Lieber Tom,
als Notfallseelsorger bin ich immer wieder mit mehr oder weniger „frisch“ verstorbenen Menschen konfrontiert.
Ich ermutige die Angehörigen auch immer noch, sich zu verabschieden. Was kann ich sozusagen als „erste Kosmetik“ machen, wenn die Verstorbenen nicht ganz so friedlich daliegen? Beim Tod durch Erhängen quillt zum Beispiel die Zunge aus dem Mund. Manchmal sind die Gesichtszüge schon erstarrt sind und die Augen und der Mund stehen offen. Von der Totenstarre erfaßte Gliedmaßen gibt es auch manchmal etwas anders hinzulegen…
Für ein paar Tips hinsichtlich dieser Frage wäre ich dankbar und verbleibe mit sommerlichen Grüßen
Die Totenstarre tritt ja nicht unverzüglich und rasant ein, sondern allmählich. So wie die Wärme den Körper verlässt, kann man zunehmend auch die Versteifung der Gelenke und Sehnen feststellen. Somit kann man innerhalb eines gewissen Zeitraumes auch die Gliedmaßen noch geradelegen, Hände falten oder den Kopf richten. Ist die Totenstarre schon weiter fortgeschritten, ist es für den Laien nicht mehr ganz so einfach ein entsprechendes Ergebnis zu erzielen. Durch vorsichtiges Hin- und Herbewegen der Gliedmaßen in den Gelenken und durch eine leichte Druckmassage an versteiften Gelenken und Muskelpartien kann hier aber dennoch einiges bewirkt werden.
Es ist allerdings die Frage, inwieweit ein Notfallseelsorger eine Fundleiche überhaupt manipulieren sollte. Normalerweise ist außer Transportmaßnahmen nichts weiter gestattet, es sei denn an Ort und Stelle erfolgt eine Freigabe oder es fand gar keine Beschlagnahme der Leiche statt.
Verzerrte Gesichtszüge, hervorquellende Augen und Zungen, Strangulationsmale und offene Wunden wird man mit Hausmitteln kaum in der Kürze der Zeit so herrichten können, daß ein ansprechendes Ergebnis erzielt wird. Ein Bestatter kann das, ein Laie eher nicht.
Das Abdecken des Gesichtes mit einem Tuch wäre hier vielleicht noch die empfehlenswerteste Maßnahme.
Bestatter haben es ganz gerne, wenn unmittelbar nach dem Einritt des Todes Maßnahmen getroffen werden, die den Mund des Verstorbenen geschlossen halten.
Aber bitte nicht einfach mit Gewebeband zukleben, das hatten wir auch schon mal.
Pflegepersonal bindet den Unterkiefer gerne mit einer Mullbinde nach oben und verknotet diese oben auf dem Kopf. Allerdings wird das meist zu fest und zu stark gemacht, sodaß der Bestatter hinterher das Problem hat, die Abbindemale aus dem Gesicht des Verstorbenen herauszubekommen.
Am Besten ist es, aus einem kleineren Handtuch eine Rolle zu formen und unter das Kinn zu legen, damit der Mund geschlossen und gestützt wird.
Wenn Du häufig mit solchen Fällen zu tun hast, empfehle ich Dir, Dir einen Bestatter in der Nähe zu suchen und einfach mal mit ihm darüber zu sprechen, wie er so etwas machen würde. Unter Umständen ergibt sich die Möglichkeit, am echten Objekt zu üben. Meine Erfahrung zeigt, daß jüngere Bestatter und Bestatterinnen da aufgeschlossener sind, als Geschäftsführer von Kettenbetrieben oder ältere Bestatter.
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Nun bin ich ja wahrlich kein Notfallseelsorger (wird man als solcher ausgebildet?), aber stelle mir das irgendwie eher kontraproduktiv vor.
Abschied nehmen kann man auch noch bei der Aufbahrung oder beim Bestatter, der Gedanke dem frisch abgeschnittenen oder überfahrenen Familienmitglied tschüss zu sagen befremdet mich.
