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Über die Vorteile von Küchenmöbeln

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Der beste Platz, um einen Sterbefall im häuslichen Bereich einer Familie zu besprechen, ist nicht etwa das Wohnzimmer, sondern die Küche. Zwar führt man mich meistens in die gute Stube, doch sitzt man dort fast immer in viel zu tiefen Sesseln, balanciert seine Unterlagen auf den Knien und muß sich winden, strecken und verbiegen, will man den Anwesenden ein Formular geben oder etwas im Katalog zeigen.

Außerdem hat sich die Generation, mit der wir es hauptsächlich zu tun haben, im Allgemeinen auf Eiche rustikal eingeschossen, da scheint es einen Rentnerrabatt bei Möbel Kraft zu geben. Jedenfalls gehört zu ‚Eiche rustikal‘ immer auch ein Wohnzimmertisch mit einer gekachelten Oberfläche. Auf dem kann man aber nur sehr schlecht schreiben, weil zwischen diesen Kacheln immer Rillen sind. Ich lege ja was unter, die Leute verstehen das aber nicht, wenn ich ihnen ein Formular zum Unterschreiben gebe und noch etwas unterlege. Sie legen die Unterlage immer beiseite, vielleicht auch aus Angst, darin könne sich Kohlepapier und noch ein weiterer, untergeschummelter Vertrag für eine Waschmaschine oder einen Staubsauger befinden.
Also legen sie die Formulare auf den gekachelten rustikalen Tisch, fangen an zu schreiben, kommen irgendwann an eine Stelle, an der sich unter dem Blatt eine Kachelfuge befindet, stechen dann im günstigsten Fall ein Loch ins Formular oder reißen es im ungünstigsten Fall ganz kaputt.

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In vorauseilendem Gehorsam wird auch gern der Gekachelte mal hochgekurbelt. Besonders das Modell ‚Rembrandt‘ läßt sich sehr weit hochkurbeln. Der Herr des Hauses läßt es sich dann nicht nehmen, unter dem einen Ende des Tisches herumzurutschen, die längst im alten Fett erstarrte Kurbel in Betrieb zu nehmen und den Tisch auf schwindelerregende Höhen hochzudrehen.
Dann sitze ich da in einem Sessel, der so tief und weich ist, daß er mich quasi pseudovaginal in sich aufnehmen will, muß mich bis zur Tischoberfläche strecken und komme mir vor, wie ein Dreijähriger, der auf einem niedrigen Kinderstühlchen am großen Tisch sitzen darf.

Wohnzimmer ist scheiße, ehrlich!

Deshalb steuere ich immer sogleich die Küche an. Eckbank, Tisch, zwei Stühle, deutscher Standard bei älteren Leuten. Niemals auf die Eckbank setzen! Spätestens bei der Frage nach dem Stammbuch muß man nämlich das erste Mal aufstehen, weil solche Sachen auch gerne mal in der aufklappbaren Truhe unter der Sitzfläche der Eckbank aufbewahrt werden. Immer in einer großen Lebkuchendose aus Blech von Lebkuchen-Schmidt aus Nürnberg. Stammbücher riechen immer nach Tosca von 4711, alter Seife oder eben nach Lebkuchen. War das Stammbuch in der Handtasche eine alten Frau, riecht es nach Tosca, lag es im Wohnzimmerschrank, riecht es nach alter Seife, weil alte Leute gerne mal ein Stück Seife zwischen die Tischwäsche legen, damit es im Schrank gut riecht. Tja, und wenn es eben in der Lebkuchendose war, riecht es ein wenig nach Weihnachten.

Nicht daß jetzt jemand meint, ich hätte eine niedere, fast schon perverse Triebneigung, und müsse unentwegt an Stammbüchern schnüffeln, nein, Gott behüte! Aber wenn da so fünf oder sechs von den Dingern auf einem Stapel vor einem liegen, macht sich im Büro die bunte Mischung heimischer Gerüche aus Rentnerwohnungen breit.

