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Sauber bleiben

orgel

Wenn mein Schwiegervater zu Besuch kommt, dann sind die Themen Religion und Politik tabu. Da kann sich der Alte ja sowas von ereifern, daß er -sogar wenn man ihm gar nicht Contra gibt- mit hochrotem Kopf und geschwollenen Adern in Rage gerät.

Ähnlich kamen mir einige Reaktionen bezüglich des Fahrradfahrens mit oder ohne Helm und mit oder ohne Beleuchtung usw. vor. Weit über 100 sehr kontroverse Kommentare hat die bloße Erwähnung dieser Thematik mit sich gebracht.

Ein bißchen untergegangen ist dabei der kleine Fabian, der bei diesem Unfall ums Leben gekommen ist.

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Ganz schwer war das Zusammentreffen mit seinen Eltern. Die Mutter war überhaupt nicht in der Lage, irgendwelche Eindrücke um sie herum wahrzunehmen und es war unmöglich, daß sie Entscheidungen treffen konnte. Der Vater zeigte kühle Sachlichkeit und traf mit versteinertem Gesicht die notwendigen Absprachen. Auch eine Schutzreaktion, die man kennt.

Menschen, die einen nahen Angehörigen verloren haben, machen beim Bestatter oft den Eindruck, als seien sie klar und entscheidungsfest. Das ist aber in den wenigsten Fällen wirklich der Fall. Zum einen sind sie emotional schwer belastet, zum anderen haben sie es -oft zum ersten Mal in ihrem Leben- mit einer völlig unbekannten Materie zu tun.

Daraus ergibt sich der Grundsatz jedes anständigen Bestatters:

Wir sind uns bewußt, daß die Menschen, die zu uns kommen sich oftmals in einem die freie Willensbildung beeinträchtigenden Zustand befinden und wir verpflichten uns, diesen Zustand nicht auszunutzen.

Ich weiß, daß sich manche Kollegen aus reiner Profitgier nicht daran halten, bin aber der Meinung, daß die weitaus meisten Bestatter sich sehr wohl korrekt verhalten. Nur finden die vielen Tausend Bestattungen, die korrekt abgelaufen sind, keinen Eingang in die reißerischen Sendungen der Privatsender. So ein kleiner Skandal lässt sich da immer viel besser publikumswirksam vermarkten.

Es wäre für mich sehr leicht, nahezu jedem Kunden so ungefähr 1.000 bis 1.500 Euro zusätzlich aus der Tasche zu ziehen, ohne daß er Verdacht schöpfen würde. Aber meiner Meinung nach bringt das nichts, denn einerseits kommen die Leute ja früher oder später doch wieder zur Besinnung und andererseits bringt es mir nichts, wenn es heißt, bei uns seien die Bestattungen besonders teuer.
Man fährt auf Dauer immer am Allerbesten, wenn man den Ruf hat, daß man eine gute Leistung für einen angemessenen Preis anbietet.
Das muß nicht zwangsläufig immer der Superbillig-Preis sein, das erwarten die meisten Kunden gar nicht. Sie müssen aber hinterher das Gefühl haben, für ihr Geld eine adäquate Leistung bekommen zu haben.

Mir scheint es aber so, als ob manche der sogenannten Billig- oder Discount-Bestatter so knapp kalkulieren, daß es bei ihnen so in manchem Monat gerade zum Monatsende recht eng zugeht. Wir hatten hier mal einige Zeit mit Hillarius Hippenstiel zu tun. Der versuchte mit extrem günstigen Preisen die Kunden anzuziehen und war davon überzeugt, binnen kürzester Zeit quasi den gesamten Markt hier zu übernehmen.
Die Rechnung ging aber nicht auf und sie wäre auch nur aufgegangen, wenn er entsprechend viele Kunden gefunden hätte.
Dort wo uns vielleicht 3 oder 4 Bestattungen ausreichen, hätte er aufgrund der niedrigeren Gewinnspanne, sicherlich das Doppelte bis vielleicht sogar Vierfache an Sterbefällen abwickeln müssen. Das bedeutet nicht, daß wir drei- oder viermal so teuer sind, aber die Marktmechanismen erfordern bei Discountern einen wesentlich höheren Durchlauf.
Dabei darf man nicht glauben, die Discounter seien wie bei den Lebensmitteldiscountern immer große Ketten. Das Gegenteil ist meist der Fall. Es sind häufig Branchenneulinge, die sich von niedrigen Einkaufspreisen und den höheren Verkaufspreisen blenden lassen, sich einbilden, sie könnten die Branche jetzt auf die Schnelle revolutionieren und dabei übersehen, daß zum Bestatterhandwerk noch eine ganze Menge mehr als nur der Warenverkauf gehört. Alle anderen Posten und Kosten fallen, wenn sie denn anständig (und überhaupt) gemacht werden, für die Billiganbieter auch an.

