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Die Fee der Nacht -28-

Joswig und Petermann trafen gegen 14 Uhr des selben Tages in Bittermanns Café zusammen und stöhnten kurz aber intensiv über ihre Recherchearbeit. Als endlich der bestellte Kaffee vor ihnen stand, konnte der Journalist nicht länger an sich halten und zog seinen Notizblock aus der Tasche.

„Paß auf, ich habe da war gefunden! Arnim von Tratow, hast Du den Namen schon mal gehört?“

Petermann zuckte mit den Achseln und schüttelte den Kopf. „Nee, der Name sagt mir gar nichts.“

„Also klar, von der Tratow, das ist die Alte, von der Du immer gesagt hast, das sei die Gouvernante von Nathalie Brockhagen. Die Frau heißt eigentlich Isolde Straps und stammt aus Österreich. Sie hat nach dem Krieg eben jenen Arnim von der Tratow geheiratet.“

„Und der ist tot.“

„Genau! Woher weißt Du das?“

„Weil ich ja auch nicht untätig war, ich habe zumindest mal auf meinem Zettel stehen, daß die Alte verwitwet ist.“

„Eben, und sie ist die Witwe von diesem Arnim.“

„Und wie steht der im Zusammenhang zu unserem Fall?“

„Zu dem Fall hier scheint er zumindest auf den ersten Blick gar nicht in Zusammenhang zu stehen, er ist ja immerhin auch schon ein paar Jahre tot.“

„Also?“

„Aber der Minister hatte doch vor genau elfeinhalb Jahren diesen Unfall. Du erinnerst Dich?“

„Ja, da haben wir was in den Akten, aber das war nur eine Verkehrssache…“

„Denkste! Also das war damals so: Minister Brockhagen befand sich mit seiner Frau Mimi auf dem Rückweg von einer Veranstaltung und ist in einer Kurve oberhalb der Sausenhütte auf die Gegenfahrbahn geraten und ist dort mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammengestoßen. Seine schwere Limousine wurde zwar stark beschädigt, war aber immerhin noch so fahrbereit, daß er ohne großartig anzuhalten, einfach weiter gefahren ist.
Der andere Wagen, ein VW-Polo war ein Totalschaden und wurde von einer gewissen Sabine Bretterbrock gesteuert. Die Dame wurde erheblich aber nicht lebensgefährlich verletzt und konnte sich aus eigener Kraft vom Ort des Geschehens nicht wegbewegen.
Die saß also oberhalb der Sausenhütte fest.“

„Darf ich Dich mal unterbrechen?“

„Wenn’s sein muß.“

„Du sagst immer Sausenhütte, aber Du meinst doch die Hütte am Marienberg unterhalb des alten Kurhotels?“

„Ja, genau die.“

„Die heißt aber Jausenhütte.“

„Jausenhütte, Pausenhütte, ist doch egal, oder?“

„Sie heißt aber nun mal Jausenhütte, das hat irgendwas mit einer Freundschaft der Wandervereine zu tun. Unser Wanderverein hat den Österreichern eine Hütte gestiftet und die haben dann unseren Wanderern eben diese original österreichische Jausenhütte zurück gestiftet, deshalb heißt die so.“

„Siehste, Du bist eben doch ein Klugscheißer!“

„Nee, ich bin kein Klugscheißer, ich weiß es wirklich besser!“

„Depp!“

„Komm, gib Gas!“

„Ich wäre schon weiter, wenn Du mich nicht mit Deinem Sausengerede immer wieder rausbringen würdest.“

