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Martina VI

Fehler durch Lektorin Alexandra bereinigt.

Sheriwan heißt er oder zumindest nennt er sich so, bringt uns zwei große gelbe Blüten mit und möchte die Bestattung von Martina besprechen. Er habe in Erfahrung gebracht, daß wir uns um alles kümmern und der Zirkel habe nun ihn beauftragt, die Wünsche der Brüder und Schwestern zu übermitteln.

Ob es nicht möglich sei, Martina doch einzuäschern. Nur wenn der Körper vom Leiblichen getrennt sei, könne die Seele auf Wanderschaft gehen, was bei einer Erdbestattung wesentlich länger dauere. Der Baumeister habe für jeden einen Plan und Martinas Plan sei gewiss nicht, in der Erde zu liegen.

Ich erkläre ihm, daß es der Wunsch der Eltern sei, daß Martina in einem Erdgrab beigesetzt werde und daß mir deshalb die Hände gebunden seien.

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Besonders scheint das Herrn Sheriwan nicht zu beeindrucken. Er plappert munter drauf los und beschreibt mir mit weit ausladenden Handbewegungen, daß Martina nur dann vom ewigen Rad der Wiedergeburt befreit werden könne, wenn sie eingeäschert werde.

Ich höre ihm ein paar Minuten zu, dann schneide ich ihm das Wort ab: „Herr Sheriwan, ich sagte bereits, uns sind die Hände gebunden.“

„Nicht Herr Sheriwan, nur Sheriwan, das ist mein einziger Name.“

Er lächelt mich an und da er nicht unfreundlich ist und ich nicht einschätzen kann, was er mit Martina überhaupt zu tun hatte, beschließe ich, ihn hinaus zu komplimentieren.
Ich habe da so meine Erfahrungen und weiß, daß die Leute für gewöhnlich einen Schritt zurückweichen, wenn ich auf sie zugehe. Deshalb mache ich einen Schritt auf ihn zu, breite meine Arme aus und sage: „So, das war’s dann, oder?“
Tatsächlich er dreht sich um und schon bin ich wieder einen Schritt näher herangekommen. Die Menschen mögen es nicht, wenn man ihnen auf die Pelle rückt, wieder weicht er aus und schon steht er an der Haustüre.

„Wenn Sie noch irgendwelche Fragen haben, dann können Sie ja anrufen“, sage ich und drücke ihm eine unserer Visitenkarten in die Hand. Schon ist die Tür auf und der esoterische Hänfling steht draußen.
Etwas sprachlos schnappt er nach Luft, aber ich strahle ihn freundlich an, das kann ich nämlich auch, und sage: „Tschüß!“

„Tschüß“, höre ich ihn noch sagen, dann fliegt die Tür zu.
Im Augenwinkel habe ich gesehen, daß draußen zwei junge Frauen auf ihn gewartet haben.

Sollen sie sich doch zum Teufel scheren, diese komischen Sektenheinis. Mir tut Herr Plewka leid, dessen Tochter Martina in dieser Gruppe offenbar so indoktriniert worden ist, daß sie sich regelrecht zu Tode gehungert hatte.

Im Büro wende ich mich wichtigeren Sachen zu, ich muß noch *würg* die Steuersachen vom Steuerberater durchgucken.
Ich weiß nicht wie es anderen geht, aber ich bekomme kleine Augen und werde müde, wenn ich lange auf diese Zahlenkolonnen schaue und setze meine Brille ab, reibe meine Augen, als Sandy klopft und hereinkommt.

„Chef, die stehen immer noch draußen!“

„Wer steht draußen? Der Sektenheini und seine zwei Posaunenengelchen?“

„Was für ein Sektenheini?“

„Na dieser Sheriwan und seine zwei Grazien.“

„Der Mann ist schon lange weg, aber die beiden Mädchen sind auch nicht mit dem gekommen.“

„Was sind das denn für Mädchen?“

„Keine Ahnung, hab ich Löcher in den Händen? Kann ich übers Wasser geh’n? Woher soll ich das denn wissen?“

„Wie wär’s, wenn Du die fragst, ob die was wollen?“

„Ja oder so!“

Vorlautes Weib! Aber immerhin geht sie nachschauen.

