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Der Blonde mit dem irren Blick -7-

Kein irrer Blick, keine seltsamen Auftritte von Frau Hiller, kein Vadda-Vadda-Gestammel – nichts! 14 Tage lang passierte nichts dergleichen. Herr Falk war am nächsten Tag ganz normal zur Arbeit gekommen, hatte recht schweigsam, wie Manni mir erzählte, seine Arbeit gemacht und war fleißig und ordentlich gewesen.
Es gab einfach auch zu viel zu tun, als daß ich mich hätte weiter mit den Spinnereien der letzten Wochen beschäftigen können.
Natürlich war das alles nicht ganz in Vergessenheit geraten und zumindest mal bei uns im Büro sah jeder in Herrn Falk einen Spinner, außer Antonia, die ihn immer noch anhimmelte.

Diese Arbeitswoche ging zu Ende, es folgte ein schönes, spätsommerliches Wochenende und die Allerliebste und ich hatten uns Freunde zum gemeinsamen Grillen eingeladen. Als die Gäste gegangen waren und wir den Abwasch erledigt hatten, stand mir der Sinn nach einer alten Columbo-Folge und wir machten es uns vor dem Fernseher gemütlich.
Gerade sagte Inspektor Columbo: „Ach ja, eine Frage hätte ich da noch“, da klingelte es und ich muß zugeben, daß ich ziemlich unwirsch auf den Knopf der Sprechanlage drückte und „Ja bitte!“ sagte.

„Wir sind!“ flötete es fröhlich aus dem Lautsprecher und endlich flackerte auch das dazugehörige Bild auf dem kleinen Monitor auf: Unten standen Heiner Falk und Lizzy Hiller und hielt freudestrahlend eine Flasche Sekt in die Kamera.

„Wer iss’n das?“ wollte die Allerliebste wissen und ich drückte schnell den Türöffnerknopf, damit nicht mit nach unten übertragen wurde, wie ich sagte: „Die beiden Spinner.“

Die beiden Spinner kamen die seitliche Treppe förmlich heraufgeflogen, so schnell waren sie oben.

„Mensch, das war’n Ding!“ begrüßte mich Heiner und Lizzy klopfte mit einem beringten Finger an die Sektflasche: „Wir müssen unbedingt mit Euch was trinken!“

„Also wirklich, es ist Samstagabend und schon spät…“, wollte ich die beiden zurechtweisen, doch die hörten mir gar nicht zu. Falk gab mir einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter und war schon in der Wohnung, Lizzy Hiller hüpfte hoch, drückte mir einen schnelle Kuss auf die Wange und rauschte an mir vorbei.

„So geht das nicht!“ protestierte ich, aber die zwei Typen hörten mir gar nicht zu.

Ich selbst trug ein weißen T-Shirt und bequeme schwarze Jogginghosen, die Allerliebste hatte sich, nachdem sie mitbekommen hatte, daß jemand hochkam, schnell eine Jeans und ebenfalls ein T-Shirt angezogen und war noch dabei, ihren Gürtel zuzuschnallen, als die beiden ins Wohnzimmer vordrangen.

Wie selbstverständlich nahmen sie Platz und Lizzy kicherte und rief im höchsten Diskant: „Gläser! Wir brauchen Gläser! Sowas muß gefeiert werden!“

Meine Frau und ich schauten uns nur an, die Allerliebste zog die Augenbrauen hoch und holte aus dem Wohnzimmerschrank ein paar Sektgläser. Unterdessen hatte Heiner seiner Freundin die Flasche abgenommen und ließ den Korken knallen. „Wenn’s nicht knallt, ist es kein guter Sekt!“ rief er und schenkte den fast überschäumenden Sekt in die Gläser.

„Was ist überhaupt los?“ fragte ich, „Sie können doch nicht einfach Samstagabends hierher kommen und unseren Feierabend…“

Lizzy Miller unterbrach mich: „So ein Erfolg! Heiner hat göttlich gesungen und gespielt und das Publikum hat uns so viel Beifall gespendet.“