Zu Hillarius Hippenstiel, über den ich nochmal ausführlicher schreiben werde, ist zu bemerken, daß er sehr schnell in dem Ruf stand, zwar ganz billige Bestattungen anzubieten, die Leute dann aber oft unterm Strich fast das Doppelte bezahlen mußten, was sie hätten bezahlen müssen, wären sie denn zu einem anderen Bestatter in der Stadt gegangen.

Und genau so einen Ruf will ich gar nicht haben. Ein Mitanbieter hier am Ort hat den Ruf, zwar etwas teurer zu sein, als alle anderen, aber eben ein besonders guter Bestatter zu sein. Hier versuche ich seit Jahren meine Nische zu finden. Die Leute sollen sagen, daß man bei mir eine einwandfreie Leistung zu einen angemessenen Preis bekommt, wir aber auch sehr günstig sein können, aber dennoch auch in der Lage sind, sehr aufwendige und pompöse Bestattungen auszurichten.

So einen Ruf erarbeitet man sich über Generationen und den riskiert man nicht durch eine „gemoppelte“ Beratung, bei der man mal auf den schnellen Euro schielt.

Ich möchte allerdings auf der anderen Seite nicht wissen, wie das in Gemeinden aussieht, wo es überhaupt nur einen einzigen Bestatter gibt.. Das dürfte wieder ein ganz eigenes Kapitel sein.
Gleiches gilt für Filialen mancher Ketten. Da wechselt schnell mal der Filialleiter und man generiert neue Kunden nicht unbedingt so ausschließlich über Mundpropaganda, wie wir es tun. Da werden Kooperationsverträge mit Altenheimen geschlossen, da gibt es feste Absprachen mit Pflegediensten und das alles zu Konditionen, die wir gar nicht bieten könnten.

Unterm Strich möchte ich aber Kunden haben, die freiwillig zu uns kommen. Der Anlaß und die unmittelbare Notwendigkeit sind schon bedrückend genug. Ich möchte nicht, daß Kunden zu uns kommen müssen, weil die Oma genötigt wurde, einen Vorsorgevertrag bei meinem Institut abzuschließen, weil sie sonst den langersehnten Heim- oder Pflegeplatz nicht bekommen hätte.

Was bleibt also? Man muß anständig arbeiten, mit den Preisen auf dem Teppich bleiben und immer schauen, daß die Kunden möglichst zufrieden sind. Eine gute Mundpropaganda ist Gold wert und mit nur einem bösen Ausrutscher kann man 20 oder 30 bestens gelungene Bestattungen negativ aufwiegen.

Tja, und wieder einmal ist der kleine Fabian vor lauter Bestattergelaber vergessen worden, also bekommt er noch einen eigenen Artikel.


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Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 13. Februar 2008 | Revision: 28. Mai 2012

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comicfreak
16 Jahre zuvor

..verstehe ich gut.
Wenn die Vereine mal wieder das Billigste wollen, lassen wir sie die Textilien selbst besorgen und bedrucken sie nur.
Wenn der Pulli nach der ersten Wäsche nur noch der Katze passt, sagt kein Kunde „Tja, sorry, wir wollten halt sparen!“, sondern es heißt „Jetzt guckt euch an, welchen Dreck die uns verkauft haben!“, das lassen wir uns nicht nachsagen.

Mindeststandard, darunter geht nichts, darüber alles, fertig.

was woas i
16 Jahre zuvor

Hab am Montag abend meine Oma verloren.
Kleinstadt im Süden der Republik, ein einziger Bestatter vor Ort.
… fürchterlich.

Gottseidank kenn ich einige Abläufe aus dem kirchlichen Bereich, wo ich ab und an mal für Angehörige vermittle, so dass ich ein bisschen was selber organisieren kann.
Ansonsten wäre das das totale Chaos.
Dabei möchte ich dem noch nicht mal was unterstellen. Abgezockt werden wir da bestimmt nicht. Man kennt sich ja auch schon lange genug. Letztendlichwird auch alles bestimmt zu unserer Zufriedenheit sein.
Aber er ist halt der einzige am Ort und er weiß das auch sehr genau.
Ein bisserl Konkurrenz würde da bestimmt nicht schaden.

Ezekiel
16 Jahre zuvor

Hieß es nicht mal, dein Schwiegervater sei gleichzeitig dein Vorgänger und schon seit einigen Jahren tot? Oder hab ich da was falsch verstanden?

undertaker
16 Jahre zuvor

Das ist auch vollkommen richtig so. Aber die Schwiegermutter hatte nochmals geheiratet und lebte bis zu ihrem Tode mit dem neuen „Opa“ am Niederrhein.

Kristian
16 Jahre zuvor

>Hieß es nicht mal, dein Schwiegervater sei gleichzeitig dein Vorgänger und schon seit einigen Jahren tot?

Und es geht wieder los *popcorn hol*

Hast aber recht, afaik.