„Also?“

„So, die saß also dort oben fest und der Minister ist schnurstracks nach Hause gefahren, hat also klassisch Fahrerflucht begangen. Das ist ja zunächst mal nichts Besonderes, man könnte meinen, der habe damals einfach den Skandal vermeiden wollen und sich aus dem Staub gemacht.
Der Reporter, der damals an der Geschichte dran war, ein gewisser Mirgoleit, der hat da was notiert, was überhaupt gar nicht mehr weiter zur Sprache gekommen ist.
Aber zunächst mal die weiteren Vorgänge von jenem Abend damals.
Der Herr Minister fährt also in die Stadt zur Villa Brockhagen, die beiden hauen also vom Unfallort ab und alles wäre wunderbar gewesen, jetzt mal aus seiner Sicht. Denn die junge Frau Bretterbrock hatte außer dem berühmten ‚großen, dunklen Wagen‘ nichts gesehen, konnte da nicht weg und hatte auch keinen Handyempfang.
Aber das konnte der Minister ja nicht wissen. Vielleicht hatte sie sein Kennzeichen erkannt, vielleicht waren Teile von seinem Fahrzeug dort zurück geblieben, man weiß es nicht. Man könnte jetzt sagen, der sei damals abgehauen, weil er in der ersten Aufregung einen Fehler gemacht hat.
Dazu paßt dann nämlich auch, daß Brockhagen nach einer Dreiviertelstunde von der Villa Brockhagen wieder zur Unfallstelle zurückfährt, vorher sogar selbst die Polizei verständigt und sich dann dem weiteren stellt.
Unfall gebaut, Hals über Kopf abgehauen, dann schlechtes Gewissen gekriegt und wieder hingefahren.
Es wurde ja auch damals berichtet, daß man vermutete, er sei alkoholisiert gewesen. Das spricht ja noch mehr für eine Fahrerflucht.
Aber nichts da! Kein Alkohol, definitiv nicht.
Und jetzt kommt der alte Kollege Mirgoleit ins Spiel. Der notierte nämlich damals, daß eine Nachbarin der Brockhagens ausgesagt habe, der Minister habe sich umgezogen. Sie sei damals mit ihrem Hund… ach Du kennst das ja, neugierige Nachbarn sind immer gerade zufällig mit dem Hund unterwegs oder wollten was in die Mülltonne werfen.
Jedenfalls hat die gesagt, der Minister habe sich umgezogen und dabei ist das Wort vom Kostümfest gefallen. Eine Nebensächlichkeit, der niemand eine Bedeutung zugemessen hat.
So, laß uns jetzt mal alles zusammen addieren!
Erstens, der Minister baut einen Unfall; kann passieren.
Zweitens, der haut ab; soll vorkommen.
Drittens, der fährt alleine wieder zurück und kriegt viertens einiges an Ärger.
Was war denn so wichtig damals? Was war so wichtig, daß er die Fahrt in die Stadt auf sich nimmt, sich umzieht, dann wieder zurückkehrt…“

Petermann kniff die Augen zusammen und führte die Gedanken seines Freundes fort:
„Als Minister kann man sich keinen Skandal erlauben, da ist schnell das Karriereende da. Und so ist es ja damals auch gekommen, nicht wahr? Es muß also damals etwas gewesen sein, daß Brockhagen so wichtig erschien, daß er dafür diese Folgen in Kauf nahm.
Kein Alkohol im Spiel und dann ein Verkehrsunfall. Mein Gott, wer hätte ihm da einen Strick draus drehen können?“

„Eben! Klaus, der Schlüssel zu dem Ganzen ist das Umziehen. Der wollte um nichts auf der Welt in dieser Kleidung gesehen werden. Und jetzt kommt das Kostümfest ins Spiel. Wann verkleiden sich die Leute? Hä? Zu Karneval, heutzutage an Halloween, vielleicht noch an Silvester oder so, aber doch nicht im Juli, oder?
Ich glaube auch nicht, daß es sich um ein Kostümfest gehandelt hat, denn wenn der eine blöde Pappnase aufgehabt hätte, wäre das nur eine Schlagzeile mehr gewesen. Darauf wär’s dann auch nicht mehr angekommen.“

„Ja und was meinst Du, warum der verkleidet gewesen sein soll? Das klingt doch schon ziemlich seltsam.“

„Ja siehste, deshalb ist es gut, daß Du mich hast. Jetzt kommt nämlich unser lieber Arnim von der Tratow ins Spiel. Wir hatten doch gesagt, daß die Jausenhütte unterhalb des alten Kurhotels liegt.“

