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Der Beamer

orgel

In unserer Trauerhalle gibt es einen Beamer und eine Leinwand, die man von der Decke herunterfahren kann. Wir benutzen das bei Trauerfeiern und ich muß gestehen, auch bei Endspielen der Fußballweltmeisterschaft und anderen Anlässen, die nicht gerade trauriger Natur sein müssen.

Nun war Herr Rehberger von Elektro und Fernsehen Rehberger und Sohn einmal persönlich da und hat uns alle in die Bedienung dieser Maschinerie eingewiesen. Mir als elektronischem Naturtalent, das den jährlich erscheinenden Conrad-Katalog auswendig kann, entlockte das natürlich nur ein müdes Lächeln, ich bin sozusagen elektronischer Fachmann von Geburt her. Vermutlich hat meine Mutter während der Schwangerschaft Dioden und Transistoren genascht.
Für unsere Frauen war die Einführungsstunde aber wichtig, denn wir kennen das ja: Frauen und Technik!

Nachher drücken die noch Knöpfe, die man nicht drücken darf und machen alles kaputt, da ist es schon besser, wenn denen ein Fachmann das alles erklärt. Gut, ich wollte das ursprünglich selbst machen, denn auch im Vermitteln schwieriger technischer Zusammenhänge an technische Laien bin ich ein Genie. Erstaunlicherweise zogen meine Frau, Sandy, Frau Büser und Antonia es vor, sich von Herrn Rehberger schulen zu lassen, der das aber ziemlich langatmig gestaltete und jede einzelne Funktion ausgiebig erklärte. Für mich als Techniker wurde das schnell langweilig und so hörte ich spätestens nach zehn Minuten nicht mehr zu.

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„Lassen Sie das doch mal mit der Spielerei!“ bat mich Rehberger und nahm mir die Fernbedienung für die Leinwand weg. Ich gebe zu, ich war ein bißchen beleidigt, schützte vor, ich müsse noch was Dringendes erledigen und verließ dann grummelnd die Veranstaltung.

Als er dann weg war und die Frauen wieder an die Arbeit zurückgekehrt waren, habe ich das ganze Zeug alleine ausprobiert. Die Leinwand rauf und runter, immer wieder, herrlich!
Den Beamer auf ganz groß schalten und das Bild hinten an die Wand werfen, das ist wahres Kinoerlebnis! Dazu noch der Sound aus der Anlage, einfach ein Traum.
Vier Fernbedienungen mit insgesamt über 120 Knöpfen und wunderschönen Leuchtdioden und Displays, kann es auf diesem Planeten etwas Schöneres geben?
Und ich bin der Herr über diese schöne neue Technik!

Am nächsten Tag war dann ein Beratungsgespräch und natürlich freute es mich, daß die Kunden die Idee, einen Videofilm und Musik abzuspielen, gut fanden. Ich führte sie in die Trauerhalle, bat sie Platz zu nehmen und das Spektakel konnte beginnen. Die Vorhänge schoben sich geräuschlos vor die Fenster, die Leinwand begann herabzuschweben und das Bild des Beamers flackerte sein buntes Licht in den Raum.
Moment! Warum bleibt denn jetzt diese vermaledeite Leinwand auf halber Höhe stehen? Die junge asiatische Frau, die auf dem Testfilm auf einer Wiese Blumen pflückt ist mit ihrem Kopf glasklar auf der Leinwand zu sehen, ihre Beine aber werden verschwommen unter der Leinwand hindurch auf die weit dahinter liegende Wand projiziert.

„Das haben wir gleich. Das ist noch nie passiert, Moment bitte“, sage ich und drücke die Ab-Taste auf der Fernbedienung, aber nichts tut sich.
Ich drücke ein paar andere Tasten, die in Frage kommen könnten und während die Leinwand ein kleines Stück wieder nach oben fährt, wird der original japanische Ton lauter und erreicht sehr schnell die Lautstärke eines abstürzenden Jumbo-Jets.

„Ich hab’s gleich!“ brülle ich gegen den Krach an und drücke verzweifelt auf jede nur erreichbare Ausschalttaste.

Sandy kommt hereingestürmt, angelockt vom Lärm, nimmt mir eine der Fernbedienungen aus der Hand und ‚klick‘, der Ton wird normal, die Leinwand fährt korrekt herunter und alles ist in Butter.
Wie Mr. Spock kann die Tussi ihre Augenbrauen hochziehen und drückt mir die Fernbedienung in die Hand.

Später in meinem Büro sagt sie dann: „Sollen wir das nochmal üben? Ich kann Dir das zeigen, das ist ganz einfach.“

Also, das muß man sich mal vorstellen! Da kommt dieses Mädchen aus dem kleinsten Dorf von Vermont, wo es nichtmal Füchse gibt und sich infolgedessen auch nicht einmal Fuchs und Hase ‚Gute Nacht‘ sagen können, und will mir, der ich im Land der Erfinder großgeworden bin, erklären wie man einen einfachen Beamer bedient. Eigentlich eine Frechheit und sie kann es nur meinem Langmut zuschreiben, daß ich ihr nicht irgendwas auf den Kopf haue.

