Mitarbeiter/Firma

Der Rolli – er macht sich

Also gut, so wie Rolli am nächsten Tag bei uns in der Firma erscheint, können wir ihn nicht einmal unseren Toten präsentieren. Er hat wieder so ein fadenscheiniges, fast schon durchsichtiges weißes T-Shirt an und an den Beinen irgendeinen hosenähnlichen Gegenstand, der entfernt an so etwas wie eine Jeans erinnert. Allerdings muß der Schneider hoffnungslos geisteskrank gewesen sein, anders ist es nicht zu erklären, daß der Teil, bei dem ich den Hintern in der Hose habe, bei Rolli irgendwo zwischen den Knien hängt.
Seine Turnschuhe hat Rolli nicht zugebunden und so wie er daher läuft, fürchte ich um seine Gesundheit. Entweder er stolpert über seine eigene Hose oder über die lose nebenher schleifenden Schuhbänder.

Nun ist Rolli nur so ein Ersatzkassenmännlein, bringt kaum 60 Kilo auf die Waage und somit brauchen wir gar nicht erst den Versuch unternehmen, nachzuschauen, ob ihm irgendetwas von irgendwem in der Firma passen könnte.

Meine Frau erbarmt sich und fährt mit ihm zu einem jener Läden, in denen man Sachen anprobieren kann, bevor man sie kauft.

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Dort wird Rolli mit einer günstigen Kombination in blau-grau, ein Paar richtigen Schuhen aus Leder und zwei, drei Oberhemden ausgestattet. Er nimmt die Sachen gerne, zieht sie in der Firma sogleich an und wieder einmal mehr bewahrheitet sich der alte Spruch, daß Kleider Leute machen.
Er sieht richtig seriös und beinahe schon wie ein anständiger Mensch aus. Irgendwann muß Rolli einen schrecklichen Unfall gehabt haben, jedenfalls haben ihm die Ärzte die Ober- und Unterlippe mit drahtigen Nägel zusammengetackert. „Blödmann!“ sagt meine Frau, „Das trägt man heute so, das sind Piercings, der Rolli hat auch eins in der Zunge.“

„Und ich dachte, der hat ’nen Sprachfehler; siehste mal“, sage ich und gehe zu Rolli, um ihm zu sagen, daß bei uns diese Art von Körperstechschmuck im direkten Kundenkontakt nicht unbedingt erwünscht ist.
Ich bin ja schon fast in der Erwartung, daß er irgendwas dagegen sagt, aber er nickt dienstbeflissen und macht diese Stöpsel aus seinem Gesicht raus. „Kein Problem, Chef, hab ich mir schon gedacht.“

Der erste Tag verläuft unspektakulär, Frau Büser zeigt ihm im Büro mal alles in einem schnellen Rundflug, dann geht Rolli zu Manni runter und schaut sich unten alles an.

Am nächsten Tag überrascht er mich dann aber wirklich. Aus der sauerkrautfettigen Sturmbehaarung ist über Nacht eine richtige Frisur geworden und wie er da jetzt so vor mir steht, bin ich wirklich baff. Er legt sich also richtig ins Zeug und erkennt auch, worauf es ankommt.

Am Abend des zweiten Tages dann sind Frau Büser und auch Manni sehr von Rolli angetan. Er sei aufmerksam, fleißig und sich für nichts zu schade. „Den können Sie mir ruhig öfters runterschicken“, sagt Manni und Frau Büser winkt ab: „Nee, erst wenn ich den nicht mehr brauche, der ist mir gerade eine große Hilfe.“

Das fängt ja gut an und ich lehne mich zufrieden in meinem Sessel zurück. Es tut gut, Recht zu behalten, vor allem wenn meine Frau am Tag zuvor warnend den Zeigefinger gehoben hat und meinte: „Von der Seite unserer Familie ist noch nie was Gutes gekommen.“

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(©si)