Geschichten

Ich war auf Malle

Der junge Mann ist etwa 1,70 groß, schlacksig, dünn, pickelig. Er trägt ein Sechswochenklo, also viel zu große Hosen, deren Schritt an den Kniekehlen hängt, auf seinem T-Shirt steht „fuck the nature“ und er möchte gerne wissen, ob wir in den Sommerferien für zwei Wochen einen Praktikanten suchen. Dann wird er 16 sein, mit der Schule fertig und braucht noch einen Eintrag in seinem Praktikumsheft, weil er jetzt in den Osterferien mit „nem Kumpel auf Malle“ war.

„Alles klar, Sie hören von uns, falls was daraus wird melden wir uns innerhalb der nächsten beiden Tage bei Ihnen, bitte rufen Sie nicht bei uns an, kommen Sie bitte nicht vorbei. Schön, daß Sie sich beworben haben.“

Wer sich schon ein paar Mal beworben hat, der weiß, daß so ein freundlich vorgetragener Satz in Wirklichkeit bedeutet: „Geh weg und komm bloß nicht wieder, Du Flachpfeife!“

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Auf die Einschätzung „Hohlknaller“ bin ich nicht wegen seines Aussehens oder seiner Kleidung gekommen, da habe ich schon Schlimmeres gesehen und wenn sie mal gewaschen sind und in unserer Dienstkleidung stecken, sehen sie alle halbwegs vernünftig aus, einem Leichenträger und Totengräber schaut man nicht ins Gesicht und wenn, dann erwartet man in der Regel auch nichts anderes als eine Hackfresse.

Nein, der Junge ist ein Brülläffchen, weil er mir seine Visitenkarte überreicht. Das an sich ist ja eine Geste, die man in unserer Ebene der Lebensbewältigung eher von Vertretern oder Versicherungsheinis gewöhnt ist, nicht von 16jährigen Sechswochenklo-Trägern.
Aber diese Visitenkarte ist mit einen Tintenstrahldrucker gedruckt, komplett schwarzer Hintergrund mit blutroter kaum lesbarer Aufschrift. Die viele schwarze Tinte hat die dünne Pappe aufgeweicht, denn die Karte ist ganz wellig, hoffentlich kommt das wirklich von der Tinte, er hat die Karte nämlich aus seinem Sechswochenklo geholt.

Nee, so mit Toten da könne er ganz gut, sagt er, und meint noch, das sei schon deshalb nichts Schlimmes, weil er sich ja auch schon so Filme angesehen habe, so mit Leichen und so.

Sprüche, die ich von jungen Leuten kenne und auch diese Sprüche sind es nicht, die mich dazu bringen, ihn als Zupfniete einzustufen, es ist der Aufdruck auf der Visitenkarte.


Oliver G.
Frauenschlitzverdübler

Straße Ort
Telefon e-mail: kingoffucking@irgendwas.de

Da steht er also vor mir, der King of Fucking; na, den hatte ich mir aber anders vorgestellt.

„Wennse mich dann anrufen, kann ich dann mit den Leichen arbeiten oder werde ich dann Fahrer von sonnem Leichenbock?“

Ich schau ihn so über meine Brille hinweg an und meine Mitarbeiter wissen, daß ich dann kurz darauf eine zwei Meter lange, wiederhakenbesetzte Zunge hervorschnelle, die sich blitzartig um den Hals meines Gegenübers schlingt, während ich zu dreieinhalb Meter Größe aufblähe, den Mund zu einer Riesenöffnung weite und dann mein Opfer in Sekundenschnelle vertilge. Mit der Nummer bin ich jahrelang als Seymours eingetopfter Freund aufgetreten.

„Wass’n nu? Komm ich zu den Leichen oder zu de‘ Autos?“

Was an dem Satz: „Wir werden uns bei Ihnen melden….“ hat der Blindfurzer nicht verstanden?

„Sie sprechen aber schon meine Sprache?“ frage ich ihn und er nickt heftig.

„Wir rufen Sie an, falls Sie für uns in Frage kommen.“

Der Spreizdübel hört gar nicht zu, sondern fragt gleich weiter: „Und so Leichen sind die hier im Haus? Bin ich nämlich schon immer dran interessiert.“

„Sandy!“ rufe ich und meine amerikanische Schwarzhaarige schält sich ins Zimmer: „Ja?“

Dabei schaut sie den Dollbohrer so abschätzend und abschätzig an, daß ich förmlich ihre Gedanken lesen kann. Doch der erdreistet sich, einen kurzen hohen Pfiff auszustoßen, sich über die Lippen zu lecken und „Holla, schönes Kind!“ zu sagen.
„Der junge Mann möchte mal zu den Leichen“, sage ich zu Sandy und ich muß ihr nicht einmal irgendein geheimes Zeichen geben, sie weiß was zu tun ist.

„Na, dann kommen Sie mal mit in den Keller“, sagt Sandy und ich wundere mich, daß sie den Typen siezt. Der sagt: „Mit Dir, schöne Frau, würde ich überall hingehen“ und wirft mir einen verschwörerischen Blick zu, dreht sich beim Rausgehen nochmals um und zieht mit dem Zeigefinger der rechten Hand die Haut unterhalb seines rechten Auges etwas nach unten, dabei schnalzt er mit der Zunge und greift sich mit der anderen Hand dahin wo normalerweise der Schritt wäre.

Ich lehne mich in meinem Sessel zurück und zähle langsam von 100 rückwärts; ich bin bei 27 angekommen, da kommt Sandy wieder herein, reibt sich symbolisch den Schmutz von den Händen und ich frage: „Wo isser?“

„Steht draußen und hat sich vollgekotzt.“

„Kommt der wieder?“

„Niemals!“

Gutes Mädchen!

Dieser Artikel ist im Podcast 27 auch in einer Audioversion erschienen.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#Antonia #Büser #Sandy

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