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Opa Gleisberg -VIII-

Insgeheim sortiere ich die Ereignisse. Also eins ist richtig, Herr Böttcher vom Pflegedienst hat bei uns angerufen. Als wir an der genannten Adresse ankamen, waren nur die anderen Olschewskis anwesend. Das waren Hottes Bruder und dessen Frau, die auch irgendwie, irgendwo da wohnen. Von Hotte weiss ich, daß er abends zwei, drei Stunden auf einer Tankstelle aufräumt und seine Frau, die kleine fetthaarige Lotteliesel trägt um diese Zeit Reklameblätter herum. Die holde, tätowierte und gepiercte Kinderschar war an diesem Abend unterwegs gewesen.

So – keiner von den Olschewskis hatte uns angerufen und bezahlen wollen sie jetzt auch nicht.

Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob die Bande eine ganz abgezuppte Truppe ist, die Alte zu Tode pflegen, um von deren Rente und Pflegegeld zu leben, oder ob die einfach nur doof und unfähig sind.
Herr Böttcher vom Pflegedienst, das ist klar, hält sie für erstes.

Olschewski mit der dicken, verdreckte Brille glotzt mich an, grinst dabei feist und bleckt seine drei Zähne. „Also, datt datt ma klar is‘, wir ham alles getan und zahlen tun wir nix. Kann uns keiner für zwingen tun.“

Nun ja, ich kann sie nicht zwingen. Nach dem Landesbestattungsgesetz gehören die Olschewskis auf jeden Fall nicht zu den Bestattungspflichtigen; und ausserdem habe ich starke Zweifel, dass sie überhaupt über Geld verfügen. Auf der anderen Seite… Wenn sie tatsächlich Opa Gleisberg ausgenommen haben, wie eine Weihnachtsgans, dann sollten sie doch eigentlich wenigstens für seine Bestattung geradestehen können.

Kinder, das weiss ich aus den Formularen, hatte Opa Gleisberg keine und andere Verwandtschaft auch nicht.
Ja, und den armen Herrn Böttcher, der uns gerufen hatte, kann man auch nicht belangen, er hat ja irgendwie im Auftrag der Olschewskis gehandelt.
Und das Sozialamt? Nun, wenn der alte Mann Vermögen hatte, dann werden die auch nichts bezahlen.

Was also nun?

Silke-Claudia Hitz!

Ja, ja, Silke-Claudia Hitz, die Dame von der Ortspolizeibehörde, die mit einer Rolle Stacheldraht im Leib auf die Welt gekommen ist, der sie zu kerzengeradem Sitzen zwingt, sie bösartig macht und der manchmal ein Stück weit aus ihrem Rachen ragt, nämlich immer dann, wenn sie den Mund aufmacht.
Was hat uns diese Zicke schon für Scherereien gemacht. Jeder ihrer Sätze hat mehr Sprengkraft als eine Handgranate und jedes ihrer Schreiben, treibt einem den Blutdruck hoch.
Ihr Lieblingswort ist „Zwangsmaßnahme“.
Und dabei sieht die Frau sowas von liebreizend und hübsch aus, man könnte glatt dahinschmelzen.

Und dabei sind wir wieder bei Sandy. Die langbeinige Schwarzhaarige hatte sich vor geraumer Zeit einmal die Bissige von der Ortspolizei im wahrsten Sinne des Wortes zur Brust genommen und eine ganze Weile ein Techtelmechtel aufrecht erhalten. Ob da jetzt gerade was läuft? Ich weiss es nicht, bei Sandy weiss man nie!

Und genau diese Frau Hitz müsste ich nun anrufen, melden, dass wir einen Toten haben, für den sich keiner zuständig erklären mag.

Was würde folgen? Die Kerle vom städtischen Bestattungsbüro würden mit ihrem Leichenwagen kommen, den Opa bei uns aus dem Keller holen und irgendwann würde er irgendwo auf dem Friedhof im Rahmen einer Massenbeisetzung in einem Urnengrab verschwinden.

Ich habe Opa Gleisberg zu Lebzeiten nicht gekannt. Aber er tut mir trotzdem leid.

„Was issen nu mit dem Sarg?“, fragt Lotte Olschewski und reisst mich unsanft aus meinen Gedanken, die gerade um Brüste und Stacheldraht kreisen. „Können wir den jetzt mal aussuchen?“

„Nee“, sag ich, „Wenn Sie nicht bezahlen, dann können Sie auch nix aussuchen.“

Das aber ist den Olschewskis so was von egal. Sie lassen mir einen Stapel Papiere da. „Datt sind die Unterlagen von den Oppa. Vielleicht un se ja noch watt davon brauchen.“

Jau, und tschüß!


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 25. März 2016 | Peter Wilhelm 25. März 2016

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