@1, Ja als Notfallseelsorger wird man ausgebildet. (Gottseidank).
Und wenn ein Angehöriger gesehen hat, was die Jungs vom Rettungsdienst mit dem Körper anstellen, solange er noch juristisch lebt ist das Ansinnen des Anfragenden durchaus nachvollziehbar, wobei mir immer wichtig war, den Verstorbenen nach der Todesfeststellung zumindest in ordendlichem um Ruhe ausstrahlenden Zustand zurückzulassen, sofern dies möglich war.
Wenn man das aber nicht tut, kann der hinzugerufene Notfallseelsorger order KITler durchaus da noch was „geraderichten“, damit die Angehörigen sehen, dass Kabel und Schläuche wieder weg sind und man direkt Abschied nehmen kann.
@1 (matthias):
man kann das sogar nachschlagen. und nein, es geht nicht etwa nur um abschiednehmen am unfallort. polizei und rettungsdienste können sich aus verschiedenen gründen nicht um die seelischen dimensionen von notfällen kümmern. durch notfallseelsorger sind opfer nicht ganz so allein mit ihren problemen, die über den kaputten körper hinaus gehen.
.~.
Mullbinden hätte man im 1.Hilfe-Set – und auch eine Rettungsdecke.
Ich kann mir vorstellen, daß man als Notfallseelsorger eventuell Angehörigen schon etwas Gutes tun kann, indem man die Leiche etwas „entschärft“, was die in ihrem Schrecken und Schock gar nicht hinbekommen.
Aber bitte beachten, auch als Notfallseelsorger:
Wenn es auch nur Anhaltspunkte für einen nicht-natürlichen Tod gibt, insbesondere bei Suiziden oder Unfällen (beides keine natürlichen Todesfälle!), aber ggf. auch bei Fundleichen, also kein natürlicher Tod durch den Arzt bescheinigt (werden) wird, dürfen an der Leiche (und am Fundort) bis zum Eintreffen der Polizei keine Veränderungen vorgenommen (es sei denn, solche sind zum Bsp. im Rahmen von Wiederbelebungsmaßnahmen erforderlich). Auch danach werde Veränderungen in der Regel ausgeschlossen sein, weil die Leiche dann beschlagnahmt wird und eine Freigabe durch die Staatsanwaltschaft regelmäßig frühestens am nächsten Tag erfolgen kann.
Die Frage, wie mit einem Erhängten umzugehen ist, um ihn „ansehnlicher“ zu machen, kann sich daher gar nicht stellen.
Gute Absprechen mit der KriPo am Einsatzort sind da das A und O! Meine Erfahrung ist, daß die Phantasie der Angehörigen, wie ein Verstorbener aussieht wesentlich schlimmer ist als die Realität! Und daher ist es gut, so etwas wie „erste Kosmetik“ zu können!
@ Tim: Da reicht es oft schon, die Zähne wieder einzusetzen (ein Tipp – such mal im Abfall in den Latexhandschuhen – manche Jungsanis sind da manchmal etwas in Gedanken….), oder Gesicht und Mund zu reinigen, Augen zu schliessen und die Person zu kämmen. Eine füssigkeitsdichte Unterlage (Plastikdecke), darauf ein Frotteehandtuch, darauf ein Leintuch. Kopfkissen, Decke auf den Körper, bei Kerzen auf feuerfeste Unterlage achten, Stuhl daneben. So kann jemand schon mal ein paar stündchen liegen, bis auch die Tochter von Auswärts eingetroffen ist. Doch alles nur bei Freigabe und auf Wunsch der Abgehörigen.
Man kann es anbieten, doch nie aufdrängen.
„Wenn Sie das so möchten, mach ich das gern für Sie.“ Ein Thema, das sich nicht in wenigen Zeilen hier abhandeln lässt, da jeder Einzelfall andere Voraussetzungen hat.