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Festgeklebt

ratloser, dicker Bestatter

Die Fahrer sind alle verplant, also fährt der Chef selbst 150 Kilometer weit, um einen Verstorbenen aus einer Krebsklinik abzuholen. Eine kleine Klinik ist das, eine besonders feine Klinik, das sehe ich schon, als ich mit dem Bestattungswagen durch die weitläufigen Anlagen bis zum Hinterhof des Gebäudes fahre.

Wie in solchen Fällen oft üblich, bin ich ganz alleine gefahren, es findet sich am Abholungsort immer jemand, der mit anpackt und notfalls kann ein geübter Bestatter das auch mal ganz alleine und der Schwächste und Zierlichste bin ich ja auch nicht gerade.

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Herr Möckel ist im Krankenwagen verstorben, genauergesagt just in dem Moment, als man ihn verladen wollte. Warum er von der Klinik mit einem Krankenwagen noch woanders hingebracht werden sollte, weiß ich nicht, da mögen mal die mitlesenden Retter und Pfleger spekulieren, keine Ahnung.

Jedenfalls lag oder besser gesagt saß der Verstorbene auf einer Art weich gepolstertem, grauen Kunstledersessel, so einem Sessel, den man auch zu einer Liege lang machen kann. Nun ist Herr Möckel ein Mann von Gewicht, vor allen Dingen aber tot und infolgedessen höchst unkooperativ. Die Totenstarre hat sich längst wieder gelöst, er ist weich und teigig und scheint auf seinem Sessel wie festgeklebt.
Hätte man ihn auf eine Trage oder den oft üblichen Edelstahltisch umgebettet, hätte ich die Fahrtrage auf die gleiche Höhe gebracht und den Mann einfach rübergerollt. Sieht zwar für Außenstehende nicht toll aus, aber Herrn Möckel hätte es nichts ausgemacht.

Weit und breit ist keiner zu sehen, der mir helfen könnte, ich laufe ein paar Meter, suche jemanden, finde niemanden, die ganze Prosektur scheint wie ausgestorben, also probiere ich es nochmals ganz alleine. Der Mann ist aber definitiv zu schwer und dieses Kunstleder hat Haftkraft, vermutlich ist es von Kukident…

Endlich sehe ich einen Pfleger in grünen Plastiklatschen über den Hof watscheln. Ha, ich kann sogar rennen!
Nö, das macht er nicht, iiih, das ist ja ein Toter, nö, och igitt, ibäääh, nö nö.
Ich biete ihm 20 Euro, er winkt ab, weg isser…

Ah, da hinten, ein älterer Pfleger, wieder renne ich, der Pfleger ist ein Arzt, findet das unter seiner Würde, für sowas habe man Leute im Krankenhaus und dafür habe er nicht ewige Semester Medizin studiert…
Ich ziehe 20 Euro aus der Hosentasche und, ach nee, der Herr Doktor strahlt, der Zwanziger verschwindet in seiner Hosentasche und wir schaffen es tatsächlich den festgesaugten Herrn Möckel umzubetten.

Muß schlimm bestellt sein um die Einkommenslage der Krankenhausärzte, oder?

© 2008

Bildquellen:

  • ratlos: Peter Wilhelm ki

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