Allgemein

Bacon

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Der Sonntag fing gut an. Mir war meine schweigsame Zeit vergönnt, da ich als einziger Frühaufsteher sonntags stundenlang von meiner Brut verschont bleibe. Mein Sohn teilt das Schweigsame mit mir und ist, wenn er dann aus dem Bett krabbelt, erträglich. Die weibliche Hälfte unserer Familie ist da vollkommen anders. Mutter und Tochter können sich unmittelbar nach dem Öffnen der Augen in nicht enden wollenden Sätzen ohne jeglichen Sinn über Nichtigkeiten unterhalten, die so nichtig sind, daß sie ein Männergespräch über die Fußballbundesliga noch unterbieten.

Frühstück war angesagt und ich verbrachte den halben Sonntagmorgen damit, alles auf die Dachterrasse hochzuschaffen. Gegen halb elf versammelte sich dann die Familie zum gemeinsamen Frühstück und hätte ich nicht vorher schon in der Küche etwas vom knusprigen Speck genascht, wäre ich an Maximalübersäuerung des Magens eingegangen.

Gerade wollte ich zum Großangriff auf das Frühstück blasen, da erreicht uns ein Anruf; Papa muß arbeiten. Meine Kleine lässt mich einmal von ihrem Honigbrötchen abbeißen und dann muß ich los.
Eine 69jährige Frau hat in der Nacht Bekanntschaft mit Bruder Hein gemacht und ihre gesamte Familie sitzt im Wohnzimmer zusammen und möchte alles mit dem Bestatter besprechen. Während mir das Wasser im Munde zusammenläuft stopfen sich die Leute mit selbstgebackenem Kuchen voll. „Den hat Mutti gestern noch gebacken, da ging es ihr noch gut.“

Werbung

Direkt von dieser Familie muß ich zum nächsten Sterbefall. Verstorben ist der alte Herr Hanold, Vater des Gastwirtes des „Goldenen Schlüssels“ und während ich mit Sohn Hanold zusammensitze und eine spendierte Cola trinken darf, futtern keine fünf Meter weiter Dutzende von Mittagsgästen Schnitzel, Steaks und Rouladen. Ich nehme mir fest vor, anschließend auch etwas zu bestellen, doch dazu kommt es nicht, die erste Familie hat sich das mit der Feuerbestattung anders überlegt und im Büro angerufen, ich solle doch noch mal vorbeikommen…

An der Tanke kaufe ich mir eine BiFi-Roll (oder so) eine kleine viel zu fette Salami in einer Ummantelung aus etwas, was wie Pappe schmeckt. Glücklicherweise kann man mit den Zähnen die Wurst aus dem sogenannten Teigmantel herausziehen. Den Teigmantel werfe ich irgendwo in einen Gulli, mögen sich die Kanalratten daran den Magen verderben.

Die Familie der 69jährigen hat inzwischen Pizza bestellt und die ganze Bude riecht nach Pizzeria. Meine Magensäure kocht irgendwo unterhalb der Kinnlade und ich atme verwesende Minisalami aus.

Glücklicherweise dauert das dort nicht lange und ich kann endlich nach Hause.
Gegen halb drei darf ich dann auf die Terrasse und das Übriggebliebene essen, die anderen haben auch schon wieder Hunger und leisten mir Gesellschaft. Ich twittere darüber und bekomme als Antwort: Selbst Schuld wenn Du so spät aufstehst.
Zu diesem Zeitpunkt bin ich schon 9 Stunden wach.

Zwei halbe Brötchen sind mir vergönnt, dann ruft Sandy an; wir haben einen Polizeieinsatz. Der Fluß hat bei Flußkilometer blabla den Leichnam eines Mannes freigegeben. „Bring Atemmasken mit!“

Die nächsten drei Stunden ist gar nicht an Essen zu denken, danach bekomme ich eine Weile gar nichts herunter. An einer Apotheke besorge ich mir was gegen das Sodbrennen: „Sie sollten vielleicht mal was essen!“ Klugscheisser!

Der Tote muß in die Rechtsmedizin, aber nicht in die Nachbarstadt sondern aus unerfindlichen Gründen wurde angeordnet, daß der 150 Kilometer weit gefahren werden muß. Schön für den Geldbeutel des Bestatters, schlecht für den Sonntag. Wenigstens können wir irgendwo bei MacDonalds halten. Ich muß beim Wagen bleiben, weil wir mit dem langen Teil ganz schlecht an einer Ecke halten müssen, durch den MacDrive passen wir sowieso nicht und auf dem Parkplatz ist alles voll mit kleinen schwarzhaarigen Jungs, die dort so etwas wie das Treffen der minderjährigen Motorroller-Fahrer feiern. Wichtigste Verhaltensregeln: Den Helm nur so halb auf den Hinterkopf klemmen statt ihn richtig aufzusetzen und die leergefutterten Tüten und Schachteln einfach auf den Boden schmeißen.

Natürlich bringt mir Sandy nur was Gesundes. Einen mit Kräutern berieselten Ciabatta-Burger, der absolut Scheiße schmeckt und einen Salat im Gourmetbecher, ich hasse grünen Salat, ich bin doch kein Kaninchen…
Ich hätte mir ja McRib, BigMac und wenigstens ein Rieseneis gekauft.

Langsam entwickelt sich unter meiner Speckschicht ein Hungerödem, vermutlich bin ich überhaupt nur deshalb so rundlich. Alles nur Wasser und Luft.

Erst gegen 19.30 Uhr sind wir wieder in der Firma und gegen 20 Uhr bin ich endlich in Jogginghose und T-Shirt auf dem Sofa. Hunger habe ich immer noch, aber in erster Linie bin ich müde und verschlafe den Tatort aus Saarbrücken. Mit einem Ohr höre ich noch wie meine Frau sagt, der Stefan sei auch nicht schöner geworden und fett sei der obendrein, dann bin ich eingeschlafen.
Es läuft schon Dittsche, als ich wieder wach werde, in die Küche wanke und mir ein paar Rühreier mache.
Essen, richtiges Essen und weil richtiges Essen immer was mit totem Tier zu tun haben muß, lege ich noch ein Pfund gerösteten Bacon obendrauf.
Lecker!

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

Keine Schlagwörter vorhanden

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)