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Abschiednahme

Ich habe von meiner Mutter in einem kalten Raum im Krankenhaus Abschied nehmen müssen, da sah sie fremd, entstellt und eher abschreckend aus. Wie kann dein Kunde eine Stunde oder länger neben einer Leiche sitzen, das ist doch ekelhaft?

In einigen Krankenhäusern und Altenheimen gibt sich das Personal oft sehr viel Mühe, den Angehörigen eine Abschiednahme vor Ort zu ermöglichen. Diese Bemühungen sind aber von unterschiedlichem Erfolg gekrönt. Das liegt einerseits an den örtlichen Gegebenheiten. Hier reicht die Palette von einem Abstellraum neben dem Heizungskeller bis hin zu aufwendig gestalteten Hauskapellen. Andererseits sind natürlich die Fähigkeiten und Möglichkeiten des Pflegepersonals unterschiedlich und mitunter begrenzt. Der Mitarbeiter einer Pathologie wird unter einer „vorzeigbaren Leiche“ etwas völlig anderes verstehen, als ein Bestatter.

Wir sehen in einem Verstorbenen zunächst einmal den Menschen. Wie ich schon schrieb, ist es mir wichtig, daß jeder meiner Mitarbeiter die Verstorbenen so sieht und so behandelt, als sei es seine Mutter oder sein Vater.
Genau so richten wir die Verstorbenen her und selbst wenn uns das, aufgrund der Übung uns des Know-Hows, oft zügig von der Hand geht, nehmen wir uns hierfür ausreichend Zeit.
Daß ein Verstorbener den Angehörigen fremd erscheint, kann ganz einfach darin begründet sein, daß derjenige, der ihn hergerichtet hat, nicht weiß, wie dieser Mensch zu Lebzeiten ausgesehen hat. Schon leichte Abweichungen bei der Haartracht können hier eine Rolle spielen oder die fehlende Brille und natürlich die erschlaffte Gesichtsmuskulatur.

Wir bemühen uns, möglichst immer ein Foto des Verstorben zu bekommen, damit unsere Arbeit sich am lebenden Aussehen orientieren kann. Inwieweit das aber möglich ist, hängt von so vielen Faktoren ab, daß es auch für uns immer wieder ein spannender Moment ist, wie zufrieden die Kunden mit dem Ergebnis sind.

Eine entscheidende Rolle aber spielt auch die Räumlichkeit. Wer seinen verstorbenen Angehörigen nur auf dem Friedhof durch eine Glasscheibe anschauen kann oder wer ihn gar in einer Kühlschublade sehen muß, wird sicherlich keine Minute länger bleiben als notwendig.
In vielen Bestattungshäusern, so auch bei uns, ist es möglich, den Verstorbenen in einer zumindest räumlich angenehmen Atmosphäre zu besuchen. Bequeme Sitzmöglichkeiten, Kerzen- und Blumenschmuck, auf Wunsch Musikuntermalung und das man ungestört bleibt, sorgen dafür, daß die Angehörigen bei uns im Schnitt 35 Minuten bleiben.
Natürlich kommen auch bei uns manche Leute schon nach ein paar kurzen Minuten wieder heraus und dafür bleiben andere fast zwei Stunden, jeder kann eben ganz anders mit der Situation umgehen.

Wie hoch der Stellenwert einer Aufbahrung für die Familien ist, hängt natürlich auch davon ab, ob es zuvor evtl. schon die Möglichkeit zur Abschiednahme gab. Wenn die Familien sagen, sie hätten schon zu Hause in aller Ruhe Abschied genommen, ist es verständlich, wenn sie keine Aufbahrung mehr bei uns oder auf dem Friedhof wünschen. Andere Verstorbene sind plötzlich, möglicherweise außer Haus, vom Tod überrascht worden und die Angehörigen erhalten bei uns die erste Gelegenheit überhaupt den Verstorbenen zu sehen.
Man sieht, die Vorbedingungen und Erwartungen sind höchst unterschiedlich. Deshalb machen wir einfach ein Angebot, das man annehmen oder ablehnen kann, so hat aber jeder die Möglichkeit auf ganz individuelle Weise den Abschied zu gestalten. Der eine eben kurz und schmerzlos, der andere eher lang und intensiv.

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Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 28. Mai 2012 | Peter Wilhelm 28. Mai 2012

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5 Kommentare
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Claire
16 Jahre zuvor

Sicherlich kommt es sehr auf die äusseren Umstände an unter denen man sich von einem Verstorbenen verabschieden kann. Und sicherlich ist es auch nicht jedermanns Sache den Abschied in die Länge zu ziehen.

Aber was daran "ekelhaft" sein soll wenn jemand etwas anders macht als man selbst das vieleicht tuen würde kann ich nun beim besten Willen nicht verstehen. Ich glaube ich verstehe schon wie es gemeint ist, aber die Wortwahl finde ich sehr unpassend.

Gruss,

Claire

gruftigirl
16 Jahre zuvor

Am schönsten ist da immer noch eine Hausaufbahrung. Leider wird das heutzutage immer seltener gewünscht. Aber da ruht der Verstorbene in gewohnter Umgebung, die Angehörigen können ohne gestört zu werden Abschied nehmen, ihre Gespräche führen, weinen oder lachen, und niemand fühlt sich "beobachtet". Durfte bei Bekannten das miterleben und es war eine schöne Erfahrung!

Mac Kaber
16 Jahre zuvor

Im Krankenhaus kommt es auch darauf an, welche Schwester oder Pfleger zu welchem Zeitpunkt Dienst hat. Wenn alle am Rennen sind, weil immer mehr Personal eingespart wird, hat die Schwester nicht so die Zeit den Verstorbenen so vorzubereiten, wie sie möchte. Draussen warten schon die Angehörigen und drängen, ja und in der Hektik werden die Zähne vergessen und schon sieht Opa ganz fremd aus.

Verabschiedung in der Kühlkammer wie im Fernsehen – Leintuch hoch: "Iss er`s?" – Leintuch runter – sind der Horror. Das kann man anders gestalten. OK, kommt auf den Einzelfall an, manchmal braucht Vorbereitung

– auch die des/der Trauernden –

etwas Zeit, die man sich nehmen sollte.

16 Jahre zuvor

Die Vorstellung bei einer Leiche zu sitzen und sie zu berühren mag grausig sein, verliert aber ihren Schrecken für mich, wenn es der von mir geliebte Mensch ist, der dort liegt. Ich hoffe mal eine Nacht Zeit zu haben, neben meiner verstorbenen Frau zu liegen und so Abschied nehmen zu können.

16 Jahre zuvor

Ja, ich gebe dir recht. Ich habe meine Freundin damals im Krankenhaus vorgefunden, zugedeckt, mit Kerzen links und rechts vom Bett. Man hatte das Licht gedämpft, was aber auch die Tatsachen leider nicht gänzlich "verdunkelte". Sie sah nach dem langen Kampf mit ihrer Krankheit schon einige Tage zuvor nicht "gut" aus. Als sie nun dort lag, so friedlich und ohne Regung merkte ich die Tränen, die langsam in mir aufstiegen und ich bin weggelaufen. Ich hab mir gesagt, dass sie das nicht ist. Das konnte sie auch nicht sein, denn sie 21 Jahre alt und wir noch knapp 4 Monate zuvor fast jedes Wochenende zusammen auf Party. Der Schrekck war das Problem, dass dort wo mal Leben war jetzt nichts mehr ist. Hut ab vor eurem Job, den ihr sicherlich sehr gut macht. Ich könnte das wirklich nicht!




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