch unangenehme Seiten (Verstorbene) hat“? @Kiki: Verzeihung, aber der Mann ist Bestatter. Ohne Verstorbene wird er kaum auskommen. Man sollte halt nur nicht vergessen, daß sein Beruf nicht immer das reine Zuckerschlecken ist, auch wenn es hier manchmal so rüberkommt.
die unanständigen motorradfahrer die ohne rücksicht auf verluste unterwegs sind wurden für diese saison schon „aussortiert“…
Eine Frage von mir, die ich bislang noch keinen Toten angeschaut habe:
Was sind eigentlich die „schlimmsten“ Leichen?
Bei Unglücksfällen wie Eschede Verstorbene, oder Tote, die wegen Unfall / Suizid verstümmelt sind oder Leichen in fortgeschrittener Verwesung?
Oder – ich erinnere mich, dass Tom hinsichtlich Angucken der Leiche mal etwas schrieb von einem Jungen, der nach Unterbrechung der Kühlkette in mehreren madenverseuchten Beuteln ankam – so etwas, was nur noch entfernt an den Menschen erinnert?
Ich meine, Tom hätte mal geschrieben, dass aus Sicht seiner Mitarbeiter Kinder die schlimmsten Fälle sind, noch vor zerstückelten oder verwesten Leichnamen.
Lasse mich da aber gern korrigieren 😉
@Matze: Du hast vergessen, unsere Unfehlbarkeit zu erwähnen; wir machen keine Fehler und haben kein Privatleben, das die Qualität unserer Arbeit in irgend einer Form beeinflussen könnte 😉
@samantha: Das ist mir wohl schon klar! Ich wollte damit sagen „unangenehme Verstorbene“ und meinte Unfallopfer, Verstümmelte Opfer etc!
Drei Freunde von mir sind auf dem Motorrad umgekommen. Alle unter 20 und alle unverschuldet, alle bei relativ niedrigen Geschwindigkeiten.
Ich steig sicher nicht auf son Ding.
Naja, ich denke, es gehört auch schon mal ein Beitrag mit einer richtig „heftigen“ Gegebenheit hierher. Sonst wird diese Bestatterwelt wirklich zu rosa und alle denken: „Och, mal schnell jemanden aus dem Bett in den Sarg gehoben und dafür die dicke Marie verlangen – was ein toller Job!“. Die Wirklichkeit sieht doch meist grausamer aus, wenn ich das richtig verstanden habe und dafür gebührt Dir alle Achtung. Mal eben einen „hübschen Toten“ (falls es sowas gibt) herzurichten, das könnten wohl viele.
Gerade als Moppedfahrer muss man seiner Verletzlichkeit im allgemeinen und seiner Sterblichkeit im Besonderen IMMER bewusst sein. Ich benutze mein Mopped sowohl als Hobby als auch als Fahrzeug, um ind Büro zu kommen, wenn die Straßen trocken sind, auch im Winter.
Auch einem »anständigen« Motorradfahrer kann alles Mögliche passieren, mit der eigenen Unaufmerksamkeit und der der anderen Verkehrsteilnehmer muss man immer rechnen. KEIN Motorradfahrer kann von sich behaupten, dass er immer alles im Griff hat, egal wie gut er fährt. Selbst bei 20 km/h ist ein alter Bekannter bei der Ausfahrt ums Leben gekommen.
Und kann sehe ich immer wieder mit schaudern, wenn ich die unverletzbaren Deppen auf ihren 150-PS-Stühlen sehe, in T-Shirt und Jeans einen Wheely bei 100 km/h durch den Ortskern machend. Protektoren? Watt is datten? Schutzkleidung? Viel zu warm, gehße ja kaputt drin.
Motorradfahren ist einfach gefährlich, stimmt, aber was soll ich sagen, es macht dennoch einen Heidenspaß
Natürlich es gibt sie die Toten, die nicht mehr oder kaum noch ansehbar sind. Doch ist es auch hier ein Zeichen von Reife und Eignung für diesen oder artverwandte Berufe. Wer damit am Stammtisch hausieren geht, und versucht damit Eindruck zu schinden hat wohl ein psychisches Problem.
Ob das aus Geltungssucht, oder Sarkasmus als Schutzpanzer oder was auch immer geschieht. Man spricht z.B. im Kollegenkreis informativ beim Schichtwechsel darüber, erwähnt es sachlich, doch ausmalen muß nicht sein.
Hallo,
habe die Doku leider nicht gesehen, wann lief die denn genau, und wie war der Titel?
Kann die dann über onlinetvrecorder noch anschauen.
Danke!
Ja grad das Motorradfahren ist schon gefährlich. Immer wenn ich ne Katze übersehen habe, oder mir mal ein Reh reinläuft usw. denk ich dran wies mitn Motorrad gwesen wär.