Bestatter haben mit Leichen zu tun. Sie kümmern sich um die Verstorbenen und sorgen dafür, dass die Körper anständig bestattet werden können.
Wenn ich nach meinem Beruf gefragt wurde und dann sagte, dass ich Bestatter bin, zeigten viele Menschen eine Art gespielter Abscheu. Manchmal war diese Abscheu wohl auch echt. In den Vorstellungen der Leute hat ein Bestatter den ganzen Tag mit steifen, unangenehm riechenden und gräßlich aussehenden Leichnamen zu tun. Gerüche, Sekrete und vor allem das ach so gefährliche Leichengift könnten ihm anhaften und da ist es dann besser, etwas Abstand zu nehmen.
Ruckzuck ist die Methode der Wahl
Dabei nimmt die Versorgung der Verstorbenen nur einen sehr überschaubaren Teil unserer Arbeitszeit in Anspruch. Der normale Verstorbene wird aus einem Pflegeumfeld abgeholt, wo er bis zur letzten Minute umsorgt und saubergehalten wurde.
Um diese Toten für die Bestattung herzurichten, ist gar nicht viel zu tun. Meistens wenigstens. Ich habe Kollegen gesehen, die mit dem Sarg zur Abholungshalle des Klinikums kamen, den Verstorbenen ruckzuck mitsamt dem Kliniklaken in den Sarg hoben und ihn dann exakt so direkt zum Krematorium gebracht haben. Du darfst glauben, dass für diese 20 Sekunden Arbeit auf der Rechnung hinterher eine aufwendige „hygienische Versorgung“, „Einsargen“, „Umkleiden“ und „kosmetische Leichenbehandlung“ und ähnlicher Unfug der Familie in Rechnung gestellt wurde.
Ein Kollege, der sich keines Betrugs schuldig machen wollte, oder ein schlechtes Gewissen hatte, legte immer noch das noch in Folie eingepackte Leichenhemd (Talar) mit in den Sarg. Das nicht genutzte Hemd wurde dann einfach mit eingeäschert, hatte aber seiner Ansicht nach auf diese Weise seine Berechtigung für das Erscheinen auf der Rechnung verdient.
Ein anderer Bestatter legte die Verstorbenen genau so, wie sie von der Station kamen, in den Sarg: Verkrümmt, mit Schläuchen und sichtbaren Verbänden, offenen Augen und vollgemachten Windeln… Das alles war ihm egal. Doch eins musste er immer tun: Mit einem kleinen, speckigen Kamm aus seiner Jackentasche (!) fuhr er den Toten kurz durch die Haare.
Eigene Erlebnisse können prägen
Bei uns war das anders. Das war einfach deshalb anders, weil mein Bestattungshaus nicht so groß war. Wir haben schon eine ordentliche Zahl an Bestattungen durchgeführt, aber eben nicht auf Teufel komm raus jedes Jahr hundert Bestattungen mehr dazu bekommen.
Und es war einfach aus einem ganz entscheidenden Grund anders: Weil ich der Inhaber war. Und ich hatte meine beiden Eltern im Sterben begleitet, mitgeholfen, sie einzubetten, und das, obwohl ich zu dieser Zeit noch gar kein Bestatter war. Mir war es extrem wichtig, dass mein Vater und meine Mutter mit Würde und Respekt behandelt wurden. So hatte ich eine feste Vorstellung davon, wie ein Verstorbener zu behandeln ist. Und das haben wir konsequent in jedem einzelnen Fall umgesetzt.
So wird anständig gearbeitet
Jeder Verstorbene wurde komplett entkleidet, sein Schambereich wurde immer unverzüglich mit einem Tuch oder einem Stück Handtuchpapier abgedeckt, dann haben wir jeden Verstorbenen mit Desinfektionsmittel abgerieben, schon des frischen Geruchs wegen.
Verstorbene riechen übrigens zunächst einmal nach gar nichts. Ihr Kreislauf ist zum Stillstand gekommen, der Körper entwickelt keine Wärme mehr und so gehen auch die natürlichen körpereigenen Ausdünstungen gegen Null. Manchmal machen sie im Sterben noch Pipi oder Groß, das macht man dann weg und sauber. Viele Leichen stecken voll mit Kanülen, Schläuchen und Kathetern, die müssen entfernt und eventuelle Wunden verschlossen und kaschiert werden.
Anschließend bekommt der Tote die Kleidung an, die die Familie für ihn bestellt hat. Besonders einfach für den Bestatter sind die Talare. Hinten offene Flügelhemdchen, die billig angeschafft und teuer weiterverkauft werden können, die vorne aber aufwendig und teuer aussehen. Damit ist eine Leiche in 20 Sekunden angezogen. Trotzdem habe ich den Angehörigen immer nahegelegt, über eigene Kleidung nachzudenken. Erstens sieht das schöner aus und zweitens will die Kleidung des Verstorbenen ja sowieso keiner mehr, also kann man sie auch mit bestatten.
Die Augen werden geschlossen, indem man die Augenlider nach unten drückt. Diese wischende Bewegung über den Augen, wie man es im Fernsehen immer sieht, ist Bullshit.
Dann faltet man den Verstorbenen die Hände oder legt sie zumindest mal zusammen. Haare kämmen, fertig.
