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Wasser und Käsekuchen

orgel

Herr Fach-Ing. E.R. Schaltrunk ist verstorben und seine Witwe ruft zu allererst uns an. Ich frage natürlich ob der Arzt schon da war, sie sagt: „Nein, wieso denn, mein Mann ist doch tot, da kann kein Arzt mehr was machen.“ Die Gute ist ziemlich durch den Wind, wie man so sagt und ich erkläre ihr geduldig und so, daß auch sie in ihrer besonderes Situation es verstehen kann, wie jetzt vorzugehen ist.

Frau Schaltrunk sagt zwar mehrfach, sie habe genau verstanden, fragt dann aber: „Und Sie kommen jetzt?“

„Nein, erst muß der Arzt kommen und den Totenschein ausstellen.“

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„Ja, ist gut. Und Sie kommen jetzt, ja?“

Noch unzählige Male könnte ich es ihr erklären, sie würde es nicht begreifen, besser wird es sein, ich fahre da hin.

Und das ist genau die richtige Entscheidung. Herr Schaltrunk hatte mit 82 Jahren ein durchaus sterbenswürdiges Alter erreicht, war nicht lange krank gewesen und liegt nun tot in seinem Bett. Seine Frau hatte man schon am Morgen vorgewarnt, Schwester Susanne vom Pflegedienst, hatte gesagt, es gehe wohl zu Ende und man müsse mit dem Schlimmsten rechnen. Neben dem Telefon liegt ein Kassenbon von Aldi und auf der Rückseite am Rand hat Frau Schaltrunk die Nummer von Dr. Holbein notiert, den ich nun anrufe. Das könne aber bis zu zwei Stunden dauern, sagt mir seine Frau, ihr Mann sei nämlich bei einer vereiterten Mandel und hätte dann noch einen Hexenschuß, danach käme er aber gewiss sofort vorbei.

So lang hat es dann glücklicherweise doch nicht gedauert, denn der alte Schaltrunk entwickelt doch recht rasch einen deutlich wahrnehmbaren Geruch. Eine gute Stunde hatten Frau Schaltrunk und ich zu überbrücken. So sitzen wir also in der Küche, die obligatorische Wachstuchtischdecke, sie auf der Eckbank, ich auf dem Stuhl und sie erzählt mir den ganzen Leidensweg ihres Mannes, angefangen mit der Flucht, den Aufbaujahren und allem was dazu gehört.
Auf einmal sagt sie: „Wollen Sie vielleicht einen Kaffee?“

„Och jo, das wäre aber nett.“

Sie kocht Kaffee, nach alter Brauart, Wasser im Topf kochen, Filter direkt auf der Kanne, es riecht verführerisch in der Küche.
Wenig später steht eine Tasse Kaffee vor mir und ich bitte um einen kleinen Schluck Wasser. Ich nehme immer etwas kaltes Wasser in den Kaffee, sonst ist er mir zu heiß.
Nein, Leitungswasser will sie mir keinesfalls geben, davon bekommt man „Läuse in den Bauch“ und deshalb macht sich Frau Schaltrunk auf die Suche nach einer Flasche stillen Wassers.
Sie findet aber keine und ist schon fast soweit, mir doch etwas vom Läusewasser zu geben, da schlägt sie sich mit der flachen Hand leicht vor die Stirn: „Ach nee, ich hab‘ ja noch Wasser!“ und geht über den Gang ins Schlafzimmer, wo ihr toter Mann liegt, nimmt vom kleinen Nachttisch eine 1,5 Liter-Plastikflasche ohne Schraubverschluss, in der sich noch ein kleiner Rest abgestandenen Wassers herumlümmelt.
„Hier, nehmen Sie das, das hat mein Mann so gern getrunken…“

„Au ja“, sage ich, stelle die Flasche schön beiseite und tue mir nichts davon in meinen Kaffee. Nein, da schwirrt kein Leichengift herum, aber so eine offene Flasche, die nur 10 Zentimeter vom Toten entfernt offen gestanden hat (und ich sehe da im Schlafzimmer auch kein Glas!), nee, das muß auch ich nicht im Kaffee haben.

Dr. Holbein kommt endlich, die Leichenschau geht fix und schließlich kann ich unsere Leute verständigen, damit Herr Schaltrunk überführt werden kann.
Der Arzt kassiert sein Honorar sofort bei mir und dann warte ich mit Frau Schaltrunk auf die Fahrer. Inzwischen kenne ich auch ihre ganze Lebensgeschichte, doch die eigentliche Beratung möchte ich erst morgen machen und bespreche mit der Witwe nur die weiteren Schritte.

„Ach, Sie müssen unbedingt meinen Käsekuchen probieren“, fällt Frau Schaltrunk plötzlich ein und sie holt den frischgebackenen Kuchen, der noch in der geöffneten Springform ist, aus dem Schlafzimmer. Den habe sie immer da oben auf dem Schlafzimmerschrank stehen, erklärt sie mir und zieht hinter sich einen Duft her, der mir nur zu gut bekannt ist…

„Ein Tässchen Kaffee nehme ich noch, aber bitte keinen Kuchen…“

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