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Olugulade -6-

Für das Weblog war bis jetzt keine Zeit. Zuerst habe ich wie versprochen dem kleinen Daniel einen Fußball gekauft. Meine Frau hat ihm noch Unterwäsche und ein paar Shirts geholt, ansonsten passen ihm die Sachen, die wir noch von unserem Größeren haben. Ich bleibe dabei, er ist ein Klugscheißer und altkluger Besserwisser.
Ich kann es nicht richtig beschreiben, aber er benimmt sich wie der Prinz von Zamunda.

Egal, der hat einen Kükenbonus und natürlich berücksichtigen wir die besondere Situation in der er steckt. allerdings halte ich nichts davon, daß wir ihn jetzt über Gebühr schonen oder bevorzugen.

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Am frühen Nachmittag taucht Frau Birnbaumer-Nüsselschweif hier auf und bringt zwei große Müllsäcke voller Altkleider. In ihrer Begleitung befindet sich Herr Dr. Raps, der in der Afrika Gruppe einen besonderen Status genießt, wie ich erfahre, weil er als Einziger schon mal in Afrika war.

Insbesondere möchte sich Frau Birnbaumer-Nüsselschweif durch persönliche Inaugenscheinnahme davon überzeugen, daß Daniel, den sie vehement „das hinterbliebene Kind“ nennt, bei uns auch wirklich gut untergebracht ist. Dabei wird sie nicht müde, zu beteuern, daß es dem hinterbliebenen Kind in ihrer Obhut gewiss viel besser gehe. Ich lehne es aber ab, jetzt über einen Umzug Daniels zu verhandeln. Am Montag schon will jemand vom Jugendamt kommen und dann wird sich alles weisen.

Sie werde jetzt die nigerianische Botschaft anrufen und sich erkundigen, wie alles weitergeht. Das halte ich für keine gute Idee, da ich keine Ahnung habe, welchen Status die Olugulades hier genießen und man sollte in einer solchen Situation keine schlafenden Hunde wecken.

Dr. Raps tut so, als sei ich der Quertreiber und redet beruhigend auf die Birnbaumer-usw. ein, so als ob er einem vernunftbegabten Menschen das Verhalten eines Irren begreiflich machen müsste.
Die beiden sehen in mir einen Konkurrenten, der ihnen quasi eine Trophäe streitig macht, von der sie glauben, daß sie ihnen zusteht. Merkwürdige Leute; ich komplimentiere sie hinaus.

Meine Frau und ich inspizieren wenig später die Klamotten, die das Rüsselschwein gebracht hat. Darunter ein fadenscheiniger Janker in Größe 52, ein Filzhut der bestimmt Luis Trenker gehört hat und etliche Hosen, die sogar mir zu lang wären. Zwei Hemden könnten Daniel passen, den Rest kann Frau Birnendings zurückhaben.

Daniel spielt auf dem Hof Fußball, es ist viel zu kalt und ich rufe ihn herein. Ich will nochmals nach der geheimnisvollen Stadt mit „B“ forschen und habe mir allerlei clevere Fragen zurechtgelegt. „Das Krankenhaus, in dem deine Mutter liegt…“, beginne ich, doch er unterbricht mich: „Sie meinen das Krankenhaus in Bonn?“ Und schon scheint das Geheimnis gelöst zu sein. Ob sich da eine Blockade gelöst hat oder ob Daniel gestern einfach zu aufgeregt war?

Ich bin ziemlich aufgeregt, als ich der Reihe nach die Krankenhäuser abtelefoniere, schon beim zweiten habe ich Glück. Olama Olugulade ist dort bekannt, man verbindet mich „auf Station“ und es meldet sich Schwester Cordula. Die ist Nonne, sehr bemüht und heftig erschrocken, als ich ihr berichte, was vorgefallen ist. Ja klar, den verstorbenen Mann kennt sie, der habe seine Frau gebracht, die stehe kurz vor der Entbindung, morgen, spätestens übermorgen sei es so weit. Man könne der werdenden Mutter in Anbetracht der schwierigen Lage unmöglich jetzt mit einer solchen Botschaft kommen – und überhaupt könne ich sowas ja wohl schlecht telefonisch machen.

„Ich will das überhaupt nicht machen“, protestiere ich: „Ich dachte eher daran, daß ich Sie informiere und Sie das dann übernehmen.“

„Das muß schon einer machen, der die Familie kennt“, sagt Schwester Cordula und ich erkläre ihr nochmals, daß ich die Familie überhaupt nicht kenne. „Ja, trotzdem, Sie sind ja quasi der Ersatzvater für den Kleinen, also können Sie auch mit der Mutter sprechen, aber frühestens am Dienstag.“
Ich will nochmals protestieren, aber Schwester Cordula läßt sich in ihrer Wegbeschreibung nicht unterbrechen.

Nee, das mach ich nicht. Ich bin Bestatter und kein Todesbotschaftüberbringer.

Ich rufe Pfarrer Schmidt an. Er ist evangelisch und hat oft ganz gute Ideen, wenn ich in so Sachen nicht weiter weiß. Er hört sich meine Geschichte an, unterbricht mich kaum, fragt nur zweimal kurz nach und dann warte ich auf seinen Ratschlag. Statt mich aber nun zu bestärken, daß mich das alles nichts angeht, sagt er: „Dann werden wir beide am Dienstag eben nach Bonn fahren müssen.“
Kein Verlass mehr auf die Popen!
„Naja“, sagt er: „überlegen Sie doch mal, in was für einer Situation die Frau ist. Die hat dann gerade ein Baby geboren und wartet dann sicher darauf, daß ihr Mann kommt oder sich meldet. Wollen Sie, daß dann ein Polizist ihr die Botschaft überbringt?“

Mann, ich wollte dem Herrn Bauer einen Gefallen tun, dem kleinen Daniel helfen, aber doch nicht so in die Sache hineingezogen werden.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#olugulade

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