Ist eine offene Aufbahrung geplant, bei der Trauernde noch einmal am offenen Sarg einen Blick auf den Verstorbenen werfen wollen, wird mehr Aufwand getrieben. Eingefallene Augen werden mit dünnen Kunststoffkapseln unter den Lidern wieder „normal“ gemacht, fehlende Gebisse durch eine Art Ersatzgebiss (den sogenannten Mundfüller) nachgebildet, der Mund wird schön verschlossen und schäbige Stellen im Gesicht und an den Händen mit Schminke und Puder kaschiert. Im Einzelfall kann auch noch viel mehr Aufwand getrieben werden, das kommt immer auf den jeweiligen Fall an. Bei Herren kommt oft noch eine Rasur hinzu, bei Damen manchmal etwas Rouge.
Am Ende sollen die Verstorbenen einen würdevollen Anblick bieten, so, als ob sie schlafen würden. Die Angehörigen sollen schon sehen können, dass dieser Mensch tot ist, aber der Anblick soll sie nicht erschrecken.
Das gelingt nicht immer, denn eines der Probleme ist, dass der Bestatter gar nicht weiß, wie der Verstorben zu Lebzeiten ausgesehen hat. Er kämmt ihm beispielsweise eine anständige Frisur hin, die aber nicht der Frisur entspricht, die der Tote zu Lebzeiten wirklich trug. Das allein kann schon zu Irritationen führen. Deshalb ist es immer besser, wenn der Bestatter die Angehörigen um ein Foto aus besseren Tagen bittet.
So eine Verstorbenenversorgung kann, wenn alles gut läuft, in ganz kurzer Zeit erledigt sein, sie kann aber auch mal eine Stunde in Anspruch nehmen. Und nur dann sind die hohen Preise, die manche Bestatter dafür aufrufen, auch wirklich gerechtfertigt.
Werden Leichen gewaschen? Da verdient man doch soviel, oder?
Über das Leichenwaschen habe ich hier im Bestatterweblog.de schon häufiger was geschrieben.
Um es aber abermals eindrücklich zu sagen: Den Beruf des Leichenwäschers gibt es so in dieser Form nicht und wenn jemand Leichen wäscht, wird er dafür nicht, wie immer wieder als urbane Legende erzählt wird, exorbitant hoch bezahlt.
Manche Bestatterinnen und Bestatter legen auf das Waschen der Verstorbenen großen Wert und tun das mit Waschlappen, Schwamm und lauwarmem Seifenwasser. In der Branche durchgesetzt hat sich aber eine einfachere und bessere Methode. Die Verstorbenen werden, wie ich oben schon schrieb, mit einem Reinigungs- und Desinfektionsmittel eingesprüht und sauber abgewischt.
Das Waschen hat zwar eine gewisse althergebrachte Anmutung der Sorgsamkeit, aber einen ganz entscheidenden Nachteil. Wasser weicht die Haut auf. Und die Haut von Verstorbenen muss sorgfältig behandelt werden, denn es besteht die Gefahr, dass sie sich ablösen könnte. Der Körper beginnt ja ab dem Zeitpunkt des Todes sich zu zersetzen. Nein, die fallen nicht binnen weniger Tage auseinander, aber die Körperfunktionen sind zum Erliegen gekommen, Hautschichten werden nicht mehr durchblutet, nicht mehr mit Nährstoffen versorgt und die Hautschicht, die dazu bestimmt ist, auch im Leben sich schüppchenweise zu erneuern, will ab einem gewissen Erhaltungszustand des Verstorbenen nicht mehr so gut halten.
Transparent arbeiten – Das ist das Beste
Es ist, wie es ist. Optimiertes und kosteneffizientes Arbeiten gehen absolut in Ordnung. Die meisten Bestatter machen das auch anständig. Und das, was ich beschrieben habe, gilt für den durchschnittlichen Normalfall.
Manchmal ist viel mehr nötig und es wird sehr viel Sachverstand und Fachwissen gefordert, um ein vernünftiges Ergebnis hinzubekommen.
Doch von einem sollten die Bestatter im 21. Jahrhundert Abstand nehmen: Ihre Arbeit zu teuer zu verkaufen. Jede Mühe verdient ihren Lohn; ich kann es nicht oft genug sagen. Vieles geschieht hinter den Kulissen und die Angehörigen ahnen nicht, wie aufwendig das ist.
Aber sie haben eben auch keine Ahnung davon, wenn mit etwas Desinfektionsspray und einem Flügelhemdchen eine Arbeit in wenigen Minuten erledigt wird, die dann mit fast 400 Euro auf der Rechnung erscheint.
Bestatter sollten ruhig, wie es die amerikanischen Kollegen tun, eine Grundpauschale für ihre Dienste mit auf die Rechnung schreiben. Aber den benötigten Verdienst dadurch zu bekommen, dass sehr überschaubare Tätigkeiten mit aufwendig klingenden Namen zu Mondpreisen berechnet werden, das sollten sie lassen.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Keine Schlagwörter vorhanden
Klar, als Palliativkrankenschwester wasche ich Verstorbene, zieh sie an, frage Angehörige nach Lieblingsklamotten, gebe schon mal Zigaretten und Lippenstift in die Tasche der Lieblingsjacke und mache das (auf Wunsch) auch gemeinsam mit Angehörigen.
Das schafft Würde und kann trösten.
Wie das Japaner machen in ihrer typischen Ästhetik zeigt ganz beeindruckend der Film Nokan – die Kunst des Ausklangs.
Claudia R.