Branche/Kommune

Mit einem zugekniffenen Auge sieht man wie der Mond sich bewegt

Ich fahre ja nicht mehr so oft selbst mit, wenn mal jemand geholt werden muss, aber heute Nachmittag ergab sich das so. Jemand muss aus dem Krankenhaus abgeholt werden. Das ist dann immer ein Fest für den Fahrer, der mir dann mal zeigen kann, dass sich so ein Bürohengst wie ich ja gar nicht auskennen kann.
Ich gönne ihm den Spaß, denn im Grunde haben alle Leute hier alles was sie können von mir gelernt.

„Chef, machen Sie das mit den Papieren, okay?“

Ja klar, mach ich doch. Also fährt er runter in den Keller, um den Verstorbenen zu holen, da unten hilft ihm ein Pfleger. Unterdessen laufe ich um das ganze Krankenhaus herum, fahre dann mit dem Aufzug in den fünften Stock und stelle mich an der Verwaltung in die Warteschlange. Nach schon 20 Minuten bin ich an der Reihe. Ich sage brav meinen Namen und erkläre, dass ich die Leichenschaupapiere von Herrn XYZ haben möchte.

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Der Typ, der da bedient, setzt sich in Bewegung. Das heisst, man kann wahrnehmen, dass er sich bewegt, so wie man wahrnehmen kann, dass der Mond über den Abendhimmel wandert. Man muss schon ein Auge zukneifen und ja nicht mit dem Kopf wackeln, um feststellen zu können, dass er von der Stelle kommt. Ganze zweieinhalb Meter muss er zurücklegen, einen Aktenschrank aufmachen, beim passenden Buchstaben den Umschlag raussuchen und dann die ganze weite, lange Strecke wieder zurück.
In der Zeit hätte ich einen VW-Käfer in seine Einzelteile zerlegt und wieder zusammengebaut!

„Hundertzwölffuffzich, dritter Stock Zimmer 312, dann mit dem Beleg wiederkommen.“

Um zu unterstreichen, dass er nicht gewillt ist, ohne den Beleg noch irgendetwas zu tun, legt er seine behaarte Hand auf den Umschlag und nickt mit hochgezogenen Augenbrauen in Richtung Tür.

Okay, ich gehe raus, den Gang hinunter, fahre mit dem Aufzug in den dritten Stock, bezahle in Zimmer 312 bei einer freundlichen Nonne meine 112,50 Euro, bekomme eine Quittung mit Stempel und fahre wieder nach oben. Das mag dann zehn Minuten gedauert haben.
Oben habe ich keine Lust, mich nochmals in die Schlange zu stellen, setze ein ganz wichtiges Gesicht auf und gehe einfach an den Wartenden vorbei in die Verwaltung.
Aber offenbar war das genau das Richtige. Der Schlurfer steht immer noch hinter dem Tresen, immer noch die behaarte Hand auf meinem Umschlag und streckt mir die andere entgegen, um die Quittung zu kontrollieren.
Das heisst, der hat die ganze Zeit keinen anderen hereingerufen, sondern stur auf mich gewartet. Kein Wunder, dass da eine lange Schlange vor der Tür steht!

In der Ruhe liegt die Kraft!
Mann, muss der kräftig sein!

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

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(©si)