Fabi
16 Jahre zuvor

weil die Oma genötigt wurde, einen Vorsorgevertrag bei meinem Institut abzuschließen, weil sie sonst den langersehnten Heim- oder Pflegeplatz nicht bekommen hätte.

Geht das denn so einfach?! Ist das überhaupt erlaubt? Und kann man dann als Angehöriger nicht doch noch sagen: NEIN? Ist das rechtlich nicht möglich?

Ezekiel
16 Jahre zuvor

@Tom: Ach so…das erklärt es natürlich.

@Kristian: Bin bei weitem keiner von denen, die hier immer alles in Frage stellen und so war auch diese Frage nicht gemeint. Hatte mich nur interessiert, weil ich das noch so im Hinterkopf hatte…

Wenn du dich umschaust wirst du von mir hier nur wenige Kommentare finden und keinen Einzigen, der Tom in Frage stellt.

Kristian
16 Jahre zuvor

>Wenn du dich umschaust wirst du von mir hier nur wenige Kommentare finden und keinen Einzigen, der Tom in Frage stellt

Nein im Gegenteil, mir ist so was auch schon vorgeworfen worden, bloß weil ich mal ne Frage gestellt hatte.

anita
16 Jahre zuvor

@Fabi
Lieber Fabi. Niemand hat ein Recht auf einen Platz im Pflegeheim.
Natuerlich steht da nirgends im Vertrag, dass man einen Vorsorgevertrag mit einem bestimmten Bestatter abschliessen muss, damit man den Platz bekommt. Aber wenn der Heimleiter in einem Beratungsgespraech fallen laesst, ob man den nicht vielleicht … und dann ist ja auch alles schonmal organisiert, … und man kenne da einen sehr guten Bestatter und die anderen Heiminsassen haben das auch schon…
Und dass man sich als Heimleiter auch gleich viel wohler fuehlte, wenn man wisse, dass auch nach dem Ableben der Schaefchen gut fuer sie gesorgt wuerde … Und dann dem Heim viel Stress erspart wuerde, was man als Leiter natuerlich gut faende…

Mac Kaber
16 Jahre zuvor

Es wäre für mich sehr leicht, nahezu jedem Kunden so ungefähr 1.000 bis 1.500 Euro zusätzlich aus der Tasche zu ziehen, ohne daß er Verdacht schöpfen würde. Das kann ich nicht glauben, alles muß man doch irgendwie begründen. Ich denke dass ich darauf nicht hereinfallen würde, da Bestatterwebloggeschult. Auch die Überführung kann ich sparen, ein geschmückter Handwagen tuts auch und ist auch noch originell.
9 Monate mitgelesen erspart den Bestatter.

Sabine
16 Jahre zuvor

Also, ich glaube, dass sich das Thema immer wieder von Fabian entfernt, liegt daran, dass es einfach zu schmerzhaft ist, sich damit zu befassen. Darum wird lieber über Helme und Preise gesprochen, das geht nicht so nahe.
Ich habe selbst 2 Söhne und wenn ich die mit dem Fahrrad fahren sehe, wird mir immer ganz schlecht. Wenn da was passiert, hilft der Helm auch nicht viel. Was soll man aber tun, Ermahnungen helfen nichts,… das Fahrrad mit einer Dampfwalze überrollen und unschuldig „ups“ sagen?.
Die Kinder in Watte einpacken hilft auch nichts, wahrscheinlich könnten Sie unter Umständen an den Flusen ersticken.
Die Eltern von Fabian tun mir richtig leid, die werden ihr Leben lang in der „was wäre wenn“ und „hätte ich nur“-Schleife gefangen sein.

Katharina
16 Jahre zuvor

Bei uns in der Stadt sind ungelogen 8 Bestatter. Es ist immer schwer, sich da von der Konkurrenz abzuheben. Wir sind glaub ich auch die günstigsten bei uns. Allerdings machen wir unsere Bestattung immer ordentlich und beschwert hat sich auch noch keiner, ganz im Gegenteil. Jedoch merkt man da auch sehr stark, welche Zielgruppen man damit anspricht. Meist sind es Leute ohne Geld, die sich noch etwas teures aus dem Katalog aussuchen und im Nachhinein nicht bezahlen. Wir sind seit einem Jahr auf dem MArkt und es waren schon 4 Kunden dabei, die nicht bezahlen wollten. Also günstig ist auch nicht immer gut. Auch wir machen jetzt nur noch mit Vorkasse. Nach und Nach erhöhen wir jetzt auch unsere Preise. Ansonsten kaufen sich die 2 größten Bestatter hier in der Stadt, auch bei Pflegeheimen etc. ein. Ich finde es echt unfair, weil so die kleinen Unternehmen überhaupt keine faire Chance haben. Vor allem sind das solche Bestatter, die sich da einkaufen, die eigentlich die totalen Schweine sind. Meine Oma war damals bei dem und der… Weiterlesen »




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