„Ist ja schön für Sie, aber…“

Nun unterbrach mich Herr Falk: „Also, wir haben wieder das Stück von Dir aufgeführt und Du kannst Dir nicht vorstellen, was das für ein Erfolg war. Die Leute haben getobt!
Stellt Euch vor: Dunkelheit im Saal, leise Musik, dann etwas lautere Musik, dann Spot an, nur ein kleiner Lichtkegel auf die Tür, dann kommen wir rein. Lizzy trägt ein weißes Brautkleid, ich einen schwarzen Frack. Sie liegt wie tot über meinen Armen und ich trage sie unter den Klängen von imposanter Musik nach vorne auf die Bühne.
Nur für einen Hauch geht das Licht aus und wenn es wieder angeht, diesmal richtig viel Licht auf der Bühne, steht Lizzy schon am Mikrofon und singt ihr erstes Lied.
Die Leute sind sowas von gefesselt, das kann man gar nicht beschreiben!
Über anderthalb Stunden lang lese ich dann die Geschichte vor, Lizzy singt immer zwischendurch, dann singe ich was und dann wir gemeinsam.
Am Ende geht wieder kurz das Licht aus und die Leute klatschen wie verrückt und wenn das Licht nach nur einer Sekunde angeht, sind wir weg.
Die haben getobt! Die haben nach Zugaben gerufen, immer wieder!“

„Ach, das war so herrlich!“ jubelte Lizzy.

Wieder schauten die Allerliebste und ich uns an, dann sagte meine Frau, auch in meine Richtung: „Na, wenn’s so toll war für Euch, dann laßt uns mal drauf anstoßen!“

Nein, ich wollte nicht mit denen anstoßen; und ich wollte auch nicht, daß die Du zu mir und meiner Frau sagten, und ich wollte auch nicht, daß meine Frau darauf eingeht. Aber sie tat es. Sie trinkt gerne Sekt, sie ist sowieso gerne jedermanns Freund und ich konnte nichts dagegen tun, daß sie noch eine Flasche Sekt holte und die beiden Eindringlinge bis weit nach ein Uhr nachts bewirtete.

Ich war fassungslos und wehrlos zugleich, und wenn ich das sage, dann meine ich das insbesondere in Bezug auf meine Frau und die Tatsache des späten Besuchs. Denn was die beiden erzählten und wie sie sich freuten, das gefiel mir auf der anderen Seite auch wieder.

„Vadda, das nächste Mal mußt Du mitkommen!“ sprach Falk mich an und ich sagte: „Lassen Sie das mit dem Vadda doch endlich mal und duzen Sie mich nicht.“

Schrecken machte sich auf den Gesichtern des Paares breit und die Allerliebste schaute mich vorwurfsvoll an.
„Küche!“ sagte ich nur, machte eine Kopfbewegung in Richtung der Küche und stand auf. Die Allerliebste folgte mir und ich wollte sie eigentlich bitten, dem Treiben jetzt ein Ende zu machen, doch ich kam gar nicht zu Wort, sondern mußte mir anhören, was für ein ungehobelter und unsensibler Kerl ich doch sei. Das seinen zwei Künstler, das merke man doch und ich würde mich so gar nicht freuen. „Mensch, sei doch nicht immer so ein Griesgram und geh‘ mal etwas aus Dir heraus. Du hast sowieso nur einmal am Sekt genippt. Sei mal was geselliger!“

„Ich will aber nicht gesellig sein; ich will keinen Sekt!“

„Ich will, ich will, ich will. Es geht hier nicht nur um Dich!“


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Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: | Peter Wilhelm 19. Februar 2014

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8 Kommentare
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comicfreak
10 Jahre zuvor

„Sie trinkt gerne Sekt“
..das gibt keine Pluspunkte ^^

nogger
10 Jahre zuvor

Das ist doch noch nicht zu Ende……….
Bitte weiter 🙂

joschi
10 Jahre zuvor

Manisch depressiv, Korsakow o.ä.???????????????

Big Al
10 Jahre zuvor

Künstler! Mehr sag ich jetzt nicht.

oscar
10 Jahre zuvor

… wieviel Kapitel kommen noch? Man(n) hat ja auch noch was zu Hause zu tun… 🙂
Warten auf morgen wie es weiter geht… 🙁

melonja
10 Jahre zuvor

Oh je, schon wieder eine schlaflose Nacht vor Spannung… Und morgen früh die Prügelei vor dem PC, wer zuerst weiterlesen darf – mein Mann oder ich 😉

10 Jahre zuvor

Eine interessante Geschichte. Ich hoffe sie geht in Kürze weiter. Und einmal mehr frage ich mich, wie viel Wahrheit in solchen Erzählungen wohl liegen mag?

10 Jahre zuvor

Wie geht es denn weiter? Bitte nicht so spannend machen!!




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