Ich lasse sie und ihr doch recht unerhörtes Angebot einfach stehen und gehe in die Trauerhalle. Also, Vorhänge zu, dann die Leinwand runter…
„Siehste, ist schon verkehrt!“ höre ich Sandy hinter mir: „Die Leinwand mußt Du nur für Dia oder Schmalfilm runterfahren, beim Beamer wird die Steuerung vom Beamer übernommen und die fährt beim Einschalten des Beamers automatisch runter. Wenn Du dann noch auf die Knöpfe drückst, kommt das Ganze ins Stolpern und bleibt hängen. Dann mußt Du EXIT und MODE gleichzeitig drücken und mit der RETURN-REC-Taste löschen. Dann kannst Du mit der AUF-Taste wieder die Leinwand hochfahren und wenn sie ganz oben war, kannst Du sie mit der AB-Taste wieder herunterfahren. Aber nur wenn Du wieder Quatsch gemacht hast, ansonsten reicht es, wenn Du den Beamer einfach einschaltest.“

Am Besten man hört gar nicht hin. Ich lasse mir ja auch von meiner Frau nicht meinen Computer erklären. Können nicht einparken, wollen mir aber Technik erklären, lächerlich!

Ich drücke die Knöpfe und siehe da, es funktioniert auch nach meiner Methode! Triumphierend drehe ich mich um und will Sandy mit einem Blick der Überlegenheit strafen, da sehe ich, daß die ganze Damenriege mit verschränkten Armen da steht. Ich sage gar nichts, kein Wort.
Aber es klappt ja alles, die Leinwand kommt herunter, die Musik fängt an, die Japanerin pflückt Blumen und die Leinwand…., die Leinwand…, sie ist schon bis zum Fußboden heruntergefahren und hört nicht auf.

Hinter mir kichert’s.

„Das liegt nur an den kleinen Tasten“, sage ich und drücke die verschiedensten Tasten. Ich bin der, der sich auskennt, das wäre doch gelacht, sowas aber auch!

„Kleine Tasten“, sagt Antonia etwas spöttisch, tippt mit einem ihrer fettigen Wurstfinger irgendwohin und wie von Zauberhand rollt sich die Leinwand wieder auf, fährt in die korrekte Position und alles sieht wunderbar aus.
„Es sind ja immer die kleinen Tasten, oder sowas“, spottet nun auch meine Frau. Und sowas nähre und kleide ich! Hat man da eigentlich ein Umtauschrecht? Gibt es noch die Regelung nach der ein Mann seine Frau freitags zwischen elf und zwölf pauschal mal übers Knie legen darf? Also sowas!

„Die Technik spinnt“, erkläre ich und erläutere meinen Damen, daß da möglicherweise ein Wackelkontakt Schuld sei und natürlich die viel zu kleinen Tasten.

Die Schnatterweiber verziehen sich und ich habe irgendwie das Gefühl, sie lachen über mich. Aber das kann nicht sein, vermutlich ist es meine überragende technische Kompetenz, die sie zu einem Lachen der Verlegenheit bringt.
Ich bleibe stehen und tippe ungeduldig mit dem Fuß, bis die großen Türen endlich zu und die Weiber weg sind.
Also, alles nochmal auf Anfang. Alles aus. Kurz durchatmen. So, jetzt nochmal von vorne. Dieses Mal kommt die Leinwand vorschriftsmässig herunter, doch die Japanerin will keine Blumen pflücken und die Vorhänge gehen auf und zu, dazu spielt die Musik und wird immer lauter. Verflixt, warum nur sind diese verdammten Tasten so klein? Kein normaler Mensch kann doch diese winzig kleinen Beschriftungen lesen. Wo um alles in der Welt ist denn diese EXIT-Taste?

Hinter mir lachte es, die Weiber sind unbemerkt wieder hereingekommen. „Na, sind die Tasten wieder zu klein?“ fragt meine Frau mit einem Unterton, der allein für sich genommen schon ein Scheidungsgrund wäre. Frau Büser hält sich als Einzige höflich zurück, gluckst nur hinter vorgehaltener Hand und kommt dann, drückt mit einem ihrer spitzen Spinnenfinger eine einzige Taste und alles normalisiert sich wie von Geisterhand. Nunja, auch ein blindes Huhn…

„Ihr habt doch alle keine Ahnung!“ schimpfe ich: „Ich versuche hier die Anlage auszutesten und die Schwachstellen herauszufinden. Dazu bedarf es enormer elektronischer Fachkenntnisse. Wenn ich das jetzt nicht alles austeste, stehen wir irgendwann bei einer Trauerfeier da und es funktioniert dann nicht.“

„Schatz“, sagt meine Ehenatter: „Solange Du keines der Geräte aufschraubst…“

Sie glucksen sich wieder weg und ich gebe auf.
Am Nachmittag, es ist Freitag und die Weiber sind schon nach Hause, kommt Rehberger: „Was ist denn mit der Anlage? Klappt irgendwas nicht? Warum haben Sie mich herbestellt?“
Ich erkläre ihm, da sei was mit den kleinen Tasten und lasse mir von ihm alles noch einmal ganz ausführlich erklären; dieses Mal höre ich sogar zu.
Zwei Mal spielen wir alles durch und tatsächlich, es klappt.

Von Rehberger verlange ich, daß er auf das an der Wand hängende Kreuz schwört, daß er kein Wort über unsere private Schulungsstunde verliert, niemals!
„Gut, das verspreche ich Ihnen gerne, aber ich glaube nicht, daß das Zweck hat.“

„Warum nicht?“

Rehberger zieht ein Ungetüm von Fernbedienung aus seinem Koffer. Sie ist in etwa so groß wie ein Viertel von einem Fußballfeld und hat riesengroße Tasten.
„Ihre Frau hat vorhin angerufen und gesagt, ich solle das mitbringen.“

Nattern!

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