„Ja?“

„Und Brockhagen und seine Frau kamen von einer Veranstaltung?“

„Ja?“

„Und wo könnte er denn da oben gewesen sein, wenn nicht im Kurhotel?“

„Ist denn da oben noch was?“

„Eigentlich seit ein paar Jahre nicht mehr. Der Glanz der Kurzeiten ist vorbei und heute steht es leer und verlassen da. Aber damals… damals hat es wem gehört?“

„Wem denn? Mensch, spann mich nicht so auf die Folter!“

„Arnim von der Tratow!“

„Ach nee!“

„Doch!“

„Ja und was hat dieser Arnim da gemacht?“

„Das war nach der Kurhotelzeit. Er hat das als Schulungszentrum verwendet.“

„Und was wurde da geschult?“

„Arnim von der Tratow hatte eine Gruppe gegründet, die sich die ‚Arier der Schwarzen Sonne‘ nannten.“

„Nazis?“

„Mehr als das, eine okkulte Loge.“

„Was denn? Satansanbeter?“

„Tja, das kann uns nur eine verraten, nämlich die Witwe des werten Sonnenanbeters.“


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 30. Mai 2012 | Peter Wilhelm 30. Mai 2012

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11 Jahre zuvor

Jemand, der sich Roasti nennt, schaufelte sich sein eigenes Grab und schrieb am 29.05.12 um 13:05 Uhr folgendes: Ich sage nur: genial! Klasse geschrieben. Würde gerne mal was von den Meckerern lesen. Laß dich nicht unterkriegen. Weiter, weiter, weiter! 2 Jemand, der sich Chrissi Flauschkrähe nennt, schaufelte sich sein eigenes Grab und schrieb am 29.05.12 um 13:20 Uhr folgendes: Ich mag den Erzählstil, der ist so schön anders und flapsig im Gegensatz zu den Romanen, die man sonst so kennt. Und immer wieder diese Cliffhanger. Gut, ok, für Letztere mag ich dich schütteln grade, aber die Geschichte ist sowas von toll…und ich mag den Petermann!!! 3 Jemand, der sich Medienfreak nennt, schaufelte sich sein eigenes Grab und schrieb am 29.05.12 um 13:21 Uhr folgendes: Aber der Minister würde doch nicht in SS-Uniform durch die Gegend fahren? So blöd kann man doch nicht…!? Okay, Nazis eben doch. 4 Jemand, der sich Bella nennt, schaufelte sich sein eigenes Grab und schrieb am 29.05.12 um 13:28 Uhr folgendes: Meine Güte wieder ne Wendung… mich würd ja nicht wundern… Weiterlesen »

Lochkartenstanzer
11 Jahre zuvor

Die Kommentare sehen jetzt aber ziemlich daneben aus.

Oliver
11 Jahre zuvor

Was ist denn mit dem Bestatterweblog passiert? Irgendwie sind alle Formatierungen durcheinandergewürfelt und sämtliche Kommentare in einem Kommentar zusammengefasst.

11 Jahre zuvor

Das mit den Kommentaren ist nur bei drei Artikeln so.

11 Jahre zuvor

Bei mir sehen nicht nur die Kommentare daneben aus, aber ich nehme an, es wird aktiv gebastelt …

Medizinische
11 Jahre zuvor

…also, jetzt wird’s wirklich abgedreht! Ein Minister, der nicht nur ein Provatgefängnis für Sexsklavinnen betreibt, sondern sich dann auch noch als Nazi-Esoteriker entpuppt…. Und vor allem, wie Phasen diese beiden Dinge zusammen? Ich bin gespannt…..

Lochkartenstanzer
11 Jahre zuvor

Ach ja, wo bleibt die Fee. Hab schon Entzugserscheinungen.

max
11 Jahre zuvor

Jetzt aber nicht auch noch die Roboternazivampire auspacken ;))))

Klas Waklitter
11 Jahre zuvor

Mir sans die Holzbuam.

11 Jahre zuvor

Huha,
wird jetzt auf WP umgestellt?




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