—-

Bianca und Tanja heißen die beiden, die eine kaum Zwanzig, die andere vielleicht Mitte Zwanzig. Auch sie haben jede ein paar Blümchen dabei, aber im Gegensatz zu Sheriwan, mit dem sie wirklich nichts zu tun haben, wollen sie nicht mir die Blumen schenken, sondern haben die für Martina mitgebracht.

Ich möchte gar nicht wissen was bei den Plewkas zu Hause los war. Immer wieder hatte Herr Plewka angerufen und war sich wegen der Trauerfeier unsicher, mal sollte sie auf dem Friedhof sein, dann wieder bei uns; schließlich hatte man sich für den Friedhof entschieden.

Deshalb muß ich die beiden jungen Frauen enttäuschen, Martinas Sarg ist in der Leichenzelle des Friedhofes, der Sarg bleibt sowieso geschlossen und der Friedhof ist auch schon zu. Tanja und Bianca sind zwei Kolleginnen von Martina, haben mit ihr zusammen in der Zahnarztpraxis gearbeitet, bis Martina alles hingeworfen hatte.

„Uns war richtig schlecht, wir haben uns einfach nicht hier reingetraut“, sagt Bianca und Tanja fügt hinzu: „Wir haben gedacht, daß hier der offene Sarg steht…“

Tanja ist ganz blaß und Sandy, die am Türrahmen lehnt, meint: „Wollt ihr euch nicht setzen?“

Ich nicke und sage zu Sandy: „Ja, mach Du das mal!“ und will mich verdrücken, doch Sandy meint: „Nee, nee, bleib mal schön hier. Du hast die ganze Zeit mit Herrn Plewka gesprochen, ich weiß ja kaum was von dem Fall.“ Recht hat sie.

Zu Bianca und Tanja sagt sie: „Wir können das ja so machen, ihr laßt die Blumen hier und morgen früh fahr‘ ich auf den Friedhof und leg die in den Sarg.“
Die beiden nicken und geben zögerlich die schon etwas zerdrückten Blumen her, Sandy bringt sie nach nebenan.

„Wir haben Schiss gehabt, wie Martina aussieht, das war ja alles so schrecklich“, beginnt Tanja und fährt fort: „Also beruflich kann man nix sagen, also ehrlich, da war sie 1a und superspitzeklasse, stimmt doch, Bianca, oder?“

Bianca nickt zustimmend und sagt: „Wenn bloß diese Sucht nicht gewesen wäre, Drogen machen jeden kaputt.“

Drogen? Ich werde hellhörig und muß in diesem Moment auch ein entsprechende Gesicht gemacht haben, denn Tanja wirft Bianca einen warnenden und zugleich vorwurfsvollen Blick zu. Doch Bianca läßt sich nicht bremsen: „Ach ist doch wahr, das hat doch jeder gewußt, daß die auf Heroin ist. Mich hat das sowieso immer gewundert, daß das bei uns in der Praxis so lange gut gegangen ist.“

„Heroin! Wie kannst Du sowas sagen? Hast Du sie jemals spritzen sehen?“ schimpft Tanja und Binaca behauptet trotzig: „Ich erkenne einen Junkie auf zehn Meilen, mir konnte sie nichts vormachen.“

Tanja beendet das Gespräch, offenbar ist es ihr mehr als unangenehm, daß ihre Kollegin so etwas über Martina sagt; sie steht auf, zieht Bianca ebenfalls hoch: „Los, wir müssen jetzt gehen!“

Der Abschied ist kurz und die Mädchen lassen mich ratlos und sprachlos stehen.
Sollte da wirklich etwas dran sein?

—–

Ich habe es nie erfahren. Zwar versuchte ich Herrn Plewka einige Wochen nach der überaus eindrucksvollen Trauerfeier einmal vorsichtig und durch die Blume auf das Thema anzusprechen, aber er hat keine Silbe herausgelassen. Mit zusammengepressten Lippen wandte er sich der Danksagungsanzeige zu und von seiner ansonsten typischen Gesprächigkeit war nichts mehr da. Merkwürdig!

Er blieb freundlich, aber war seitdem eher einsilbig.

Was wenn Martina wirklich Drogen genommen hat und er einfach die Augen zugemacht hat? Welche Rolle spielte diese komische Gruppe dabei? Ich hätte es zu gerne gewußt.

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.

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