Geschichten

Opa Gleisberg -III-

Wir haben an dem Abend nicht wirklich lange warten müssen. Die Polizisten zeigten sich an den Umständen, unter denen der alte Herr Gleisberg gestorben war, eher uninteressiert. Es gäbe doch einen ordentlichen Totenschein und unter welchen Umständen Messies leben…, ach, da hätten sie schon ganz andere Sachen gesehen.

„Nee, den könnt’er mitnehmen“, sagte uns einer der ranghöheren Polizisten und drückte uns die Sterbepapiere in die Hand. Vorsichtshalber machte man etwas ungelenk eine ganze Reihe Fotos, schrieb sich ein paar Notizen und die Personalien aller Anwesenden auf und dann half uns der vollkommen fassungslose Herr Böttcher vom Pflegedienst beim Einladen.

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Irgendwie hatten er und ich uns das anders vorgestellt.

Als langsam die Heckklappe des Bestattungswagens herunterfuhr und fast geräuschlos ins Schloss klappte, erzählte mir Herr Böttcher, die Olschewskis hätten den Opa Gleisberg schon irgendwie aus Fürsorge bei sich aufgenommen. Der alte Mann habe nebenan selbst mal einen Taubenschlag besessen und nach dem Tod seiner Frau angefangen, seine Tiere zu verkaufen und den Taubenschlag aufzulösen.
Daher habe Olschewski ihn gekannt und als Opa Gleisberg eines Tages im Garten vor seinem Taubenschlag zusammengebrochen sei, habe man den Alten ins Krankenhaus gebracht, ihn dort besucht und später bei sich aufgenommen.

Erst habe der Opa mit denen zusammen gewohnt, wofür der alte Mann, der nach dem Tod seiner Frau nicht mehr alleine klar gekommen war, sehr dankbar gewesen sei. Er habe die Straße gekehrt, die Mülltonnen raus gestellt und sich auch um die Tauben der Olschewskis gekümmert.
Doch dann sei Opa Gleisberg immer kranker und schwächer und schließlich zum Pflegefall geworden.

„Da gab es eine kleine Rente, Opa Gleisberg hatte ja auch das vermietete Häuschen in der Röderstraße, von wo es eine Mieteinnahme gab und die Olschewskis kassierten natürlich das Pflegegeld.
Ich sage es ihnen, immer wenn wir gekommen sind und wenn der Medizinische Dienst die Überprüfungen machte, stand das Bett von Herrn Gleisberg vorne im Haus.
Ich sag‘ ja, jeder konnte sehen, daß die Pflege nicht optimal war, schon allein diese vielen Bündel Altpapier da vorne und die vielen leeren Flaschen… Aber mal ehrlich, was will man machen? Der Mann bekam zu essen, zu trinken, seine Medikamente und war bei Leuten. Da hat er mehr als die meisten pflegebedürftigen Alten.
Die meisten sterben uns weg, weil sie nichts zu trinken bekommen. Wirklich, wenn die mehr trinken würden, könnten viele von denen fünf bis zehn Jahre länger leben – ist so meine Theorie.
Aber da hat ja niemand Zeit, sich stundenlang neben die zu setzen und zu sagen: ‚Komm, Oma, trink noch watt!‘.
Da stirbt uns doch keiner wegen großer Pflegefehler, das sind vielleicht ein paar Prozent, nee. die kippen uns weg, weil’se nichts trinken. Is‘ so“, sagt Böttcher und hebt resignierend die Arme.

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