Geschichten

Opa Gleisberg -VI-

Ja, aber wirklich optimal waren die Pflegebedingungen bei Ihnen ja nun wirklich nicht“, wende ich ein und die versammelte Olschewskischaft protestiert.

Das sei ja wohl ’ne Frechheit. Ob ich denn nicht wüßte, wie die Alten in den Heimen verrecken würden. „Da sind die doch bloß ne Nummer inne Bilanz und sollen möglichst lange wenig Arbeit machen und schön jeden Monat Kohle reinbringen. Jeder bringt da doch an die 4.000 bis 5.000 Flocken inne Kasse, hör ma‘, da kannse auch in datt schönste Hotel für gehen!“ schimpft Olschewski und seine Lotte fügt hinzu:
„Wir ham den Oppa ja immer noch zu uns rüber geholt, mit uns hat der immer Fernseh‘ geguckt. Schlimm ist datt doch erst geworden, als der zum Stinken anfing.“
Alle Olschewskis nicken, einer der Marco-Mircos legt sogar für einen Moment sein Handy weg und eine der Töchter zieht zur Bestätigung hörbar ihre Nase hoch und klappert mit unendlich langen, bemalten und mit Strass-Steinchen beklebten Fingernägeln auf der Tischplatte herum.

Ja, am Ende sei ihnen das über den Kopf gewachsen, das würden sie ja zugeben, aber da habe der Oppa doch sowieso schon so unter Morphium gestanden und gar nichts mehr mitbekommen…

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Ich frage nach: „Aber da ist doch jeden Tag der Pflegedienst gekommen oder der Arzt?“

„Ja sicher, da haben wir den Oppa immer schön nach vorne geschoben… Aber mal ehrlich, der Doktor kam rein, Tasche auffen Tisch, kurz ’ne Spritze, zack war der wieder weg. Ich möcht‘ nich‘ wissen, was der dafür jedes Mal abgerechnet hat“, sagt Frau Olschewski und ihr Mann meint: „Ach, soviel ist datt heute auch nich mehr, Du hörs doch, wie die immer am Jammern sind die Dokters. Da studieren die sich den Arsch wund auffe Uni und dann sollen’se an allem Schuld sein, watt da schief läuft, und kriegen noch nich ma‘ genuch dafür, damit die Praxis sich richtig lohnt. Sind doch alles die ganz Alten von früher Schuld! Alle zwei Jahre immer schon in Kur, alle zwei Jahre ’ne neue Brille, immer das ganze Maul voller künstlicher Zähne und alles auf Kassenkosten. Is‘ doch klar, datt datt nich‘ ewich so weitergehen konnte, irgendwann sind die Kassen leer. Wer soll denn inne Kassen einbezahlen? Die ganzen Hartz-IV-ler? Nee, nee, datt funktioniert nich! Wenn’et nich so Leute gäb wie uns, dann wär‘ datt System schon längst am Ende.“

Ich weiß auf einmal nicht mehr, was ich von der ganzen Sache halten soll.
Mit was habe ich es hier zu tun?
Sind das habgierige Asoziale, die sich immer mal wieder einen alten Menschen zur Pflege holen, der das dankbar annimmt, um nicht in Alters- oder Pflegeheim zu müssen und den die Olschewskis dann im eigenen Dreck verkommen lassen, nur um in der Zwischenzeit sein ganzes Geld abzuheben?

Oder sind das nur hilflose und zugleich hilfsbereite Idioten, die es eigentlich gut meinen und tatsächlich im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihr Bestes geben, was aber leider vollkommen unzureichend ist?


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Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 25. März 2016

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