Küche ist also schon deshalb besser als Wohnzimmer, weil Stühle und Tische von der Höhe her aufeinander abgestimmt sind. Es gibt meistens auch gutes Licht und, nebenbei bemerkt, man bekommt auch schneller mal was zu trinken. Ich will ja meist Kaffee. Während für mich selbst das Befüllen einer hundsgemeinen Kaffeemaschine ein Klacks ist, stellt sich das für manche älteren Leute als eine der umfangreichsten und langwierigsten Küchenarbeiten dar. Da muß erst der Hocker mit der zweistufigen, ausklappbaren Leiter geholt werden, damit man oben an den Schrank kann, um die Filtertüte zu holen. Die muß dann erst umständlich geknickt werden, weil die sonst reißt! (Hallo, ich habe schon Tausende, ja Millionen von Filtertüten so in den Filter gestopft und nie ist mir eine gerissen, obwohl ich sie nie an der Klebestelle umknicke.)

Ich bekomme dann immer zu hören: „Wir sind ja schon so alt, die große Maschine nehmen wir ja sonst nie, nur wenn Besuch kommt.“

Irgendwie habe ich einen Blick dafür entwickelt, ob man gefahrlos einen Kaffee verlangen kann oder ob der Wunsch danach einen Turmbau zu Babel auslöst. In einer Küche sehe ich eine Flasche Tonic-Water stehen, prima, das mag ich. Auf die Frage hin, was ich denn trinken möchte, ergreife ich die Gelegenheit beim Schopf und erbitte ein Glas Tonic-Wasser.
Das versteht der Alte aber nicht, macht mir ein Glas voll mit lauwarmem Wasser und rührt mir zwei Eßlöffel Honig rein. Nee, hat nicht geschmeckt….

Im Laufe der Jahre haben wir die mitgeführten Unterlagen und Mappen auf die Anwendbarkeit in Rentnerküchen hin optimiert. In Rentnerküchen gibt es auf dem Küchentisch nämlich fast immer eine Wachstuchtischdecke. Wenn die pflegende Hand der Hausfrau schon etwas erlahmt ist, kann es mitunter vorkommen, daß diese Wachstuchtischdecken im Verlaufe der Zeit eine klebrige Oberfläche aus allerlei Essensspuren entwickelt hat. Aber das kommt glücklicherweise selten vor. In den meisten Fällen ist es so, daß ich gar nicht dazu komme, meine Unterlagen auszubreiten, weil die Dame des Hauses ihren übergroßen Drang zur Reinlichkeit dadurch demonstrieren will, daß sie noch eben schnell, da wo ich sitze, mit einem feuchten Tuch über den Tisch fahren muß.
Egal was man nun auf den Tisch legt, es saugt sich unverzüglich fest! Am Schlimmsten ist das bei Gegenständen aus glatten Kunststoff, wie zum Beispiel Kalendern, Schreibmappen und unseren blauen Katalogen.
Will man diese Sachen dann verschieben, geht das nicht und hebt man sie hoch, zieht man entweder die Wachstuchdecke mit nach oben oder es gibt so ein häßliches schmatzendes Geräusch.

Also, Küche ist viel besser als Wohnzimmer, aber alles was man dabei hat sollte eine strukturierte Oberfläche haben, sonst stört es klebenderweise den weiteren Ablauf.

Aber halt! Das gilt nur, wenn die Familie nicht aus Italien stammt!
Ich sitze eines Tages in der Küche einer italienischen Familie und bin mitten im Gespräch mit dem Familienoberhaupt älteren sizilianischen Baujahres, da geht die Küchentür auf und etwa 46 auf Italienisch herumschreiende Frauen stürmen den Raum. Wollen die mich massakrieren? Nein! Sie wollen jetzt auf der Stelle etwa 20 Kilo Zwiebeln, Tomaten und Fleisch in irgendeine Speise ihrer Heimat verwandeln. Die wollen jetzt kochen und dabei bin ich denen nicht mal im Weg, die kochen einfach so um mich herum und schreien dabei, immer im Diskant, weil alle so schreien und man sich sonst nicht versteht.

Merke: Bei Italienern muß man den Moment abpassen, in dem die Frauen in die Küche wollen und dann geht man am besten doch ins Wohnzimmer.

Was man nicht alles beachten muß…

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.

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(©si)